Schon in jungen Jahren lernen die meisten, wie wichtig es ist, Abfall korrekt zu trennen und zu entsorgen. Insbesondere Kunststoffe aller Art benötigen eine lange Zeit, um sich zu zersetzen; manche bleiben für immer und belasten das Ökosystem erheblich. Warum schaffen wir es dennoch (noch) nicht, Materialien im Kreislauf zu halten und eine nachhaltige Abfallwirtschaft zu betreiben? Merkwürdiges, Denkanstoss und Anleitung zum Handeln liefern Beobachtungen aus der Beschäftigung mit dem Thema Abfall und Zirkularität.
Text: Anna Lohs, Gabriela Dimitrova, Daniel Stockhammer
Aus den Augen, nicht aus dem Sinn
Wer käme auf die Idee, dass ein beträchtlicher Teil der giftigen Schlacke aus etwas so Unauffälligem wie Katzenstreu besteht? Insbesondere die mineralischen Sorten wie Bentonit und Silikat bilden eine riesige Herausforderung im Abfallmanagement. Laut Roger Hollenstein vom VfA Buchs SG verursacht Katzenstreu etwa 10 % der jährlichen 40 Tonnen Schlacke der Rheintaler Verbrennungsanlage. Weil sie nicht vollständig verbrannt werden können und durch andere Giftstoffe angereichert werden, müssen gewaltige Mengen in speziellen Schlackebunkern in Deutschland (end-)gelagert werden.
Pflanzliche Alternativen aus Holz- oder Pflanzenfasern sind die umweltfreundlichere Lösung, da sie vollständig verbrannt werden. Allerdings ist ihre Entsorgung oft aufgrund potenzieller Krankheitserreger wie Toxoplasmose auf die Restmülltonne beschränkt. Verbraucher:innen sollten deshalb auf klare Kennzeichnungen wie «100 Prozent biologisch abbaubar» achten, um nachhaltige Entscheidungen zu fördern.
Einen vielleicht ebenso unbekannten Zusammenhang mit Entsorgungsproblemen stellt die invasive Ausbreitung von Neophyten dar; die gebietsfremden Pflanzen, meist durch achtloses Entsorgen in der Natur angesiedelt, gefährden die heimische Artenvielfalt. Die rasch steigende Anzahl an importierten Invasivpflanzen mit ihrem hohen Feuchtigkeitsgehalt – besonders wenn sie blühen, wird ihre Verbrennung empfohlen – führt heute bereits zu Problemen beim Verbrennungsprozess. Nur noch schlimmer ist die KVA betroffen, wenn das Militär nicht mehr benötigte Tarnanzüge zur Entsorgung liefert. Die Flammschutzimpregnierung und Chemikalien in der Kleidung haben den ‹Brennmeistern› schon viel Kopfzerbrechen bereitet. Wissen tun es die Entsorger und Verursacher:innen meistens kaum.
Probleme des nachhaltigen Wirtschaftens: Zur Entsorgung von Produkten der Energiewende
Nachhaltige Energie aus Solar- oder Windkraft bietet eine wichtige Alternative zu fossilen Brennstoffen und leistet einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz. Doch neben ihren Vorteilen bringen sie auch neue Herausforderungen für die Umwelt. Aufgrund der enormen Menge, Grösse und Dauerhaftigkeit moderner Windräder aus faserverstärkten Kompositmaterialien, gibt es schlicht noch keine nachhaltigen Entsorgungskonzepte. Ausgediente Windräder werden deshalb zu Hunderten einfach eingegraben und zugeschüttet. Relikte, die künftigen Archäolog:innen vermutlich viele Forschungsfragen eröffnen werden.
Solarpaneele wiederum bestehen zu 80–90% aus Sicherheitsglas (ESG), das vor Hagel und Verschmutzung schützt. Die restlichen 10–20% setzen sich aus Silizium und Metallen wie Kupfer, Silber und Aluminium sowie Kunststoffen zusammen. In älteren Generationen wurden die Metallverbindungen in der aktiven Schicht mit Blei gelötet. Schwermetalle wie Blei, Silber und Kupfer reichern sich in der Umwelt an und wirken sich schädlich auf die menschliche Gesundheit und unser Ökosystem aus. Obwohl alle Bestandteile eines Solarpanels theoretisch recycelbar sind, werden sie heutzutage geschreddert, weiter zerkleinert und in Verbrennungsanlagen verbrannt. Die dabei entstehende Metallschmelze wiederum wird zusammen mit der Schlacke in ein Endlager gebracht.
Der steigende Anteil an Produkten zur nachhaltigen Energiegewinnung und -speicherung, in der Regel ist deren Lebensdauer auf höchstens ein bis zwei Dekaden beschränkt, bedarf neuer Entsorgungslösungen. Ihre Beschaffung und ihr Einsatz ist nur dann wirklich nachhaltig, wenn ihr Ende es auch ist.
Der Mythos vom grünen Recycling
Die Wiederverwertung von Betonabfällen als Zuschlagstoffe trägt dazu bei, dass weniger Kies für Beton benötigt wird; Emissionen und Energieverbrauch reduziert Recyclingbeton indes nicht. Nassverarbeitende Anlagen zur Gewinnung von künstlichem Kies sind zwar effizient, doch ihre Leistungsfähigkeit wird neuerdings und zunehmend durch die chemischen Zusätze im Betonabbruch beeinträchtigt. Besonders neuere Betonmischungen – mittlerweile sind bereits Gebäude aus den 1990er- bis 2000er-Jahren abgebrochen – enthalten vermehrt künstliche Zusätze, was zu einer Verschmutzung des Aufbereitungswassers führt. Das Waschen führt zu einer schäumenden, teilweise giftigen Brühe, die nicht restlos rezykliert werden kann und als Abfall in der Sonderdeponie gelagert werden muss. Neue Betonarten und zunehmend steigende Mengen an Abbruchmaterial mit chemischen Zusätzen – wie zum Beispiel Abbindeverzögerer oder -beschleuniger – verschärfen dieses Problem laufend.
Die Wiederverwertung von Recyclingbeton hilft, den Rohstoffabbau zu mindern, Baufachleute sollten jedoch darauf achten, dass fortan möglichst wenig chemische Zusatzstoffe beigemischt werden.
Feinpartikel: Das unsichtbare Abfallproblem
Vielen dürfte nicht bekannt sein, dass Schneiden und Fräsen ein riesiges Entsorgungsproblem darstellt. Rund 20% des Bauabfalls besteht aus Feinpartikeln, die in Fachkreisen als Feinfraktion bezeichnet werden und, weil oft Schadstoff belastet, auf Sonderdeponien entsorgt werden muss. Im Entsorgungsunternehmen Spross aus Zürich beläuft sich die Menge dieser Feinfraktion auf etwa 80.000 Tonnen jährlich. In der Gruppe der gemischten Bauabfälle beträgt der Anteil der Feinfraktion 10-15%.
Feinpartikel entstehen bei der Trennung, Zerkleinerung und Verbrennung von Baumaterialien und können Schadstoffe transportieren. Aufgrund ihrer geringen Grösse und der insgesamt grossen Oberfläche haften an diesen Teilchen zahlreiche umweltschädliche Substanzen. Daher wird die Feinfraktion auf Deponien der Klasse E entsorgt, die für das höchste Gefährdungspotenzial steht. Um die Freisetzung von Feinstaub (oder auch Asbest) zu verhindern, werden Feinpartikel in dicht verschlossenen Plastiksäcken gesammelt und ggf. in Wasser gelagert.
Das Problem kann entschärft werden, indem Schneiden, Fräsen und Schleifen von künstlich erzeugten Baustoffen und Bauteilen, zum Beispiel in Folge von Anpassungsarbeiten oder Rückbau, möglichst minimiert wird.
Vom Ende her denken
Nachhaltigkeit bedeutet auch, Handeln und Konsum vom Ende her zu denken. ‹Korrektes› Entsorgen bedeutet noch nicht, dass wir nachhaltig entsorgen. Wie die Ausstellung E-Waste – der Beitrag Liechtensteins an der Biennale 2023 durch die Liechtenstein School of Architecture – zeigt, geben wir unsere alten Elektrogeräte zwar korrekt dem Fachhandel zur Entsorgung zurück. Doch ist damit der Abfall erstmal nur aus dem Land und nicht aus der Welt geschafft. Elektroschrott wird weltweit gehandelt und verschifft. Nur zu oft landet er in den schwächsten Regionen der Welt, wo die Ärmsten unter prekären Umständen versuchen, mit den Resten der Konsumnationen ihre Existenz zu sichern.
Wir müssen deshalb lernen, Verantwortung für unsere Produkte bis zu deren finalen Entsorgung zu übernehmen. Das können wir nur, wenn wir lernen, in Kreisläufen zu denken und zu handeln.
Die Wiederverwendung, das Re- und Upcycling von Baurestmassen zählen zum Forschungsschwerpunkt der Fachgruppe «Built Heritage & Upcycling» an der Liechtenstein School of Architecture. Das Team untersucht die materiellen und immateriellen Ressourcen der gebauten Umwelt und Strategien ihrer Erhaltung, Weiterentwicklung und Überführung in eine zirkuläre Bauwirtschaft. Die Beschäftigung mit Themen der Entsorgung fand im Rahmen der Arbeiten der Doktorandinnen Gabriela Dimitrova und Anna Lohs, unter der Betreuung von Prof. Dr. Daniel Stockhammer, statt. Das Projekt wurde von der Liechtensteinischen Stiftung API grosszügig unterstützt.