Die Liechtensteiner Kitas sind für Familien mit Kleinkindern
und schulpflichtigen Kindern nicht nur nette Einrichtungen, sondern
hinsichtlich der von der Politik stets hochgepriesenen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr zentral. In der Familien- und Bildungspolitik muss diesem Thema höchste Priorität beigemessen werden, da die Probleme des Kita-Angebotes infolge der finanziellen Schwierigkeiten und des Fachkräftemangel der Anbieter schon seit längerem bekannt sind.
Text: Johannes Kaiser
Die Massnahme des Vereins Kindertagesstätten bezüglich der Kürzung der Öffnungszeiten infolge schlechter Finanzen und des Fachkräftemangels wirft einige Fragen betreffend das Gesamtsystem auf. Damit Eltern am Berufsleben teilnehmen können, bedarf es möglichst attraktiver Rahmenbedingungen in der ausserhäuslichen Kinderbetreuung. Da die derzeit gültigen Richtlinien einen grossen Interpretationsspielraum zulassen und in der Vergangenheit nicht überall gleich angewendet wurden, ist beabsichtigt, neue Richtlinien einzuführen. Es gilt jedoch eine grundsätzliche, systematische Neuausrichtung vorzunehmen. Damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur ein Votum von Politik und Wirtschaft bleibt, sind die frühkindlichen Betreuungsangebote organisatorisch der gesamtheitlichen Bildung der Kinder zuzuordnen – also dem Schulamt und nicht dem Amt für Soziale Dienste. Der Staat darf und kann sich nicht aus der Verantwortung ziehen und nur eine Kontrollfunktion einnehmen, da die Bildung künftiger Generationen eine Grundressource ist. Dies bedeutet, dass die Finanzierung weitgehend eine staatliche Aufgabe ist, zumindest zusammen mit den Gemeinden. Die Bildung und Erziehung der Kinder startet eben mit den Kinderspielgruppen, Tagesstrukturen und Kindertagesstätten.
Es geht um Vereinbarkeit
Die Gemeinden haben zu den neu geplanten Richtlinien der Kindertagesstätten, Tagesstrukturen und Spielgruppen in Form einer Vernehmlassung Stellung bezogen. Sie haben aufgezeigt, dass den Bedürfnissen, Anforderungen sowie der essenziellen Relevanz dieser frühkindlichen und ausserschulischen Betreuungs- und Bildungsangebote – und damit förderlichen Rahmenbedingungen für Eltern hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – mit diesem Modell in keiner Weise Rechnung getragen werden kann.
Neue Richtlinien enthalten viele Verschlechterungen
Demnach enthalten die neuen Richtlinien zahlreiche Verschlechterungen und stellen erhebliche zusätzliche Anforderungen an die Spielgruppen. Im Gespräch mit den Spielgruppen sei vonseiten des ASD eine finanzielle Unterstützung für die bewilligten Spielgruppen in Aussicht gestellt worden. Ein klare Regelung wäre hierzu wünschenswert, um den zusätzlichen Aufwand der Spielgruppen zu entlasten. Es ist kein Geheimnis, dass verschiedene Spielgruppen in den Gemeinden ihren Betrieb unter diesen Umständen beziehungsweise mit den vorgeschlagenen Richtlinien einstellen werden. Die Alarmglocken sollten bei der Politik und der Wirtschaft nun leuchtend rot aufblitzen!
Was läuft schief?
Bei den Tagesstrukturen und Kindertagesstätten werden Quadratmeterzahlen herangezogen, die nicht nachvollziehbar sind und sich nicht an die Schweizer Nachbarkantone sowie deren Empfehlungen orientieren. Liechtenstein bewegt sich mit seinen Regelungen weit weg von den Richtlinien in der Schweiz. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, weshalb Liechtensteiner Kinder mehr Quadratmeter benötigen als ihre Nachbarn in den Kantonen St. Gallen und Graubünden. Diesbezüglich besteht dringlicher Handlungsbedarf.
Aufheizung des Fachkräftemangels
Bei der leitenden Person wird neu mit «Fachfrau/Fachmann Betreuung, Fachrichtung Kinder» mit fünf Jahren fachspezifischer Berufserfahrung – nach Ausbildungsabschluss – eine Führungsweiterbildung vorausgesetzt. Dies war bisher nicht der Fall. Die geforderten fünf Jahre Berufserfahrung bei der leitenden Person sind aufgrund des aktuellen Fachkräftemangels nur schwer bis nicht umsetzbar. Auf der Schweizer Seite bestehen diese Mindestanforderungen nicht. So schränkt sich Liechtenstein auf unverständliche Weise selbst ein und vermindert so die Bewerberzahl sehr massiv.
Leuchtturm-Zielsetzung wird meilenweit verfehlt
Grundsätzlich wurde das Regelwerk so vergrössert, dass vieles komplizierter und verschärft wird und vom ASD kontrolliert werden will und muss. Die individuelle Situation in den Gemeinden wie auch die Gemeindeautonomie werden dabei umgangen. Die Zielsetzung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die frühkindliche sowie ausserschulische Bildung und Förderung, die als Leuchtturm im Zentrum stehen sollte, wird meilenweit verfehlt.