In drei Wochen stimmt die Liechtensteiner Bevölkerung zum achten und letzten Mal in diesem Jahr über eine Vorlage ab. Es handelt sich um einen Urnengang von beträchtlicher Tragweite für die Versicherten der Personalvorsorge des Staates. Regierungschef Daniel Risch führt aus, warum es ihm ein Anliegen ist, die Pensionskasse nun «zu reparieren», statt sie in einigen Jahren für deutlich mehr Geld zu sanieren.
Interview: Heribert Beck
Herr Regierungschef, Sie haben immer wieder betont, dass die Stiftung Personalvorsorge Liechtenstein nicht sanierungsbedürftig ist. Dennoch hat die Regierung beim Landtag rund 60 Millionen Franken für die staatliche Pensionskasse beantragt. Je nach Lesart geht es sogar um 135 Millionen Franken. Warum braucht es so viel Geld, wenn kein Sanierungsbedarf vorhanden ist?
Regierungschef Daniel Risch: Mit dem vorliegenden Paket werden Versäumnisse der Vergangenheit beseitigt. Dafür sind auch finanzielle Mittel nötig. Diese werden eingesetzt, um eine Sanierung zu verhindern. Somit handelt es sich nicht um einen Sanierungsfall, sondern um die Verhinderung eines solchen.
Welche Versäumnisse der Vergangenheit meinen Sie?
Die staatliche Pensionsversicherung war 2014, als zum ersten Mal über grössere Unterstützungsbeiträge aus Steuergeldern abgestimmt wurde, ein Sanierungsfall. Die Ablehnung der damaligen Initiativen durch die Stimmberechtigten ermöglichte mit der Schaffung der Stiftung Personalvorsorge Liechtenstein, kurz SPL, einen Neustart. Die der SPL zugrunde gelegten Parameter waren jedoch unzureichend und die Erwartungen letztlich zu optimistisch. Es folgten Jahre mit niedrigen, teils negativen Zinsen. So konnte sich die Pensionskasse nicht in dem Mass erholen, wie es 2014 geplant war. Folglich ist der Deckungsgrad der SPL aktuell immer noch niedriger als bei vergleichbaren Pensionskassen, und die jungen Versicherten müssen mit ihren Beiträgen die Renten der bereits Pensionierten querfinanzieren. Das sind klare Anzeichen dafür, dass die SPL zu einem Sanierungsfall werden könnte, wenn wir jetzt keine Massnahmen ergreifen.
Die letzten Monate waren für viele Anleger sehr positiv, auch der Deckungsgrad der SPL hat sich deutlich verbessert. Sollte man nicht besser zuwarten, ob sich das Problem von selbst löst?
Bei den vorliegenden Problemen handelt es sich um strukturelle Konstruktionsfehler. Diese lösen sich nicht von selbst, sondern wirken sich in guten Zeiten weniger stark aus. Die Vergangenheit hat zudem gezeigt, dass bei frühzeitiger Behebung von Problemen geringere Kosten entstehen. Aktuell ist es daher, bildlich gesprochen, lediglich eine Reparatur von bereits sichtbaren Problemen. Mir ist es ein grosses Anliegen, die aufgezeigten Probleme jetzt zu lösen und nicht einfach an die nächste Regierung weiterzugeben.
Den Massnahmen, die Sie ergreifen möchten, hat der Landtag seinen Segen mit der grossen Mehrheit von 22 Stimmen erteilt. Fassen Sie bitte kurz zusammen, wie das Paket aussieht.
Für die Rentnerinnen und Rentner, die vor Juli 2014 nach dem Leistungsprimat pensioniert worden sind, soll ein geschlossenes Vorsorgewerk geschaffen werden, sodass die jüngeren Versicherten nicht mehr querfinanzieren müssen. Dies bedingt das Einschiessen von 23,5 Millionen Franken, davon 18 Millionen durch den Staat und 5,5 durch die angeschlossenen Unternehmen. Für die Ausfinanzierung der Renten der aktiv versicherten Mitarbeitenden sind weitere 46,7 Millionen Franken vorgesehen – gut 40 auf Seiten des Landes und 6,6 bei den staatsnahen Unternehmen. Ausserdem soll das 2014 gewährte, zinslose Darlehen in Höhe von 93,5 Millionen Franken in Eigenkapital umgewandelt werden. Mit diesen Massnahmen kann der Deckungsgrad der SPL nachhaltig erhöht werden. Zudem wird die in den letzten zehn Jahren erfolgt Umverteilung zukünftig minimiert und teilweise ausgeglichen.
Was muss man sich unter dieser Umverteilung vorstellen?
Bei der SPL wurden seit 2014 Mittel in Höhe von über 100 Millionen Franken umverteilt. Dies bedeutet, dass Leistungen der aktuellen Rentner aus den Mitteln der Versicherten finanziert wurden, da die Mittel der Rentenbeziehenden für die damals zugesprochenen Leistungen nicht ausreichend sind. In geringem Umfang kann es solche unerwünschten Umverteilungen ab und zu geben, in der SPL ist die Dimension aber zu gross, um sie zu ignorieren. Denn die 100 umverteilten Millionen fehlen jetzt schon für die Renten der heute arbeitstätigen Versicherten.
Wären Rentenkürzungen eine Lösung?
Kürzungen wurden vorgenommen. Dies geht aber nur in kleinen Schritten. Der für die Rentenhöhe mitentscheidende Faktor ist der Umwandlungssatz. Und dieser ist bei der SPL mit Abstand der tiefste aller Pensionskassen in Liechtenstein. Zudem haben die Versicherten und Arbeitgeber in den letzten zehn Jahren Solidaritäts- und Sicherungsbeiträge im Umfang von rund 55 Millionen Franken geleistet. Nun soll dies teilweise ausgeglichen und das Risiko künftiger Umverteilungen durch die geschlossene Rentnerkasse minimiert werden. Wer somit von einer Luxuskasse spricht, verkennt die Realität.
Gerade die Umwandlung des Darlehens – manche sprechen von einer Schenkung – sorgt für Unmut, und sie dürfte die Hauptmotivation für das Zustandekommen des Referendums gegen die geplante Sanierung gewesen sein. Was entgegnen Sie?
Im Rahmen der Diskussionen zum Sanierungspaket im Jahr 2014 wurde ins Feld geführt, dass die vorgesehene Lösung auf zu pessimistischen Annahmen beruhe und die Ausfinanzierung zu hoch ausfalle. Daher wurde mit dem Darlehen ein Kompromiss gesucht, der darin bestand, dass die Gelder in einem sehr positiven Fall zurück an den Staat fliessen. Es hat sich in den vergangenen Jahren aber gezeigt, dass das Darlehen wesentliche Konstruktionsfehler enthält. In dem Moment, in dem die SPL einigermassen stabil dastehen würde und einen Deckungsgrad von 105 Prozent ausweist, müsste sie 25 Prozent des Darlehens zurückzahlen. Damit würde der Deckungsgrad sofort sinken und die Pensionskasse damit wieder an Stabilität, Risiko- und Sanierungsfähigkeit einbüssen. Somit befindet sich die SPL in einem Teufelskreis und kann die nötigen Wertschwankungsreserven nicht aufbauen, solange das Darlehen besteht. Es hat sich inzwischen aber gezeigt, dass die Einschätzung der damaligen Regierung nicht zu pessimistisch war, weshalb die Summe in den vergangenen Jahren bereits wertberichtigt wurde. Konsequenterweise soll das Darlehen nun in Eigenkapital umgewandelt werden.
Bei Radio L wurde immer wieder bemängelt, dass der Sender stets neue Nachtragskredite und regelmässig höhere Staatsbeiträge benötigt hat. Sind Sie sich sicher, dass dies – ein Ja der Stimmberechtigten vorausgesetzt – die letzte Sanierung der SPL ist?
Mit den vorliegenden Massnahmen wird die SPL ähnlich wie die privaten Vorsorgeeinrichtungen in Liechtenstein aufgestellt, womit in Zukunft keine weiteren ausserordentlichen Finanzierungen mehr notwendig sein sollten.
Was entgegnen Sie denjenigen, die der Ansicht sind, dass die staatlichen Vorsorgeleistungen im Vergleich zur Privatwirtschaft zu hoch ausfallen, dass Staatsangestellte mit Steuergeldern bevorzugt behandelt werden?
Wie bereits erwähnt, ist der Umwandlungssatz der SPL, der neben dem Sparkapital wesentlich für die Höhe der effektiven Rente ist, im Vergleich zu anderen Vorsorgeeinrichtungen mit 4,5 Prozent – beschlossen für das Jahr 2028 – sehr niedrig. Somit sind die relativen Renten deutlich niedriger als bei anderen Einrichtungen in Liechtenstein. Allerdings ist das Alterskapital im Vergleich zu manchen anderen Branchen höher, da die von den Versicherten und den Arbeitgebern einbezahlten Beiträge höher ausfallen. Das liegt daran, dass das Land als Arbeitgeber Menschen aus allen Ausbildungsbereichen beschäftigt. Um auf dem Arbeitsmarkt in all diesen Segmenten attraktiv zu sein, muss das Land einen Mittelweg wählen, der aus höheren Sparbeiträgen und einem niedrigeren Umwandlungssatz besteht. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die SPL zusätzlich zur Landesverwaltung die Arbeitnehmenden von 23 Anschlüssen wie beispielsweise den LKW, der AHV-IV-FAK, des Landesspitals, der Post et cetera versichert.
Dass Sie hinter dem Massnahmenpaket stehen, ist klar. Doch wie lautet ihr Appell an die Stimmberechtigten?
Die SPL ist zuständig für über 4600 Versicherte und Pensionierte – von der Lehrerin zur Pflegefachkraft im Spital, vom Richter bis zur Buschauffeurin und von der Polizistin bis zum Elektriker. Es handelt sich dabei um Menschen, die sich im Auftrag des Landes viele Jahre lang für uns eingesetzt haben und sich im Fall der Aktivversicherten jetzt noch jeden Tag für Liechtenstein und die Menschen im Land einsetzen. Sie sind die direkt Betroffenen dieser Abstimmung. Um diese Menschen und ihre sichere Pension geht es. Da sich die – derzeit noch überschaubaren – Probleme der SPL nicht von selbst lösen, verhindert ein Nein eine nachhaltige und jetzt noch gut finanzierbare Lösung. Wir sollten also keine Zahl in den Mittelpunkt der Abstimmungsentscheidung stellen, sondern die Menschen und das Interesse an einer nachhaltigen Lösung für einen funktionierenden Staatsapparat, von dem jeder und jede in Liechtenstein auch in Zukunft profitieren kann.