lie:zeit online

Vor 60 Jahren: OLMA St. Gallen mit Gastland Liechtenstein

Fürst Franz Josef II. und Fürstin Gina beim Festumzug der OLMA 1964 in St. Gallen. Fotograf / Künstler: Foto u. Verlag Gross, Hans / St. Gallen; Quelle: Liechtensteinisches Landesarchiv / Vaduz

Trotz Industrialisierung und Aufbau des Finanzplatzes verfügte Liechtenstein in den 1960er-Jahren noch über einen starken Zweig Landwirtschaft. An der OLMA 1964, der landwirtschaftlich geprägten Messe in St. Gallen, konnte Liechtenstein seine Landwirtschaft präsentieren. Neben der Liechtenstein-Sonderschau gab es auch einen speziellen Liechtenstein-Tag an der OLMA.

Text: Günther Meier

Für das Nachbarland Liechtenstein machte die OLMA-Direktion mächtig Werbung. Mit zwei Sonderschauen mache das Fürstentum die OLMA 1964 besonders attraktiv für die Besucherinnen und Besucher. Im Mittelpunkt stehe die tägliche Viehschau, wofür 60 Stück Vieh nach St. Gallen transportiert würden: «Der Liechtensteiner ist als guter Züchter bekannt. Sein Braunvieh besitzt einen guten Namen, nicht zuletzt dank der vorzüglichen Alpgelegenheiten, die er seinen Tieren einräumen kann.» Wer sich weniger auf das Vieh und die tägliche Schau in der Arena konzentriere, könne das Nachbarland in der zweiten Sonderschau «Land- und Forstwirtschaft» näher kennenlernen: «Nach dem einzig schönen fruchtbaren Sommer darf man sich auf besonders exquisite Früchte und einen reichen Ackersegen gefasst machen. […] Das relativ waldreiche Fürstentum wird uns auch mit seiner Forstwirtschaft bekannt machen, so dass uns recht lebendige Einblicke in den Liechtensteiner Wald und seine Nutzung geboten werden.» Die Vorfreude auf die OLMA war damit geschürt, und die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner enttäuschten die Nachbarn nicht.

Tägliche Vieh-Vorführungen im Ring
Es war nicht das erste Mal, dass Liechtenstein an der OLMA als Gastland vertreten war. Schon 1952 hatte eine Liechtenstein-Sonderschau stattgefunden. Manche Besucher erinnerten sich noch an die Präsentation der landwirtschaftlichen Produkte, ebenso an die Tierschau, bei der Rinder, Pferde, Schafe, Ziegen und Schweine aus allen liechtensteinischen Gemeinden besichtigt werden konnten. Reizvoll war besonders der Vergleich, wie sich die Landwirtschaft auch in Liechtenstein in diesem Dutzend Jahren verändert hatte. Dass die OLMA-Leitung Liechtenstein wieder als Gastland eingeladen hatte, hing nicht zuletzt mit dem Umstand zusammen, dass das Land schon kurz nach der erstmaligen Durchführung der Ausstellung im Jahr 1946 der OLMA-Organisation beigetreten war. Zur Durchführung der Ausstellung wurde eine Genossenschaft gegründet, in die Liechtenstein als Mitglied aufgenommen worden war.

Anhang von Zahlen über die erwerbstätige Bevölkerung und die Zahl der Tierhalter konnte man sich damals ein Bild über die Veränderungen in der Landwirtschaft machen. Im Jahr 1950 waren in Liechtenstein 6018 Personen erwerbstätig, davon 21,8 Prozent in der Landwirtschaft, aber bereits 35,5 Prozent in der Industrie und im Gewerbe. Bis 1960 hatte sich die Zahl der Erwerbstätigen auf 7575 Personen erhöht, die Zahl der Bauern aber war in der Zwischenzeit von 1315 auf 962 geschrumpft. Die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft nahm in diesem Zeitraum also ab, der Rindviehbestand jedoch änderte sich nur unwesentlich: Das bedeutete, dass weniger Bauern die gleiche Zahl von Kühen und Rindern im Stall hatten, womit die Zahl des Viehs pro Bauernhof merklich angestiegen war. Gleichzeitig vergrösserte sich die Bewirtschaftungsfläche pro Bauernbetrieb: Lag die durchschnittliche Betriebsgrösse im OLMA-Jahr 1964 bei rund 8 Hektar, hatten die Betriebe bei der ersten Teilnahme erst etwa eine Bewirtschaftungsfläche von 4 Hektar.

Die Veränderungen der Landwirtschaft wurden an der Ausstellung auf eindrückliche Art gezeigt. Im Mittelpunkt stand natürlich das Vieh, das täglich in der Arena in einer Schau präsentiert wurde. Die Zuchterfolge der liechtensteinischen Landwirte wurden entsprechend vom Fachpersonal gewürdigt und von den interessierten Besuchern mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Aber auch die Produkte des Ackerbaus: «Die Früchte unserer Scholle», wie es etwas pathetisch hiess, wurden in einer sehr ansprechenden Form präsentiert, vom Mais angefangen bis zu den Trauben, deren edle Tropfen degustiert werden konnten.

Liechtenstein im Mittelpunkt der OLMA-Eröffnung
An der Eröffnung der OLMA 1964 lag das besondere Augenmerk auf dem Gastland Liechtenstein. Eine Zeitung schrieb über die Eröffnungsfeier, Liechtenstein stellte eine «bemerkenswerte Zuchtviehschau» vor. Eine weitere Sonderschau sei einem Querschnitt durch die Land- und Forstwirtschaft gewidmet: «Damit verbunden wird eine Produkteschau, die den Reichtum des Fürstentums an Qualitätsobst, Gemüse, Ackerfrüchten und Reben aufzeigt und in ihrer herrlichen Aufmachung das Auge jedes Messebesuchers erfreut.» Auf Beachtung stiess auch die Gastronomie – «eine kleine Gaststätte, nach Liechtensteiner Art geführt». Wer einen guten Tropfen suche, kehre dort ein und geniesse «die herrlichen Buketts der fürstlichen Weine».

Die Eröffnungs- und Festansprache hielt Bundesrat Hans Schaffner, der als Leitbild der Landwirtschaftspolitik den bäuerlichen Familienbetrieb in den Mittelpunkt rückte. Auch in der Landwirtschaft zeigten sich Veränderungen, sagte Schaffner, die zu einer Konzentration der Landwirtschaftsbetriebe führten. Im Zentrum aber stehe nicht die Anzahl oder die Fläche der Betriebe, sondern der Mensch, der Bauer und die Glieder seiner Familie, die gemeinsam den Boden bebauten und damit ihr Auskommen finden müssten. Der Bundesrat plädierte für leistungsfähige Familienbetriebe, die er als moderne Betriebsform bezeichnete. Mit Blick in die Zukunft meinte Schaffner, noch seien längst nicht alle Quellen der Rationalisierung ausgeschöpft, womit er an den Unternehmergeist der Bauern appellierte.

«Liechtenstein-Tag» mit Fürst Franz Josef II. und Fürstin Gina
Im Rahmen der OLMA 1964 wurde ein spezieller Liechtenstein-Tag organisiert. Um möglichst viele Besucherinnen und Besucher aus Liechtenstein und dem Rheintal nach St. Gallen zu bringen, stellte die SBB einige Sonderzüge zur Verfügung. Petrus war dem Liechtenstein-Tag allerdings nicht wohlgesonnen, denn immer wieder regnete es – nur beim festlichen Umzug durch die Stadt gab es kurze trockene Phasen. Die St. Galler kamen in Scharen, säumten die Strassen der Innenstadt und applaudierten den einzelnen Umzugsgruppen. Im Mittelpunkt des Interesses standen natürlich Fürst Franz Josef II. und Fürstin Gina, denn ein adeliges Herrscherpaar bekamen die republikanischen Eidgenossen nicht oft zu bestaunen. Etwas im royalen Schatten standen die Mitglieder der Regierung und des Landtags, aber auch die Schweizer Landes- und Kantonspolitiker.

Liechtensteins Regierungschef Gerard Batliner bezeichnete die OLMA in einer Ansprache als «Symbol in zweifacher Hinsicht». Einmal dafür, dass der Mensch immer noch in allererster Linie das Brot brauche, das die Landwirtschaft zur Verfügung stelle. Zum anderen als Symbol für die enge, freundnachbarliche Verbundenheit Liechtensteins mit den ostschweizerischen Kantonen. Konkret erwähnte Batliner die Brücken über den Rhein, die schweizerische Mitwirkung am Abendtechnikum Vaduz und die liechtensteinische Beteiligung am Neu-Technikum Buchs.

Eine Landwirtschaftsschau, keine Leistungsschau der Wirtschaft
Mit dem Auftritt Liechtensteins als Gastland waren eigentlich alle zufrieden, die OLMA-Organisation mit der Einladung des Nachbarlandes, die liechtensteinischen Bauern mit der Präsentation des Viehs und der Feldfrüchte, die Besucherinnen und Besucher der Liechtenstein-Sonderschau und die Stadt St. Gallen mit dem Auftritt Liechtensteins am Tag des Gastlandes. Und doch rumorte es im Hintergrund, denn als die Einladung aus St. Gallen eingetroffen war, wollte sich Liechtenstein zuerst als Landwirtschafts- und Wirtschaftsstandort vorstellen – und natürlich von der besten Seite zeigen. Als es um die Detailplanung ging, insbesondere aber um das Geld, war die Einigkeit unter den Wirtschaftsverbänden nicht mehr vorhanden. Die OLMA wollte dem Gastland eine ganze Halle zur Verfügung stellen, in der 20 Stände für einzelne Ausstellungen von Gewerbe und Industrie geplant waren. Wie das «Liechtensteiner Volksblatt» damals in Erfahrung bringen konnte, erklärte sich die Industrie mit der Aufteilung der Kosten einverstanden, doch das Gewerbe wollte nur einen Teil der Kosten übernehmen. Den Rest sollten sich Industrie und Staat aufteilen, was beide aber dankend ablehnten, die Landwirtschaft blieb damit allein als Ausstellerin. Die Besucherinnen und Besucher hätten zwar eine schöne Landwirtschaftsschau erlebt, kritisierte das Volksblatt, «aber niemals eine Liechtenstein-Sonderschau». Weil die Landwirtschaft die Vieh- und Ackerschau noch um Forstwirtschaft und Briefmarken erweitert habe, bemerkte das «Volksblatt» aber anerkennend, habe man sich nicht blamieren müssen – obwohl der vorgesehene Ausstellungsraum nach der Absage von Industrie und Gewerbe um die Hälfte reduziert werden musste.

Die mobile Version verlassen