Die Liechtenstein School of Architecture (LSA) hat sich neu aufgestellt und richtet ihre Angebote an den Prinzipien der Nachhaltigkeit aus. Daniel Stockhammer, Dekan der School of Architecture, erläutert im Interview die Hintergründe.
Interview: Johannes Kaiser
In der Vergangenheit dominierten weniger akademische Themen die Berichterstattung über die Universität, sondern eher solche wie zum Beispiel Transformationsprozesse. Wie seid ihr damit umgegangen, wo steht ihr heute?
Daniel Stockhammer: Die Weiterentwicklung der Universität betraf natürlich auch uns in der Architekturschule. Im Wesentlichen ging es für uns darum, dass auch unsere Fachrichtung eine Organisationsstruktur erhält, die es ihr ermöglicht, sich als universitäre Organisation weiterzuentwickeln und weiter zu professionalisieren. Eine Universität ist weit mehr als nur eine Ausbildungsstätte. Sie unterscheidet sich von Fachhochschulen – woher wir ja kommen – im Wesentlichen durch eine forschungsgeleitete Lehre. Das heisst: Zu strategischen Themen, die für das Land wichtig sind, bilden wir Kompetenzzentren, in denen auf Augenhöhe mit anderen Universitäten geforscht wird. Aus dieser Expertise heraus lehren wir zusammen mit unseren Kolleg:innen aus der Praxis und bilden angehende Architektinnen und Planer aus.
Welche Auswirkung hat dies auf die Ausbildungsqualität an der Schule?
Die Qualität der Ausbildung und das Qualifikationsprofil haben uns – neben der organisatorischen Weiterentwicklung – in den vergangenen Jahren am meisten beschäftigt. Die Architekturschule hatte 2018 einen neuartigen, sehr ambitionierten Lehrplan eingeführt. Dabei wurde die Grundlagenvermittlung zurückgefahren, um der individuellen Projektarbeit mehr Raum zu geben. Wir mussten feststellen, dass dies zu wenige der gewünschten Effekte mit sich brachte. Nach einer intensiven Revisionsphase starten wir nun mit einem Curriculum, das im Bachelorstudium die Grundlagenvermittlung ins Zentrum setzt und ein Berufspraktikum zur Pflicht macht. Die Lehrinhalte werden wieder in Prüfungswochen abgefragt, und erst ab dem Masterstudium wird die breite Wahlmöglichkeit und individuelle Ausrichtung des Studiums möglich. Unserer Kernaufgabe, die Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften für das Land und die Region, nehmen wir sehr ernst. Dass die Ausbildungsqualität bei uns hoch ist, hat die eben erst durchgeführte, internationale Reakkreditierung durch die RIBA (Royal Institute of British Architects) bestätigt. Das tolle Zeugnis hat uns sehr gefreut. Als Architekturschule einer Universität mit starkem Praxisbezug haben wir ein sehr spezielles, liechtensteinisches Modell, worauf wir stolz sind. Dass wir dieses noch besser bekannt und die hohe Ausbildungsqualität der Liechtenstein School of Architecture in den Studiengängen Bachelor, Master und Doktorat sichtbarer machen müssen, ist explizit eine Aufforderung des Akkreditierungskomitees.
Mit welchen inhaltlichen Themen beschäftigt ihr euch, wo liegen eure Kompetenzen?
Wir haben das grosse Glück, dass Liechtenstein sich für eine Universität entschieden und der Institution damit explizit einen Forschungsauftrag erteilt hat. Denn so wurde eine Ausbildungsstätte für Architekturschaffende erweitert zum Forschungs- und Kompetenzzentrum für Fragen zur Raumentwicklung und zum nachhaltigen Bauen. Nachhaltigkeit haben wir uns zum übergeordneten Ziel gesetzt. Sie soll nun in jedem Fach mitgedacht und vermittelt werden. Natürlich gilt es beispielsweise weiterhin
einen soliden Geschichtsunterricht für Architektinnen und Architekten anzubieten. Wir fragen uns aber neu, was wir aus der Geschichte lernen können, um unsere gebaute Umwelt heute zu verbessern und nachhaltiger zu gestalten. Neben der strategischen Ausrichtung der Schule forschen wir in interdisziplinären Teams zu fünf spezifischen Themen.
Auf was fokussieren die einzelnen Fachgruppen?In der Fachgruppe «Urbanismus, Architektur & Gesellschaft» geht es uns um die Verbindungen zwischen Menschen und Raum und wie dieses Wissen Instrumente zur Bewältigung dringender gesellschaftlicher Herausforderungen liefern kann. Die Fachgruppe «Städtebau & Raumentwicklung» untersucht, wie emissionsarme, an den Klimawandel angepasste, biodiverse und integrative Stadtlandschaften sowie widerstandsfähige Siedlungsstrukturen geschaffen werden können. Mit der Gruppe «Nachhaltiges Bauen» leisten wir Pionierarbeit für eine nachhaltige Zukunft, indem fortschrittliche grüne Technologien und ganzheitliche Ansätze angewendet und architektonische Praktiken mit den planetaren Grenzen der Erde in Einklang gebracht werden, um die globale und lokale Lebensqualität zu verbessern. Im Team «Bauerbe & Upcycling» untersuchen wir die materiellen und immateriellen Ressourcen der gebauten Umwelt und entwickeln Strategien für ihre Erhaltung, Wiederverwendung und Überführung in die Kreislaufwirtschaft. Und – last but not least – beschäftigt sich das Team «Handwerk & Struktur» mit dem Zusammenhang von lokalem Material, Konstruktion und Struktur im Hinblick auf eine nachhaltig gebaute und tektonisch gefügte Architektur.
Wie bringt ihr dieses Wissen in die Praxis?
Neben der Bildung und Ausbildung von Fachkräften gibt es eine Vielzahl von sogenannten Transferprojekten. Das heisst, wir erarbeiten im Auftrag Lösungen im Rahmen unserer Kompetenzbereiche. Die Einnahmen aus solchen Projekten sind wichtig für die Finanzierung von Schule und Universität.
Zum Beispiel ist Liechtenstein durch die Architekturschule jeweils an der Biennale in Venedig, der wichtigsten internationalen Architekturausstellung, vertreten. Diese Transferleistung wird durch das Ministerium für Gesellschaft und Kultur, die Kulturstiftung und uns finanziert und ist nicht nur für uns eine Möglichkeit zur Förderung unserer Sichtbarkeit in der globalen Architekturgemeinschaft, um die uns viele Schulen beneiden, sondern auch eine Netzwerkplattform für Politiker, Kunst- und Architekturschaffende. Ein anderes Projekt aus dem Bereich Raumentwicklung wiederum hat die Schweizer Gemeinde Lichtensteig im Toggenburg bei Initiativen unterstützt, die letztes Jahr mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet wurde. Wiederum andere Projekte mit Studierenden nehmen das Handwerk und die Konstruktion zur Aufgabe. Der Schaaner Turm auf Dux beispielsweise geht auf ein Transferprojekt mit der Universität zurück. Wichtig zu erwähnen sind auch die Pro-bono-Projekte. Dabei suchen unsere Studierenden selbstständig nach einer Aufgabe, deren Lösung der Gesellschaft zugutekommt. Mit der Expertise unserer angehenden Architektinnen und Architekten kamen schon dutzende Lösungen zur Umsetzung: vom mobilen Ausstellungspavillon für den Alpenverein über eine Grill- oder Spielplatzgestaltung bis zu einer zeitgenössischen CAD-Bibliothek für Architektinnen und Planer.
Wir haben uns ambitionierte Ziele gesteckt und haben viel Engagement aufgebracht, um diese neben dem laufenden Universitätsbetrieb zu erreichen. Wir haben die Schule organisatorisch weiterentwickelt, die Lehrpläne den aktuellen Anforderungen angepasst und eine hervorragende Bewertung einer der angesehensten Akkreditierungsbehörden für Architekturschulen bekommen. Es gilt, diese Anpassungen nun zu konsolidieren und uns auf die Kernaufgaben Forschung, Lehre und Transfer zu konzentrieren. Dazu sind wir an der School of Architecture, das kann unser Team sehr gut. Wir freuen uns darauf, wieder mehr Zeit für die akademischen Aufgaben und unsere Studierenden zu haben.
Universität Liechtenstein
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