Einst war das 1837 erbaute Hagen-Haus in Nendeln eines der repräsentativsten Bauwerke in Liechtenstein. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fiel es in einen «Dornröschenschlaf», wie Marcus Büchel es formuliert. Er hat es sich mit weiteren interessierten Personen, die sich für den Erhalt des Hagen-Hauses engagierten, zum Ziel gesetzt, das Haus wieder aus diesem Schlaf zu erwecken. Heute erstrahlt es wieder in seinem alten Glanz und bildet mit seinen Nebengebäuden ein stimmiges Ensemble.
Text: Heribert Beck, Fotos: Klaus Schädler
Im Herbst 2013, kurz nach seiner Pensionierung als Leiter des Amts für Soziale Dienste, schrieb Marcus Büchel im «60PLUS», dem Magazin des Seniorenbunds, einen Artikel über das Hagen-Haus nördlich der Engelkreuzung in Nendeln. Er verglich es darin mit dem «Alten Haus von Rocky Docky», das im gleichnamigen Lied als «hässlich» und «halb verfallen», aber auch als «voller Wunder» bezeichnet wird. Seither hat das Gebäude Marcus Büchel nicht mehr losgelassen. Zunächst in einem Freundeskreis, später in einem Verein und schliesslich in einer Stiftung setzte er sich für die denkmalgerechte Renovation des seit 1988 unter Schutz stehenden Hauses ein. Zusammen mit seinen Mitstreitern plante er zunächst, das Land oder die Gemeinde Eschen davon zu überzeugen, das Hagen-Haus samt seiner Nebengebäude – Tenn, Wasch- und Schützenhaus – zu übernehmen und einer öffentlichen Nutzung zuzuführen.
Es bestand nun die herausfordernde Aufgabe, über gemeinnützige Stiftungen die finanziellen Mittel zusammenzubringen, um das Hagen-Haus wiederzubeleben. Als die Eigentümerfamilie noch das Entgegenkommen zeigte, den Boden im Baurecht zu vergeben, war der Weg zur Sanierung fast frei. Es fehlte lediglich noch eine sinnvolle Nutzung. «Denn wir wollten die Hofstätte Hagen-Haus nicht nur wiederherstellen, sondern auch beleben», sagt Marcus Büchel, der entsprechend nicht von einer Sanierung, sondern von einer Revitalisierung des Baudenkmals spricht. Einer Idee seiner Gattin ist es zu verdanken, dass die Internationale Musikakademie, die ihren Sitz seit Jahren in Nendeln hat, angefragt wurde. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen führt Büchel aus: «Meiner Frau waren die Celli mit Beinen aufgefallen, die schon fast zum Ortsbild gehörten. Studenten der Musikakademie, die zwischen ihrer Unterkunft und den Schulräumlichkeiten hin und her gingen. Die Vertreter der Musikakademie zeigten sich offen für den Vorschlag, Räumlichkeiten für Studenten und Professoren, Probemöglichkeiten und Konzertsaal an einem Ort zu vereinen und waren nach einer Begehung der Örtlichkeit richtiggehend begeistert von der Idee.» Der ideale Nutzer für die Hofstätte war gefunden.
Der Vorstand des Vereins Pro s’Hagen-Hus bildete die Kerngruppe. Walter Matt und Hans Eggenberger setzten Initialfunken. Ein professionell agierendes, siebenköpfiges Team konnte für den Stiftungsrat gewonnen werden – und daraus resultiert heute ein gelungenes Gemeinschaftsprojekt mit Leuchtturmcharakter.
Architekt mit Erfahrung, Aufgabe mit Herausforderungen
«Es war entscheidend, dass wir mit den Architekten Cukrowicz und Nachbaur aus Bregenz Fachexperten engagieren konnten, denen es in hervorragender Weise gelang, die historischen Gebäude mit einem Naubau harmonisch zu verbinden. Ihnen oblagen die Machbarkeitsstudie, der Entwurf sowie die Ausführungsplanung. Mit der Bauleitung wurde das Büro Alex Wohlwend betraut», sagt Marcus Büchel.
Dann wartete auf die Architekten und die Bauleitung, die Hand in Hand laufen musste, ein komplexer und damit herausfordernder Auftrag. Zu realisieren waren Wohn-, Übungs- und Unterrichtsräume für rund ein Dutzend Musikstudenten sowie für zwei Professoren, Büroräume, Aufenthaltsräume und Küche. «Die anspruchsvollste Herausforderung bestand in der Umwandlung des Tenns in einen Konzertsaal», sagt Büchel. Die Planung sah vor, dass Wohnhaus, Waschhaus und Stallgebäude renoviert werden. Das Wohnhaus würde Wohnhaus bleiben, im Waschhaus würde eine kleine Professorenwohnung Platz finden. Hangseitig wurde ein neues Gebäude, das sogenannte Hofhaus, geplant, das bei Veranstaltungen im Konzertsaal als Foyer, in der übrigen Zeit als Aufenthalts- und Essraum für Studierende wie Professoren dienen und architektonisch zum Ensemble passen sollte. Die historischen Bauten sollten frei bleiben von Nebenräumen, wie die zeitgemässe Nutzung sie erforderlich macht – wie WC für Gäste, Waschküche, Ton- und Filmtechnikraum, Haustechnik und einiges mehr. Diese sollten im neu zu erstellenden Kellergeschoss unter dem Hofhaus untergebracht werden, das wiederum über eine unterirdische Verbindung ans Haupthaus angeschlossen werden sollte.
Ein grossartiges Gesamtergebnis …
Die Architekten von Cukrowicz Nachbaur konnten die gewünschte Aufgabenstellung planerisch zur besten Zufriedenheit des Auftraggebers – also des Stiftungsrats – umsetzen. So erfolgte am 30. Mai 2022 der Spatenstich. Heute, gut zwei Jahre später, präsentiert sich das Hagen-Haus dem Betrachter in etwa so, wie es sich den Zeitgenossen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts präsentiert haben muss: erhaben. Zwischen den Spatenstich und der Gegenwart lagen allerdings auch sehr intensive Bau- und Restaurationsarbeiten – und auch immer wieder Überraschungsmomente, wie dies bei historischen Renovationsprojekten die Realität ist.
«Betritt man das Wohnhaus heute durch das Doppelflügeltor, tritt man in einen grosszügigen, hohen Gang. Gleich links und rechts befinden sich die beiden stets gewerblich genutzten Räume, in denen das Postamt beziehungsweise ein Lebensmittelgeschäft, dann eine Sattlerei und zuletzt eine Schneiderei sowie eine Schusterei untergebracht waren», sagt Marcus Büchel. In diesen beiden Räumen sind inzwischen Büros für die Internationale Musikakademie eingerichtet. In den beiden Obergeschossen befanden sich einst zwei gleichwertige, symmetrisch gegliederte Wohnungen, die vertikal aufgeteilt über das gemeinsame Treppenhaus mit Korridoren erschlossen waren. Die Wohnräume sind ungewöhnlich hoch und geräumig. In zwei Stuben finden sich die beiden noch erhaltenen Kachelöfen, einer davon ein in Liechtenstein seltener, dekorativer klassizistischer Kachelofen von zylindrischer Form, erbaut von der Firma Schädler-Keramik in Nendeln, der sich wohl bereits seit 1837 im Hagen-Haus befindet. Der zweite Kachelofen – ebenfalls von Schädler-Keramik – wurde im 19. Jahrhundert gebaut. Die grösste und erfreulichste Überraschung für Stiftungsräte wie Restauratoren zeigte sich nach Entfernung der Täfer aus dem 20. Jahrhundert. Dahinter offenbarten sich bemalte Wände in bis zu neun Schichten, wobei die älteste sich als die wertigste erwies. Die Wohnräume zeigen mittlerweile nach einer aufwendigen Restaurierung diese älteste Malereischicht, die von Zimmer zu Zimmer variiert. Der neue Zweck dieser Räume ist es, die Studenten der Musikakademie zu beherbergen, die dort leben und üben. Im Dachstock befindet sich mittlerweile eine zweite Professorenwohnung neben jener im Waschhaus. Jene unter dem Dach fungiert gleichzeitig als Sitzungs- und Lehrzimmer.
Eine wesentliche Umnutzung erfahren hat das Stallgebäude. Wo früher Fuhrwerke untergebracht waren und Heu aufgeschichtet wurde, wird bald Musik erklingen. Die historische Balkenkonstruktion wurde mit einem speziellen Verfahren schonend gereinigt und erstrahlt daher wie der stützenfreie Dachstuhl im Wohnhaus in einem harmonischen Gelbton. «Die Fensterpartien wurden neu gestaltet, da sie gemäss den technischen Anforderungen auf das Niveau der erforderlichen Wärme- und Schalldämmung gebracht werden mussten. So wurden neue Fenster nach historischem Vorbild konstruiert. Sechs originale Fenster konnten an der Nordseite eingesetzt werden, da dort der Strassenlärm nicht so gross ist», sagt der Stiftungsratspräsident.
Ganz anders gestaltete sich die Ausgangslage im Tenn, das, wie erwähnt, zum Konzertsaal werden sollte. «Das Tenn hatte natürlich keine Fester. Zwischen den Pfeilern aus Mauerwerk waren Holzschirme, also Bretter, eingebaut. Bei der Revitalisierung wurden sie durch Glasscheiben ersetzt», sagt Marcus Büchel. Inzwischen sind schallisolierende Hightech-Fenster eingebaut, welche die hohen Anforderungen eines Konzertsaals für rund 120 Zuhörer erfüllen. Innen und aussen sind Holzlamellen vor die Fenster montiert, wodurch ein je nach Sonnenstand wechselndes Streifenmuster entsteht.
… und ein zufriedener Stiftungsratspräsident
Das Fazit von Marcus Büchel zum Ergebnis der über zwei Jahre dauernden Bau- und Restaurationsarbeiten fällt mehr als nur zufrieden aus. «Allgemein hat mich beeindruckt, dass die Innenausbauten seit 1837 kaum Veränderungen erfahren haben. Die Türblätter sowie die Sprossenfenster sind weitestgehend erhalten geblieben. Man findet viele schöne Details: barocke Türbänder und solche in Biedermeierart. Die restauratorischen Herausforderungen waren – wenig verwunderlich – im Wohnhaus am grössten: Neben den Malereien an den Wänden und Decken bezogen sie sich vor allem auf die Riemenböden, Öfen, Türen und Fenster. Die Treppe wurde vollständig ausgebaut, in der Werkstatt von Sigi Korner restauriert und wieder eingesetzt», sagt Büchel. Die Neunutzung erlaube es, dass das Hauptgebäude praktisch unverändert das bleiben kann, was es war. Die beiden Gewerberäume im Erdgeschoss dienen der Akademie als Büros, die Wohnräume befinden sich im zweiten und dritten Obergeschoss. Tenn und Waschhaus hingegen erhielten vollkommen neue Funktionen.
«Man könnte nun meinen, dass infolge einer derartig fundamentalen Umnutzung des
gesamten Ensembles kein Stein auf dem anderen geblieben ist. In Tat und Wahrheit sind aber das gesamte Mauerwerk und der Dachstuhl völlig intakt erhalten geblieben. Das war möglich, weil sich die Statik – entgegen dem Eindruck, den viele sich vom Hagen-Haus gebildet hatten – als tragfähig erwiesen hatte. Sogar die alten Dachziegel wurden wieder an Ort und Stelle verlegt. Auch die ursprünglichen Putze aus der Bauzeit wurden im Hausinnern erhalten, sofern sie mit dem Mauerwerk noch fest verbunden waren. Der Aussenputz musste vollständig erneuert werden. Grundsätzlich wurden spätere Eingriffe, vor allem aus dem 20. Jahrhundert, entfernt beziehungsweise rückgebaut und, wo möglich, wurde wieder der ursprüngliche Zustand hergestellt», sagt Marcus Büchel. Erhalten geblieben ist, wie erwähnt, auch das originale Holzwerk. Die vorhandenen Biedermeiertüren mit ihren Originalbeschlägen wurden ebenfalls restauriert, später eingebaute Türen durch rekonstruierte ersetzt. Die historischen Fenster mussten aus Isolations- und vor allem Schallschutzgründen durch Rekonstruktionen ersetzt werden, die präzise nach dem Muster der vorhandenen Biedermeierfenster gefertigt wurden.
Eine zusätzliche Herausforderung für den Architekten und die beteiligten Unternehmer wie Handwerker war es, die Leitungen für den Strom, die weitere Studiotechnik, für Wasser – darunter Regenwasser vom Dach, das gesammelt, und gefiltert als Brauchwasser genutzt wird – sowie für die Erdwärmeheizung und die hochwertige Lüftung zu verlegen. Auch dies ist gelungen, ohne das historische Mauerwerk zu beeinträchtigen. Ein weiteres optisches Element bildet schliesslich die Gartenanlage vom Kräutergarten südlich des Gebäudes über den künftigen Wingert bis hin zum Obstgarten, der den nördlichen Abschluss der Liegenschaft bildet. Insgesamt sind es 3700 Quadratmeter Umschwung. «Obwohl es eine Erschwernis bei den Bauarbeiten war, wurde der alte Baumbestand erhalten», sagt Marcus Büchel und ergänzt zufrieden: «Das Gesamtergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Es ist ein stimmiges Ensemble mit vielen historischen wie architektonischen Höhepunkten entstanden. Möglich war das nur durch grosszügige Unterstützer, fähige und überaus kreative Planer und Handwerker sowie eine vorbildliche Zusammenarbeit.»
Das Hagenhaus im Zeitraffer
Die 1830er-Jahre waren nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht eine schwierige Zeit für Liechtenstein. Gleich zu Anfang des Jahrzehnts drohten im Zuge der europäischen Revolution auch in Liechtenstein Unruhen. Einer der Anführer – oder aus Sicht der Regierung einer der Aufrührer – des Volkes war Franz Josef Schlegel aus Triesenberg. Gewalttätigkeiten konnten schliesslich verhindert werden und Schlegel, zeitweilig Vorsteher seiner Heimatgemeinde, konnte sich Vermögen wie Einfluss erhalten.
Das könnte am Geschäftssinn des «Schlegel Sepp», wie er im Volksmund hiess, gelegen haben. An einem Geschäftssinn, den er seinem Sohn Alois offenbar vererbt hat. Dieser jedenfalls hatte 1837 den Mut und auch die Mittel, zusammen mit einem gewissen Dominick Öhri aus dem Unterland, über den kaum mehr als sein Name bekannt ist, ein repräsentatives Haus an der alten Reichsstrasse von Bregenz nach Chur zu bauen: das damalige Schlegel-Haus. Baumeister war Joseph Anton Seger aus Vaduz, der in Nendeln und andernorts im Land mehrere Gebäude im klassizistischen Stil errichtet hat.
Wie aus einem Schulbuch der Geometrie
Zur Beschreibung des Wohnhauses seien die Worte von Marcus Büchel gekürzt wiedergegeben, der es in seinem Beitrag «Die Revitalisierung der Hofstätte Hagenhaus in Nendeln» folgendermassen formuliert hat: «Wohlproportioniert in seiner eindrucksvollen Grösse erscheint der längsrechteckige Baukubus des Wohnhauses. Die repräsentative Strassenseite fällt durch die konsequente symmetrische Gliederung auf. Die Fensterreihen der drei Stockwerke sind streng seriell angeordnet. Die zweiflügelige Eingangstüre bildet mit den zwei darüberliegenden hohen Fenstern sowie der Halbkreisöffnung im Dachgeschoss die Spiegelungsachse. Unter dem zeittypischen Quergiebel springen die drei mittleren Fünftel der Fassadenlänge als Risalit etwas aus der Flucht vor; die Fassade erhält dadurch eine Akzentuierung und feinere Gliederung. Ein mächtiges Walmdach überdeckt den Baukörper. Fenster und Türen sind sandsteingefasst, ein Ausdruck des Wohlstands. Auf der dekorativen […] Haustüre aus Eichenholz ruht ein Simsaufsatz, der als Zitat antiker Architekturvorbilder zu lesen ist. Die Beschläge sind im Biedermeierstil gefertigt. Das Portal verheisst dem Besucher, dass er sich anschickt, ein bürgerliches Haus von Bedeutung zu betreten. […] Die Formen, die zur Gestaltung der Fassaden eingesetzt wurden, könnten einem Schulbuch der Geometrie entstammen: Rechtecke, Quadrate, Halbkreise; Anwendung finden ein serielles Ordnungsmuster sowie die konsequente Spiegelung an einer zentralen Achse. Hier wird Mathematik vorgeführt […]. Die Fensteröffnungen erinnern an Stadtbauten, denn sie sind bedeutend höher als bei Bauernhäusern; sie sollen viel Licht ins Gebäudeinnere lassen. Unter dem Quergiebel bringt ein Halbkreis-Radfenster Licht ins Dachgeschoss. Aus dem Grau der Fassade stechen die Fensterläden wie Farbtafeln heraus. […] Die Architektursprache beschränkt sich nicht auf die zur Landstrasse hin orientierte repräsentative Ansicht. Die strassenabgewandte Fassade des Wohnhauses ist gleichfalls in dieser Art durchkomponiert.»
Doch das Schlegel-Haus bestand nicht nur aus dem Wohngebäude. Hinzu kam ein Stall in gebührendem Abstand, während die Ökonomiegebäude bei der bäuerlichen Liechtensteiner Bevölkerung sonst direkt an die Wohnhäuser angebaut waren. Der Abstand verdeutlichte bildlich den Status der Eigentümer: Sie nahmen Abstand von der bäuerlichen Schicht, verstanden sich vielmehr als wohlhabende Bürger. Hinzu kamen auch ein Waschhaus, wie die Ökonomie der Architektursprache des Haupthauses folgende, mit direkt angrenzendem Sodbrunnen und ein Schützenhaus mit Läden, die sich Richtung Wald öffnen liessen. Aus ihm schossen die Schlegels und ihre Gäste auf Scheiben, mitunter wohl auch auf Hirsche, die vom Wald ins Riet wechselten.
Aus Schlegel wird Hagen
Und das Schlegel-Haus war nicht nur Wohnstätte für die namensgebende Familie und Dominick Öhri, sondern auch Geschäfts- und Verwaltungsgebäude. Im Untergeschoss waren zwei Räumlichkeiten für Werkstätten angelegt, deren eine ab 1864 die Nendler Post, die für fast 50 Jahre für das gesamte Unterland zuständig war, beheimatete. Postmeister wurde Alois Schlegel, der sicher auch durchkommende Reisende und Postangestellte bewirtete, seine angesehene Position aber ebenfalls als Startschuss für eine politische Karriere nutzte. Der gebürtige Triesenberger wurde Eschner Vorsteher und Abgeordneter im Landtag. Nach seinem Tod 1887 ging die Hofstatt, die heute als die besterhaltene Liechtensteins aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gilt, an seine Tochter Maria Elisabeth über. Sie war, für Frauen unüblich, ebenfalls als Posthalterin für die Postgeschäfte zuständig und ledige Mutter eine Tochter: Eugenia Schlegel. Diese heiratete 1891 im Alter von 20 Jahren den aus Lustenau stammenden Lehrer Fidel Hagen, wodurch das Haus seinen heutigen Namen erhielt. Der gemeinsame Sohn, Egon Hagen, war der letzte Bewohner. Er starb 1993, hatte aber bereits Jahre vor seinem Tod nicht mehr an der Feldkircher Strasse gewohnt. So kümmerte sich niemand mehr um das Haus, und es verfiel zusehends. Bis Marcus Büchel und seine Mitstreiter die Initiative ergriffen.
Ein Juwel der Musikkultur: Der Peter-Kaiser-Saal
Von der alten Stallscheune zum Klangraum für Flügel und Streichinstrumente: Nendeln verfügt nun über ein herausragendes Juwel für die Musikkultur. Die Umwandlung des Hagen-Hauses neben der stark befahrenen Feldkircher Straße in einen erstklassigen Musiksaal stellte 2019 eine große Herausforderung dar. Heute ist klar: Nendeln verfügt über ein Schmuckstück, das einzigartige Hörerlebnisse auf höchstem Niveau bietet. Die herausragende Akustik des Saals verspricht unvergessliche Klangmomente und inspiriert Musiker und Solisten zu Höchstleistungen.
Text: Dr. Andreas Meier, Acoustic Consultant und Projektleiter, Müller-BBM
Das Geheimnis hinter dem Wohlklang
Viele Aufführungsräume für Flügel sind zu klein. Im Peter-Kaiser-Saal hingegen sind die zentralen Bausteine für die Raumakustik ein großzügiges Raumvolumen von 900 m³ und schallstreuende Raumoberflächen aus Holz, vergleichbar wie Tonhölzer von Streichinstrumenten. Die Lamellen vor den Fenstern brechen die harten, direkten Reflexionen und erzeugen einen feinen, warmen Klang. Die Öffnung des Raums nach oben mit einem Sichtdachstuhl führt zu einer idealen Verteilung des Schalls, sodass die Töne von Flügel und Streichinstrumenten der Musikinstrumente optimal vom Raum getragen werden.
Zu Hause im Wohnzimmer klingt Schall in der Regel mit trockenen 0,5 Sekunden ab, während in Kirchen für Orgelmusik der Nachhall von Musik und Gesang bis zu 5 Sekunden dauern kann. Im neuen Peter-Kaiser-Saal wurden gezielt schallschluckende und drehbare Holzabsorberelemente vor den Fassaden platziert. Raumakustische Messungen mit speziellen kugelförmigen Dodekaeder-Lautsprechern bestätigen, dass die Nachhallzeit Idealwerte bei den warmen Tönen Idealwerte 1,5 Sekunden und bei den hohen Tönen 1,0 Sekunden beträgt, was einen scharfen Klang von Flügelmusik verhindert.
Ruhe für die Musik
Das Hörerlebnis innerhalb des Saals lebt auch von niedrigen Ruhegeräuschen. Den Lärm der stark befahrenen Straße vor dem Saal schirmen 35 cm tiefe Kastenfenster mit außergewöhnlich schweren, schalldämmenden Glasscheiben diesen ab. Das Dach und die seitlichen Giebelwände wurden in Abstimmung mit dem Denkmalschutz weitgehend schalldämmend ausgeführt, da Schallschutz Platz und Gewicht benötigt. Ein wahrer Segen für lärmgeplagte Ohren.
Das Auge hört mit
Cukrowicz Nachbaur Architekten ist ein besonderes Schmuckstück gelungen, das eine Gestaltung und Materialsprache zum Wohlfühlen bietet. Holzoberflächen dominieren, während technische Elemente wie Beleuchtung und Bestuhlung zurückhaltend schwarz gehalten sind. Die Fensterlamellen dienen nicht nur als akustischer, sondern auch als optischer Filter. Akustik und Architektur konnten hier auf harmonische Art und Weise in einem inspirierenden, geschmackvollen Saal vereint werden.