Welches sind die eigentlichen Drei Schwestern?

Wer auf den markanten Bergkamm oberhalb von Schaan blickt, erkennt sofort drei Felsköpfe. Heute weiss jeder: Das sind die Drei Schwestern. Das war nicht immer so. Vor 75 Jahren gab es einen Streit zwischen Liechtenstein und Vorarlberg, welches die eigentlichen Drei Schwestern sind.

Text: Günther Meier

Die Bekanntheit der Drei Schwestern hat verschiedene Ursachen: Für bergfreudige Einheimische gehört es zu den Selbstverständlichkeiten, mindestens einmal im Leben über die Drei Schwestern und den Fürstensteig zu wandern, Liechtenstein Tourismus wirbt bei ausländischen Gästen für einen der schönsten Wanderwege im liechtensteinischen Alpengebiet, vor allem aber stehen die drei Bergköpfe im Mittelpunkt einer Sage.

Die Sage der drei hartherzigen Schwestern
Kanonikus Johann Baptist Büchel erzählt die Geschichte, die Otto Seger in der Sammlung «Sagen aus Liechtenstein» veröffentlicht hat, folgendermassen: «Es waren einmal drei Schwestern, die stiegen am Liebfrauentag zur Alp hinauf, um Beeren zu pflücken. Aus dem Tale läuteten die Feiertagsglocken zur Höhe, und sie sahen die Leute zur Kirche gehen. Einer der Schwestern wurde es bange, aber die anderen lenkten sie von ihren Gedanken ab: ‹Lass sie läuten und singen, wir gehen erst heim, wenn wir die Körbe voll haben.› Die Sonne sank, und froh rüsteten sich die Mädchen zur Heimkehr. Da trat eine schöne Frau vor sie hin und bat um ein paar Früchte für ein armes Kind. ‹Wir haben sie nicht zum Verschenken gesammelt, nicht daran zu denken! Wer Beeren will, soll sie selbst holen›, war die Antwort der Schwestern. Wie im Himmelschein erstrahlte nun die liebe Frau und sprach: ‹Ihr habt meinen Festtag geschändet, ihr habt meine Bitte nicht erhört, euer Herz ist von Stein. Und als Felsen sollt ihr in alle Ewigkeit hier versteinert stehen›. Drei Felsen ragen seither hoch über dem Rheintal zum Himmel, weithin sichtbar, die Drei Schwestern.»

Streit mit Vorarlberg über Bergnamen
Die Bergkette der Drei Schwestern hat eine Vorder- und eine Rückseite. Die drei Köpfe sehen unterschiedlich aus, je nachdem, ob man sie von der liechtensteinischen Talseite oder aus dem Walgau betrachtet. Und dieser Unterschied war Anlass für einen Streit mit Vorarlberg, genauer gesagt mit Vorarlberger Historikern, vor 75 Jahren. Liechtenstein hatte, nachdem in der Vergangenheit unterschiedliche Namen für Bergketten und Berggipfel in Karten eingetragen worden waren, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein eigenes Kartenwerk geschaffen, das die Benennung der Berge verbindlich festlegte. Vorarlberg war damals noch nicht so weit mit der einheitlichen Namensgebung. Im «Feldkircher Anzeiger» erschien 1949 ein Beitrag, der sich kritisch mit der liechtensteinischen Festlegung befasste, welche drei Felsköpfe nun die richtigen Drei Schwestern seien. Was die Vorarlberger bis dahin die Drei Schwestern nannten, seien aus Liechtensteiner Perspektive die Garselli-Türme. Weil damit ein Unterschied zu österreichischen Karten offenbar werde, kritisierte der «Feldkircher Anzeiger», mute es «autoritär» an, wenn die Namensgebung durch «Dienstbefehl» in eine amtliche Karte in Liechtenstein übertragen worden sei.

Im Zentrum der Kritik stand damit Liechtensteins Regierungschef Alexander Frick, der Mitglied der sogenannten Nomenklaturkommission war und das Ergebnis der Kommissionsarbeit in einem Beitrag im Jahrbuch 1947 des Historischen Vereins unter dem Titel «Welches sind die eigentlichen Drei Schwestern?» veröffentlicht hatte. Alexander Frick reagierte mit einer Stellungnahme im «Feldkircher Anzeiger», der die Kritik zurücknahm und stattdessen schrieb, die Argumente Fricks seien so stichhaltig, dass man künftig in Vorarlberg wohl vom üblichen Sprachgebrauch der Bergbenennung abkommen müsse.

Unterschiedliche Namen auf Landkarten
Dass es notwendig war, eine klare und unmissverständliche Benennung der Berge vorzunehmen, war für Alexander Frick ein Gebot der Stunde. Wie er in seiner Studie über die Drei Schwestern schrieb, gab es in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Reihe von Landkarten mit unterschiedlichen Namensgebungen. Ganz besonders war dies der Fall bei den Drei Schwestern. Die «Karte des Fürstentums Liechtenstein», die vom Landesschulrat herausgeben worden war, bezeichnete als Drei Schwestern jene drei Bergzacken am Anfang des Berggrats, während die in früheren Karten als Drei Schwestern eingetragenen drei Zacken nun die Bezeichnung Plankner Türme erhielten. Auch wurde nicht auf allen Karten die einheitliche Schreibung verwendet, sondern es gab Bennungen wie Dreischwesterngruppe, Dreischwesternberg oder Dreischwesternkamm. Sogar liechtensteinische Autoren kamen zu unterschiedlichen Namensgebungen, wie Alexander Frick auflistete. Pfarrer Anton Frommelt nannte im Buch «Die Briefmarken für Liechtenstein» die Bergkette «Dreischwesternzug». Guido Feger schrieb in einer anderen Publikation vom «Drei Schwestern-Massiv». Und David Beck bezeichnete die drei Felsköpfe als «Drei-Schwesternstock» und als «Dreischwesternkopf». Der geologische Punkt 2052, die höchste Erhebung, werde in der Literatur «Weisser Schrofen», «Garselleneck», «Drei Schwestern», «Dreischwesternkopf» und «Dreischwesternberg» genannt, bemängelte Alexander Frick. Angesichts dieser unterschiedlichen Namensgebungen war es kein Wunder, dass die Kommission der Vielfalt ein Ende bereiten – und auch die Vorarlberger davon überzeugen wollte, die liechtensteinische Namensgebung zu verwenden.

Der Durcheinander möge ein Ende finden
Alexander Frick hatte sich für seine Studie auch im Walgau umgehört. Was man in Liechtenstein als Plankner Türme bezeichne, sei in Frastanz als Katzenköpfe bekannt. Unter Drei Schwestern verstünden die Frastanzer seit Menschengedenken den Punkt 2052 samt dem dicht davorstehenden Doppelgipfel, der in neuester Zeit von Kletterbegeisterten nach dem Turnvater Jahn und dem Feldkircher Bergsteiger Volland getauft worden sei. Offiziell wurden diese Bezeichnungen jedoch nicht verwendet. Die Namenskommission nahm einige Präzisierungen und Neuerungen vor. Weil in der Bevölkerung viele nicht einfach Drei Schwestern sagten, sondern ein Beiwort verwendeten, legte man beispielsweise den Begriff Drei Schwestern-Kette fest. Die Kommission schuf ferner den neuen Namen Garsellitürme für die Karten, was laut Alexander Frick seine Berechtigung dadurch erhielt, dass diese Türme die Grenze zwischen dem Plankner- und dem Frastanzergarselli bilden.

Am Schluss seiner Studie «Welches sind die eigentlichen Drei Schwestern?» gab Alexander Frick im Jahr 1947 seiner Hoffnung Ausdruck, dass mit der Benennung der Berggipfel und Bergketten durch die Nomenklaturkommission «der bis heute bestehende Durcheinander sein baldiges und bleibendes Ende finden wird». Seine Hoffnung war, dass die Lehrer den Schülern die präzisen Bezeichnungen beibringen sollten. Und die Verkehrsvereine, so eine weitere Hoffnung, sollten sich auf ihren Werbemitteln und Tourenbeschreibungen am neuen Kartenmaterial orientieren.


Eine andere Version der Drei Schwestern

Es gibt verschiedene Versionen der Sage über die Entstehung der Drei Schwestern. Meist wird die am Anfang des Beitrags erwähnte Geschichte von Kanonikus Büchel über die hartherzigen drei Schwestern erzählt, die ihre Beeren nicht teilen wollten. Im Liechtensteiner Volksblatt vom 21. Januar 1910 wurde die Frage gestellt: Woher kommt der Bergname die «Drei Schwestern»?

Die Antwort dazu in Form einer anderen Sage: «Auf der gegen Nordost gelegenen Grenze des Fürstentums Liechtenstein ragen vom Grat des letzten Ausläufers des Prättigau-Gebirges drei mächtige Felsenspitzen von gleicher Grösse empor. Man nennt sie die ‹Drei Schwestern›. Von ihnen geht die Sage aus, es sei in alten Zeiten alle hundert Jahre ein Venediger Männlein gekommen. Dasselbe war sehr reich, denn es führte ganze Klumpen Goldes mit sich. An jenem Orte, wo die drei Felsenspitzen stehen, hielt er seine Schätze verborgen. Einst aber sind ihm drei Schwestern heimlich nachgeschlichen, und da sie ihn gerade bei seinen Schätzen erblickten, so hat er sie, zur Strafe für ihren Vorwitz und ihre Keckheit, in drei Felsen verwandelt. Darauf ist er über Berg und Tal davongefahren und auch nie mehr gekommen.»