Von der Landesausstellung zur LIHGA

Die Liechtensteinische Industrie-, Handels- und Gewerbeausstellung (LIHGA) wird seit 1978 regelmässig durchgeführt. Schon früher gab es Ausstellungen in Liechtenstein, doch ­blieben es jeweils einmalige Veranstaltungen. Eine Landwirtschaftsschau zeigte schon 1863 die ­Erzeugnisse der Bauern, aber erst im Jahr 1895 folgte eine Landesausstellung für ­Landwirtschaft, Handel und Gewerbe. Auch die Ausstellung 1934, als Wirtschafts- und ­Kulturschau konzipiert, fand keine direkte Nachfolge.

Text: Günther Meier

Ohne Werbung geht’s nicht. Das wussten schon unsere Vorfahren, die als Bauern versuchten, ihre Produkte aus Feld und Stall an Wochenmärkten zu verkaufen. Mit Genehmigung der Obrigkeit fand bereits 1792 der Start für einen Wochenmarkt in Vaduz statt. Anfänglich seien gute Umsätze erzielt worden mit dem feilgebotenen Getreide, mit Butter und Schmalz sowie dem Viehhandel. Bald jedoch stockten die Umsätze und das Angebot verkleinerte sich, weil in anderen Gemeinden ebenso solche Märkte entstanden . Die Marktidee aber blieb in vielen Köpfen, die das Ziel eines gemeinsamen Auftritts verfolgten. Die Bauern schlossen sich deshalb zum Landwirtschaftlichen Verein zusammen und organisierten 1863 erstmals eine «Liechtensteinische Landes-Ausstellung», die zwar ein erfreuliches Echo bei den Ausstellern und Besuchern fand, aber nicht wiederholt wurde.

1863 – Viehschau mit Acker- und Haushaltgeräten
Die Ausstellung des Landwirtschaftlichen Vereins wurde von der «Liechtensteiner Landeszeitung» als eine Ausstellung von Pferden, Vieh, Schweinen, Obst, Trauben, Ackererzeugnissen, Bienenprodukten sowie Haus- und Ackergeräten angekündigt. Allerdings scheint der Zuspruch für die Ausstellung anfänglich nicht gross gewesen zu sein, wie die Zeitung ausserdem berichtete: «Die geringe Auswahl an geeigneten Persönlichkeiten für die Leitung und Durchführung, die langandauernde Gleichgültigkeit der meisten Leute gegen die Ausstellung, Vorurteile und Hindernisse aller Art, alles das zusammen lag drückend und hemmend auf der Unternehmung, bis endlich das Eis brach, und in den letzten Tagen Zuversicht und Tatkraft die Überhand gewann. Mit den ersten Tannenbäumen, die in dem Boden befestigt wurden, wuchsen der Mut und die Teilnahme zusehends und als endlich der Ausschuss das Festprogramm veröffentlicht hatte, war die Stimmung geradezu umgewandelt.» Im Freigelände ausgestellt waren Pferde, Rindvieh und Schweine, während im Saal der damaligen Knabenschule die Feld- und Ackerfrüchte präsentiert wurden. Als «Curiosität» erwähnt die Landeszeitung ein «Muster selbstgezogener Trauben aus dem hochgelegenen Bergdörfchen Planken», mit denen gezeigt werden sollte, dass auch hoch über dem Talgrund der Weinbau
möglich wäre. Besondere Aufmerksamkeit fanden die wenigen gewerblichen Produkte: Öfen und Drainageröhren der Firma Schädler aus Nendeln, die Erzeugnisse der Baumwollwebereien Vaduz und Triesen sowie der Baustoff aus einer einheimischen Gipsmühle.

1895 – Ausstellung mit Landwirtschaft und Gewerbe
Der Erfolg der Ausstellung von 1863 bestärkte die Organisatoren in ihrem Vorhaben, weitere solche Ausstellungen zu organisieren. Daraus aber wurde nichts, der Verein löste sich bald auf. Erst gut 30 Jahre später, als wieder ein Landwirtschaftlicher Verein gegründet worden war, kam erneut die Idee für eine Landesausstellung auf. Die Entscheidung im Verein fiel am 7. Juli 1895, die Eröffnung der Ausstellung war auf den 29. September vorgesehen – eine sehr knappe Zeit von zwölf Wochen für die Vorbereitung und Organisation. Aber die ganze Mühe habe sich gelohnt, schrieb das «Liechtensteiner Volksblatt» über die Eröffnung: «Diese Feier führte aus nah und fern eine solche Menschenmenge herbei, wie Vaduz noch nicht oft eine solche innert seinen Mauern gesehen hat.» Den Besuchern wurde einiges geboten, ein Umzug durch das Städtle, eine Eröffnungsfeier mit Ansprachen, Musik und Gesang, eine grosse Festhalle als Treffpunkt.

Im Rahmen der Eröffnungsfeier wurde ein Telegramm an Fürst Johann II. nach Wien geschickt, der während seiner Regierungszeit immer wieder Landwirtschaft und Viehzucht unterstützte: «Soeben wurde die Liechtensteinische Landesausstellung vom Vorstande des Landwirtschaftlichen Vereins mit einem von über tausend Liechtensteinern begeistert aufgebrachten Hoch auf Eure Durchlaucht festlich eröffnet.»

Die Landesausstellung war in vier Gruppen gegliedert: Im Sektor A präsentierte sich die Vieh-, Pferde- und Schweinezucht, im Sektor B waren die landwirtschaftlichen Produkte ausgestellt, im Sektor C stellte sich das Gewerbe vor und im Sektor D gab es verschiedene Produkte und Gegenstände zu besichtigen und zu kaufen, die nicht den anderen Sektoren zugeordnet werden konnten. Ein grosses Lob gab es für die Fortschritte in der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Bei der Veredelung der einheimischen Viehrasse hätten sich schöne Erfolg eingestellt, in den Alpen seien massiv gebaute Sennereien und Stallungen entstanden, wozu auch der Bau von Strassen beigetragen habe, die den Talraum besser mit dem Alpengebiet verbinden würden.

Weil an der Landesausstellung auch dem einheimischen Gewerbe ein gebührender Platz eingeräumt worden war, konnten die Besucher Produkte aus den Spinnereien, Webereien und Stickereien besichtigen, ebenso Erzeugnisse aus handwerklichen Betrieben, die in jener Zeit in den Gemeinden entstanden. Aufmerksamkeit erzielte eine Zentrifuge für die Verarbeitung von Milch, wie man sie vorher noch nie in Liechtenstein gesehen hatte. Die Vaduzer Sennereigenossenschaft wollte auf der Höhe der Zeit sein und erwarb eine solche Maschine.

Verschiedene Veranstaltungen umrahmten die Landesausstellung. Auf besonderes Interesse stiess eine «Kunst-Gemälde-Galerie», die laut den Inseraten im «Volksblatt» direkt neben dem Ausstellungsgebäude aufgestellt worden war. Die Ankündigungen versprachen «die interessantesten Begebenheiten aus allen Weltteilen», gemalt oder gezeichnet, darunter der Leichenzug für Erzherzog Albrecht, die Ermordung des französischen Präsidenten Carnot durch einen Anarchisten oder die Rettung von Höhlenforschern in der Steiermark und eine Tigerjagd in Indien. Auch für die Kinder hatte der umtriebige Galerist gesorgt, mit der Aufstellung eines Karussells – in der damaligen Rechtschreibung noch «Carousell» geschrieben.

1934 – Wirtschaftsschau mit Briefmarken-Ausstellung
Nach dem Erfolg der ersten Landesausstellung in Vaduz mit über 10’000 Besuchern war beabsichtigt, bald wieder eine solche Ausstellung durchzuführen. Doch dauerte es fast 40 Jahre, bis sich Liechtenstein wieder an einer Landesausstellung erfreuen konnte. Allen Widrigkeiten der 1930er-Jahre zum Trotz wurde die Ausstellung am 29. September 1934 eröffnet. Liechtenstein befand sich, wie die Nachbarländer, in einer wirtschaftlich und politisch herausfordernden Zeit mit hoher Arbeitslosigkeit, Zukunftsängsten und dem Verführertum durch Populisten. «Trotz der Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse», wie das «Volksblatt» in einem Bericht schrieb, nahmen rund 400 Aussteller an der Messe teil. Die Aussteller stammten aus Landwirtschaft und Gewerbe, die ihre Produkte unter dem Dach des Bauernverbandes oder des Gewerbeverbandes oder auch als eigenständige Aussteller präsentierten. Laut den Organisatoren gab es einen Querschnitt durch das Schaffen der Bevölkerung zu sehen: «Die Liechtensteinische Landes-Ausstellung umfasst alle Zweige der Arbeit unseres Ländchens und soll ein Zeugnis geben vom Können und Wollen aller Werktätigen.»

Begleitet wurde die Kernausstellung aus Landwirtschaft und Gewerbe durch eine Reihe von Sonderschauen, die als ­Publikumsmagnete wirken sollten: Neben einer «Schweizer-Sonderschau» gab es eine Jagdausstellung, eine Trachtenschau, ein Preisturnen und ein Kinderfest. Die Gunst der Stunde, sich einem breiten Publikum aus dem Inland und der Nachbarschaft zu präsentieren, nutzte auch die Philatelie, die im Rathaus Vaduz die «Erste Liechtensteinische Briefmarken-Ausstellung» aufgebaut hatte. Die Philatelie Liechtenstein gab einen Fünf-Franken-Sonderblock heraus, der noch Jahrzehnte danach zu den gefragtesten Briefmarken gehörte – und bei Auktionen teilweise Preise bis zu 3000 Franken erzielte.

Der Ausstellungskatalog enthielt auch Werbung für Liechtenstein als einzigartiges Ferienland. Unter dem Titel «Liechtenstein ist das Land für Ihre Urlaubstage» wurden die bescheidenen Pensionspreise in den Hotels erwähnt. Im Sommer würden ruhige Spazierwege im Tannenwald einladen, im Winter locke bis ins Frühjahr hinein «das schönste Skigelände». Angesprochen wurde ausserdem eine spezielle Gruppe von Feriengästen: «Liechtenstein ist das Land für Rentner.» Versprochen wurden ein mildes Klima, die gute Verkehrslage und die Ruhe eines kleinen Ländchens, wenn Rentner eine preiswerte Mietwohnung suchten. Geworben wurde auch mit niedrigen Steuern, wenn vermögende Rentner selbst ein Haus bauen wollten «in schöner, sonniger Südlage in Waldesnähe».

1978 – Erste Durchführung der LIHGA
Wie schon 1895, als die erste Landesausstellung als Erfolg gewertet wurde und die Idee einer regelmässigen Fortsetzung breite Zustimmung fand, kam es zu keiner weiteren Auflage der Ausstellung von 1934. Vielmehr dauerte es wieder Jahrzehnte, bis in Liechtenstein die Realisierung einer Wirtschaftsausstellung gelang. Erst 1978 öffnete die Liechtensteinische Industrie-, Handels- und Gewerbeausstellung (LIHGA) ihre Tore für Aussteller und Publikum. Im Unterschied zu den Vorgängerveranstaltungen konnte sich die LIHGA im regionalen Messekalender etablieren und wird bis heute regelmässig durchgeführt – zuerst jedes Jahr, bald aber nur noch jedes zweite Jahr.

Schon die Ankündigung, dass in Liechtenstein wieder eine Wirtschaftsausstellung geplant werde, stiess 1978 auf grosse Zustimmung und entsprechende Erwartungen in der Bevölkerung. Die beiden initiativen Unternehmer Günther Wohlwend und Fritz Sprenger hatten sich zum Ziel gesetzt, die Wirtschaft des Landes oder zumindest einen Querschnitt durch die einheimische Wirtschaft an einer Messe zu zeigen. «Bei dieser Ausstellung präsentieren sich jene Unternehmen», unterstrichen die Macher im Ausstellungskatalog, «die heute das wirtschaftliche Bild des Landes formen und die dem überwiegenden Teil der Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Existenzbasis bilden.» Als Zeitpunkt für die LIHGA war die zweite Hälfte des Monats Juni ausgewählt worden, mit einer klaren Absicht: Die Ausstellung sollte in diesem Zeitraum einzigartig sein, keine Konkurrenzierung durch die Olma in St. Gallen oder die Herbstmesse in Dornbirn.

Weil unter den knapp 100 Ausstellern der überwiegende Anteil dem gewerblichen Sektor angehörten, übernahm die heutige Wirtschaftskammer Liechtenstein, damals noch unter der Bezeichnung Gewerbegenossenschaft, das Patronat. Präsident Josef Frick stellte im Vorwort des Ausstellungskatalogs eine Verbindung zwischen der Regierungszeit von Fürst Franz Josef II. und der Wirtschaftsentwicklung her: «Die Entwicklung und der heutige Stand der liechtensteinischen Wirtschaft ist eng verknüpft und von seiner Person wesentlich mitgeprägt.» Der Schaaner Vorsteher Walter Beck, der sich mit grossem Engagement für den Standort Schaan für die LIHGA eingesetzt hatte, hoffte auf einen Liechtenstein-Effekt der Messe: «Vielleicht werden sich im Anschluss an diese Ausstellung auch manche Besucher wieder vermehrt auf unsere einheimischen Geschäfte besinnen. Viel zu wenig wird daran gedacht, wie viele Leute in diesen Betrieben ihren täglichen Lebensunterhalt verdienen.»

Die erste LIHGA, von Regierungschef Hans Brunhart in seiner Eröffnungsrede als ein «bedeutsames Ereignis» bezeichnet, wurde zu einem Publikumserfolg. Über 20’000 Gäste wurden registriert, viele davon äusserten sich zufrieden mit der Ausstellung und dem attraktiven Rahmenprogramm, das wesentlich dazu beitrug, dass die LIHGA zu einem beliebten Treffpunkt wurde. Nicht ganz zufrieden waren Organisatoren und Besucher mit der weitgehenden Absenz der Industrie, obwohl im Namen der Messe an erste Stelle gesetzt. Diskussionen gab es auch darüber, ob die Wirtschaft mit einer Ausstellung unbedingt so hoch gelobt werden müsse. Walter Beck, Vorsteher der Standortgemeinde Schaan, reagierte auf diese Wirtschaftskritik mit einem Zitat des englischen Premierministers Winston Churchill: «Es gibt Leute, die halten den Unternehmer für einen räudigen Hund, den man totschlagen müsse. Andere meinen, der Unternehmer sei eine Kuh, die man ununterbrochen melken könne. Nur wenige sehen im Unternehmer das Pferd, das den Karren zieht!»