«Ich bin ein klarer Befürworter des IWF-Beitritts»

S.D. Erbprinz Alois blickt im Vorfeld des Staatsfeiertags zurück auf das politisch Erreichte der vergangenen Jahre, die Abstimmungen des Jahres 2024 und voraus auf mögliche Entwicklungen, die aus den direktdemokratischen Entscheidungen resultieren könnten.

Interview: Herbert Oehri und Heribert Beck

Durchlaucht, die Legislaturperiode 2021 bis 2025 neigt sich langsam, aber sicher dem Ende entgegen. Wie beurteilen Sie die politische Arbeit in den vergangenen knapp dreieinhalb Jahren? Was waren für Sie die positiven Aspekte, wo machen Sie Verbesserungspotenzial aus?

S.D. Erbprinz Alois: Diese Legislaturperiode war durch schwierige Rahmenbedingungen geprägt. Sie begann noch mit den Herausforderungen der Pandemie und ging dann nahtlos über in den Angriff Russlands auf die Ukraine mit all seinen Folgen hinsichtlich Flüchtlingsströme, Energiekrise und weiteren Lieferketten-Problemen. Hinzu kommt die generell schwierige geopolitische Lage betreffend Beziehungen zwischen den USA und China sowie jüngst im Nahen Osten. Dies hat zum Teil auch zu mehr Protektionismus und angespannten Situationen in unseren wichtigsten Absatzmärkten geführt. Angesichts dieser schwierigen Lage können wir mit der politischen Arbeit insgesamt ganz zufrieden sein, obwohl einige wichtige Reformvorhaben noch nicht umgesetzt werden konnten.

Neben verschiedensten anderen positiven Aspekten möchte ich besonders die Ausarbeitung der Altersstrategie hervorheben. Verbesserungspotenzial sehe ich im Bereich Klima und Energie sowie bei der Sicherung einer ausreichenden Medienvielfalt. Ausserdem erhoffe ich mir noch eine erfolgreiche Umsetzung der Justizreform.

Verbesserungspotenzial sehen auch immer wieder Gruppierungen aus dem Volk. Die Stimmberechtigten waren in den vergangenen Monaten so oft zur Urne gebeten, wie wohl noch nie in einem halben Jahr. Woran liegt es Ihres Erachtens, dass die althergebrachten direktdemokratischen Rechte derzeit so intensiv ausgeschöpft werden?

Vermutlich spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: so zum Beispiel mehr Gesetzesvorlagen als üblich, die unpopulär waren oder dem Stimmvolk nicht ausreichend erklärt wurden, und ein vermehrter Einsatz der direktdemokratischen Mittel durch die Oppositionsparteien. Letzteres wurde in den vergangenen Jahren in der Schweiz diskutiert. Ich bin ein grosser Anhänger der direkten Demokratie und finde, dass es der Politik guttut, wenn in einer gewissen Regelmässigkeit Referenden und Initiativen ergriffen werden. Falls man aber den Eindruck gewinnt, dass es zu viel wird, könnte man sich eine noch bessere Aufbereitung der relevanten Informationen für das Stimmvolk und eine Verbesserung der parlamentarischen Strukturen überlegen, um den Gebrauch von direktdemokratischen Mitteln für die Oppositionsarbeit zu vermeiden.

Während die Abstimmungen mehr werden, sinkt die Stimmbeteiligung. Sehen Sie einen direkten Zusammenhang? Oder woran könnte es sonst liegen, dass Liechtenstein von nicht allzu lange zurückliegenden Werten von knapp 90 Prozent mittlerweile weit entfernt ist?

Erfahrungsgemäss schwankt die Stimmbeteiligung je nach Abstimmungsthema stark. Ich glaube, dies hat einen viel grösseren Einfluss als die Anzahl der Abstimmungen in einem gewissen Zeitraum.

Die nächsten Abstimmungen werfen ihre Schatten voraus. Die Regierung und der Landtag streben den Beitritt Liechtensteins zum Internationalen Währungsfonds IWF an. Dagegen hat sich in der Bevölkerung Widerstand formiert, und das Volk wird im Rahmen einer Abstimmung über den Beitritt entscheiden. Wie stehen Sie zu einem möglichen IWF-Beitritt Liechtensteins? Was spricht dafür, was dagegen?

Ich bin ein klarer Befürworter des IWF-Beitritts. Neben dem häufig diskutierten Vorteil der Sicherstellung von hoher Liquidität im Notfall, sind es etliche andere Vorteile, die meiner Ansicht nach noch zu wenig beleuchtet wurden:

Der IWF ist für die Stabilität und das reibungslose Funktionieren des internationalen Finanzsystems zuständig und fördert dadurch den internationalen Handel. Zudem hat der IWF einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung und Umsetzung von Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Dies sind für unsere Industrie und unseren Finanzplatz bedeutende Themen, zu denen wir uns gerade in geopolitisch schwierigen Zeiten noch stärker einbringen sollten.

Weiter ist der IWF die wichtigste Plattform für die Finanzminister, die sich dort zweimal im Jahr treffen. Da wir in den letzten Jahren grossen Wert auf den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen gelegt haben, würden diese regelmässigen Finanzministertreffen eine hervorragende Gelegenheit bieten, um bei informellen Gesprächen im Rahmen dieser Treffen weitere Doppelbesteuerungsabkommen anzusprechen.

Nachdem der Landtag sich fast einstimmig für das Verhandlungsmandat ausgesprochen hatte und die Regierung ein noch besseres Verhandlungsergebnis erzielen konnte, würde eine Ablehnung des IWF-Beitritts in dessen Mitgliedstaaten auf Unverständnis stossen und einen Reputationsverlust bedeuten.
Auch in der Schweiz würde eine Ablehnung wahrscheinlich nicht gut aufgenommen, nachdem die Schweiz sich sehr für uns eingesetzt hatte und selbst ein grosses Interesse an unserem Beitritt hat. Ein Beitritt zum IWF würde hingegen einen Reputationsgewinn bedeuten.

Im Unterschied zu anderen Abstimmungsthemen, bei denen es aus meiner Sicht häufig in beiden Lagern gute Argumente gab und es letztlich um eine Gewichtung dieser Argumente ging, konnte ich bisher keinem vorgebrachten Argument etwas abgewinnen. Ich habe auch den Eindruck, dass etliche eine Volksabstimmung wollen, weil sie noch zu wenig Informationen zu diesem vielleicht doch eher abstrakten Thema erhalten haben.

Auch über die Zukunft von Radio Liechtenstein dürften bald die stimmberechtigten entscheiden. Wie positionieren Sie sich in dieser Frage? Braucht das Land einen öffentlich-rechtlichen Sender und was darf er kosten? Oder ist ein privates Radio L die bessere Lösung?

Ich bin grundsätzlich der Ansicht, dass der Staat kein guter Unternehmer ist und daher so wenig wie möglich selbst als Unternehmer tätig sein soll. Auch bei einer Privatisierung des Radius bliebe jedoch die Herausforderung, wie wir eine ausreichende Medienvielfalt vor allem bei den tages­aktuellen Medien sicherstellen können. Mit einem Radio erreicht man heutzutage nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung. Daher müssen wir uns diesbezüglich auf jeden Fall noch mehr einfallen lassen.

Ebenfalls ein komplexes Thema ist die Pensionsversicherung der Staatsangestellten. Wie stehen Sie zur Lösung, welche die Regierung anstrebt? Sehen Sie Alternativen?

Im Unterschied zu den früheren Lösungsversuchen halte ich den vorliegenden Lösungsvorschlag für geeignet, um die Probleme mit der Pensionsversicherung der Staatsangestellten auf lange Zeit zu lösen. Der Lösungsvorschlag enthält zusätzlich einige interessante und auch für andere Pensionskassen überlegenswerte Elemente, um die Thematik der Umverteilung von den aktiven Beitragszahlern zu den Pensionisten zu reduzieren. Als Alternative könnten wir eine kleine Reform machen oder zuwarten und zu einem späteren Zeitpunkt eine Lösung suchen. Dies dürfte aufgrund des Zinseszinseffektes jedoch nur teurer werden, und momentan haben wir sehr gut ausgestattete Staatsfinanzen, was in Zukunft vielleicht nicht immer gegeben sein wird. Wenn wir die Probleme heute auf lange Frist lösen wollen, sehe ich daher leider keine Alternative zu einem grossen und teuren Paket.

Wir sollten uns aber nicht nur mit der Pensionsversicherung der Staatsangestellten beschäftigen, sondern in der nächsten Legislaturperiode eine grundlegende Reform der zweiten Säule angehen, um alle betrieblichen Pensionskassen auf eine langfristig sichere Basis zu stellen und um das Problem der Umverteilungen von den aktiven Beitragszahlern zu den Pensionisten zu lösen. Da es meines Wissens auch noch andere Pensionskassen gibt, die in Zukunft finanzielle Herausforderungen zu meistern haben werden, wird uns dies vielleicht auch noch einiges kosten.

Bereits zweimal abgestimmt hat Liechtenstein in diesem Jahr über Gesundheitsthemen. Sowohl das elektronische Gesundheitsdossier als auch der Ergänzungskredit für das Landesspital vermochten eine Mehrheit zu überzeugen. Was erhoffen Sie sich vom eGD und von einem neuen Spital?

Vom elektronischen Gesundheitsdossier erhoffe ich mir einerseits eine Gewährleistung der Datensicherheit und andererseits eine Nutzung der Möglichkeiten für Qualitätssteigerungen und Kostenersparnisse im Gesundheitswesen. Um Letzteres zu erreichen, sollten wir vor allem auch prüfen, durch welche zusätzlichen Leistungen und Optimierungen des elektronischen Gesundheitsdossiers der Anreiz für eine umfassende Nutzung durch möglichst viele Leistungserbringer und Leistungsbezieher erreicht werden kann.

Beim Landesspital erhoffe ich mir, dass dieses möglichst flexibel gebaut wird, damit es auf lange Frist jene Leistungen anbieten kann, die von der Bevölkerung auch nachgefragt werden. Bei der Ausrichtung des Leistungsangebots sollten aus meiner Sicht jene Leistungen im Vordergrund stehen, bei denen das Landesspital aufgrund seiner geografischen Nähe im Vorteil ist sowie selbst mit einem kleinen Einzugsgebiet und entsprechend niedrigen Fallzahlen ausreichend Qualität sicherstellen kann.

Stichwort erhoffen: Auf welche politischen Schritte und Massnahmen hoffen Sie in den kommenden Monaten bis zu den Landtagswahlen noch?

Neben dem bereits erwähnten Beitritt zum IWF erhoffe ich mir bis zu den Landtagswahlen besonders eine Umsetzung der Justizreform und Fortschritte beim Thema Energiesicherheit. Ausserdem würde es mich freuen, wenn wir bei einigen Elementen der Altersstrategie bereits erste Umsetzungserfolge erreichen könnten.