Die KI-Verordnung und ihre Relevanz für liechtensteinische Unternehmen

In den vergangenen Jahren hat die Digitalisierung tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt, Wirtschaft und Gesellschaft mit sich gebracht, die nahezu jeden Aspekt unseres Lebens beeinflussen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI), die sich insbesondere in der steigenden Verbreitung von ChatGPT und ähnlichen Sprachmodellen zeigt.

Text: Carmen Oehri, Rechtsanwältin und Partnerin

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission eine umfassende Digitalstrategie entwickelt. Ein Bestandteil dieser Strategie ist die Regulierung von KI, um optimale Rahmenbedingungen für deren Entwicklung und Nutzung zu schaffen. Im März 2024 hat das EU-Parlament die KI-Verordnung verabschiedet. Diese legt die rechtlichen Grundlagen für den Einsatz von KI in der EU fest.

Die KI-Verordnung tritt im August 2024 auf EU-Ebene in Kraft. Im Sommer 2024 erfolgt auf Ebene der EWR-/EFTA-Staaten eine Prüfung der Verordnung. Diese Verordnung wird voraussichtlich 2026 in Liechtenstein in Kraft treten.

Was ist KI?
Die KI-Verordnung definiert ein KI-System als «ein maschinengestütztes System, das mit unterschiedlichem Autonomiegrad operiert, nach seiner Inbetriebnahme angepasst werden kann und aus den erhaltenen Eingaben explizite oder implizite Ziele ableitet. Es erzeugt Ergebnisse wie Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen können.»

Hinter dieser Definition steckt ein System, das längst Teil unseres Alltags ist. KI-Systeme analysieren beispielsweise in der Medizin Röntgenbilder zur Erkennung von Tumoren oder Knochenbrüchen, was Diagnosen präzisiert und beschleunigt. Grosse Sprachmodelle (Large Language Models, LLM), wie zum Beispiel ChatGPT, unterstützen bei Vertragserstellung, Fragenbeantwortung und Textübersetzung durch Sprachverständnis und -generierung.

Die KI-Verordnung
Die KI-Verordnung stellt einen umfassenden rechtlichen Rahmen für die Entwicklung, Bereitstellung und den Betrieb von KI dar. Sie betrifft Unternehmen und Organisationen, die KI-Systeme innerhalb der EU bzw. künftig auch innerhalb der EWR-/EFTA-Staaten entwickeln oder anbieten, sowie Betreiber, die KI-Systeme im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit verwenden. Eine wesentliche Komponente der KI-Verordnung ist die Kategorisierung von KI-Systemen nach ihrem Risikograd. Es werden vier Risikokategorien unterschieden: minimales Risiko, beschränktes Risiko, hohes Risiko und unakzeptables Risiko. Hochrisiko-KI-Systeme unterliegen besonders strengen Anforderungen hinsichtlich Genauigkeit, Robustheit und Cybersicherheit. Beispiele für den Einsatz von Hochrisiko-KI-Systemen umfassen die automatisierte Bewertung von Bewerbern bei der Einstellung, das Personalmanagement, die Prüfung der Kreditwürdigkeit sowie medizinische Diagnosesysteme. Ein zentraler Aspekt der KI-Verordnung sind die erheblichen Bussgelder, die für Verstösse vorgesehen sind. Sie können bis zu 35 Millionen Euro oder bis zu 7 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen.

Weitere Rechtsgrundlagen mit hoher KI-Relevanz
Neben der KI-Verordnung sind beim Einsatz von KI-Systemen künftig folgende Rechtsgrundlagen zu beachten: die KI-Haftungs-Richtlinie, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bzw. das Datenschutzgesetz (DSG) in Liechtenstein, das Datengesetz und der Daten-Governance-Rechtsakt.

Fazit
Angesichts der umfangreichen Anforderungen der KI-Verordnung sollten Unternehmen, insbesondere Anbieter von Hochrisiko-KI-Systemen, die neuen Bestimmungen genau prüfen und frühzeitig Massnahmen planen und umsetzen. Nutzer von KI-Systemen sollten ihre Rolle und Verpflichtungen gemäss der KI-Verordnung bewerten und eine Bestandsaufnahme durchführen.


 

Über die Person
Carmen Oehri ist als Rechtsanwältin in Liechtenstein zugelassen und verfügt zudem über das Anwaltspatent des Kantons Zürich. Schwerpunktmässig beschäftigt sie sich mit Gesellschafts- und Vertragsrecht. Darüber hinaus befasst sich Carmen Oehri mit Fragen des Erbrechts und der Nachlassplanung. Sie ist für in- und ausländische Privatpersonen und Unternehmen beratend sowie prozessführend tätig.

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