Vor 50 Jahren – Zuerst die Brandstiftung, dann der Einsturz

Die Spannbetonbrücke von 1963/1964, aufgenommen in diesen Tagen. Bild: Michael Zanghellini

Ende Juni 1974 brannte die Rheinbrücke Bendern – Haag,
einige Wochen später stürzte das Bauwerk in den Rhein.

Text: Günther Meier

Was niemand erwartet hatte, traf am Montag, 22. Juli 1974, um 11.30 Uhr ein. Die durch einen Brand beschädigte Holzbrücke Bendern – Haag stürzte innerhalb von ein paar Minuten in die Tiefe. Einige Bauarbeiter, die mit der Wiederherstellung der Brücke beschäftigt waren, wurden zum Teil schwer verletzt. Als Unfallursache wird angenommen, dass auf der liechtensteinischen Seite ein Auflagepunkt gebrochen war, womit die gesamte Konstruktion ins Wanken geriet und in die Fluten des Rheins stürzte.

Zum Zeitpunkt des Einsturzes war die Rheinbrücke schon rund zehn Jahre für den Verkehr gesperrt, der über die neue Betonbrücke mit dem Anschluss an die Rheintal-Autobahn geführt wurde. Rund vier Wochen vor dem Einsturz war auf der Brücke ein Brand ausgebrochen, wahrscheinlich zurückzuführen auf Brandstiftung. Es machte den Anschein, als ob jemand mit der Entscheidung von Liechtenstein und St. Gallen, die Holzbrücke zu erhalten und für diesen Zweck mit einem Kostenaufwand von rund 400’000 Franken zu renovieren, nicht gepasst hat. Jedenfalls stand die Rheinbrücke in der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 1974 in Flammen. Dem raschen Eingreifen der umliegenden Feuerwehren aus Liechtenstein und der Schweiz war es zu verdanken, dass die Holzbrücke nicht vollständig abbrannte: Etwa zwei Drittel der Brücke konnte gerettet werden.

Die 1896 erstellte Holzbrücke Bendern–Haag und die Spannbetonbrücke von 1963/1964, ca. 1965. Die Holzbrücke stürzte am 26.6.1974 nach einem Brand ein. (Foto: Liechtensteinisches Landesarchiv, B 12GB1 003 002; Sammlung Fritz Baum, Pressefotograf, Ruggell)

Origineller Vertreter früherer Brückenbaukunst
Nach dem Brand begannen die Diskussionen, was mit der teilweise zerstörten Rheinbrücke geschehen sollte oder gemacht werden könnte. Erste Begutachtungen von Fachleuten führten zum Ergebnis, ein Abbruch sei nicht dringend notwendig. Zur Erhaltung würde genügen, den Mittelpfeiler zu ersetzen und die vom Feuer zerstörte Holzkonstruktion zu ersetzen. Für eine Erhaltung der Brücke wurde vorgebracht, die Holzkonstruktion füge sich harmonisch in das Landschaftsbild ein – was zahlreiche Luftaufnahmen dokumentierten, die zwei parallel verlaufende Rheinbrücken vor dem historischen Kirchhügel von Bendern zeigten. Das Liechtensteiner Volksblatt schrieb dazu, die Holzbrücke runde das Landschaftsbild ab und nehme der «modernen Betonbrücke etwas von ihrer formalen Strenge und Phantasielosigkeit». Aus dem Kanton St. Gallen war noch ein weiterer Grund für die Erhaltung zu vernehmen: Die Brückenkonstruktion sei von ihrem technischen Konzept her interessant genug, um sie vor der Vernichtung zu schützen. Die Brücke sei ein origineller Vertreter früherer Brückenbaukunst.

Die Restbrücke aus Sicherheitsgründen verbrannt
Weitere solche Überlegungen mussten nicht mehr angestellt werden, nachdem die Rheinbrücke etwa vier Wochen später ohne Vorwarnung zusammenkrachte. Die für das Bauwesen zuständigen Regierungsmitglieder von Liechtenstein und St. Gallen setzten sich zusammen und entschieden am 23. Juli 1974, die im Rhein liegenden Holzteile der Brücke gänzlich zu verbrennen. Das Verbrennen der Überreste bildete die einfachste Lösung, weil auch befürchtet werden musste, aufgrund des stark gestiegenen Wasserstandes des Rheins könnten sich einzelne Teile lösen und die rheinabwärts liegenden Brücken gefährden. Gemeinsam steckten die Feuerwehren von Gamprin und Haag nach dieser Entscheidung die intakt gebliebene Restbrücke in Brand.

Schon 1894 wurde die Brücke ein Raub der Flammen
Es war nicht der erste Brand der Rheinbrücke Bendern – Haag. Die am 24. Mai 1868 eröffnete Brücke, die der liechtensteinische Landestechniker Peter Rheinberger geplant hatte, wurde 1894 ein Raub der Flammen. Schon zwei Jahre später stand eine neue Rheinbrücke, die eine Länge von 145 Metern aufwies und sich auf fünf Pfahljoche abstützte. Im Unterschied zur ersten Version, die noch kein Dach hatte, war die neue Brücke überdacht. Fast siebzig Jahre diente die Brücke dem Austausch der liechtensteinischen und schweizerischen Nachbarn. Als sie 1965 eine moderne Eisenbetonbrücke in unmittelbarer Nähe gebaut wurde, blieb die Holzkonstruktion bestehen, war aber für den motorisierten Verkehr gesperrt. Hingegen blieb sie als historisches Zeugnis für Fussgänger und Radfahrer noch etwa zehn Jahre bestehen – bis zuerst ein Brand die Zerstörung einleitete und dann der Zusammenbruch erfolgte.