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Du sollst…

Leserbrief von Jo Schädler
Bendern

40 Tage und Nächte blieb Moses auf dem Berg Sinai darauf zu warten, von Gott zwei Steintafeln zu bekommen, auf denen die zehn Gebote eingemeisselt waren. Jedes einzelne beginnend mit „Du sollst“. Wäre Moses etwas zäher und durchhaltestärker gewesen und hätte er noch ein paar Tage gewartet, dann hätte ihm Gott noch ein Täfelchen mit zwei weiteren Geboten mitgegeben. Gebot Nummer elf: Du sollst der Zeit nicht hinterherhinken. Gebot Nummer zwölf: Du sollst keine anonymen Briefe schreiben.

Allen Geboten eigen ist, dass sie keine Befehle sind und sagen du musst, oder du darfst, oder du darfst nicht, sondern dir nur empfehlen: „du sollst“. Das ist das Schöne an unserem christlichen Glauben. Die Kirche befiehlt nicht und sagt du musst, sondern sie macht dir Angebote, die du annehmen kannst oder auch nicht.

Das „solle“ auch Vaterland Redakteur Schreiber Gary Kaufmann in sein Wirken bei der Vaterland Sapperlot Kolumne einfliessen lassen. In der Dienstag Ausgabe „jömeret“ er, das Vaterland bekäme – wahrscheinlich anonym – konstruktive Kritik der anderen Art. Aber es falle schwer, diese ernst zu nehmen, wenn Satzzeichen fehlen, die Verfasser der Zeit hinterherhinken und den nötigen Respekt vermissen lassen würden. Jetzt aber «sapperlot hinderi» und somit auch noch eine paar Gebote an die Schreiberlinge in der Redaktion, von Arthur Schopenhauer gerne Tintenkleckser genannt. Pronto? Ihr „sollt“ dem Leser von diesem Sapperlot erklären, wie schuldig er sich macht, wenn er dem Zeitgeist nicht auf den Leim geht und ihm lieber hinterherhinkt, wie all seinen Blödsinn mitzumachen. Ihr „sollt“ auch anonyme Zuschriften nicht ins Lächerliche ziehen, sondern zumindest versuchen zu verstehen, dass eure Ergüsse im Vaterland eine wahre Fundgrube an Schreibfehlern, vom Inhalt ganz zu schweigen sind. Und ihr „sollt“ verstehen lernen, dass man sich Respekt vor allem als Zeitungsredaktor erst und wenn notwendig sehr hart erarbeiten muss, bevor man sich erdreistet, ihn schnöde einzufordern.

 

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