Die Stiftung Zukunft.li macht Vorschläge zur Senkung der Gesundheitskosten
Text: Günther Meier
Die Gesundheitskosten in der Obligatorischen Krankenversicherung (OKP) liegen in Liechtenstein um 20 Prozent höher als in den benachbarten Kantonen St. Gallen und Graubünden. Der Grund dafür ist, dass Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner häufiger zum Arzt gehen und Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Wie eine Studie der Stiftung Zukunft.li aufzeigt, gibt es durchaus Möglichkeiten, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.
Mit dem Gesundheitswesen kommen alle in Berührung, vom ersten Atemzug bis zum letzten Herzschlag, schreibt die Stiftung Zukunft.li im Vorwort der umfangreichen Studie, die sich auf die Kostenseite der Obligatorischen Krankenversicherung (OKP) fokussiert und Vergleiche zwischen Liechtenstein sowie den Nachbarkantonen St. Gallen und Graubünden anstellt. Die Aufrechterhaltung der Gesundheit sowie die Bekämpfung von Krankheiten oder Unfallfolgen hat ihren Preis. Nicht weniger als 393 Millionen Franken betrugen laut der Studie die gesamten Gesundheitsausgaben der liechtensteinischen Bevölkerung im Jahr 2021 – im Durchschnitt rund 10’000 Franken pro Kopf. Bei derart hohen Ausgaben müsste die Bevölkerung einen guten Gesundheitszustand aufweisen. Ganz neue Zahlen dazu gibt es nicht, aber bei der letzten Gesundheitsbefragung 2017 bezeichneten 87 Prozent ihre Gesundheit als gut bis sehr gut, nur 3 Prozent gaben an, ihr Gesundheitszustand sei schlecht.
Spitalaufenthalte verursachen die höchsten Kosten
Wer heute über das Gesundheitswesen spricht, kommt an der Kostenfrage nicht vorbei. Das Kostenwachstum hat, wie die Studie ausführt, verschiedene Treiber: Das Bevölkerungswachstum, die demografische Entwicklung mit einem höheren Anteil an älteren Personen und der Fortschritt der Medizin mit neuen Behandlungsmethoden, die jedoch ihren Preis haben. Hinzu kommt die steigende Anspruchshaltung der Bevölkerung, die im Krankheitsfall die bestmögliche Heilbehandlung fordert. Alles zusammen führte laut Studie dazu, dass die Gesundheitskosten pro Versicherten in der Obligatorischen Krankenversicherung (OKP) zwischen 2004 und 2022 um 62 Prozent angestiegen sind – ein Anstieg von 2,6 Prozent im Jahresdurchschnitt. Die Kostenaufschlüsselung nach Leistungsbereichen zeigt, dass der höchste Anteil von 36 Prozent auf stationäre Spitalaufenthalte entfällt. Die ambulanten Behandlungen machen einen Anteil von 30 Prozent aus, während sich Laboranalysen, Physio- und Psychotherapien auf 20 Prozent summieren. Deutlich geringer fällt der Anteil der Medikamente aus, deren Konsum auf einen Anteil von 13 Prozent kommt.
Die Gesundheitskosten pro Versicherten erhöhten sich laut Studie in den letzten Jahren markant. Lagen die durchschnittlichen OKP-Kosten im Jahr 2004 noch bei 3400 Franken, so erhöhten sie sich bis 2022 auf 5544 Franken. Wird ein Vergleich mit den Kantonen St. Gallen und Graubünden angestellt, so liegen die OKP-Kosten in Liechtenstein um rund 20 Prozent höher als in der Nachbarschaft. Eine konkrete Antwort kann die Studie auf diesen Unterschied nicht geben, doch gibt es Ansätze für Erklärungen: Ein markant höherer Anteil der Versicherten entscheide sich in unserem Land für die Grundfranchise und damit gegen Prämienrabatte für ein höheres Risiko bei höheren Franchisen. Allgemein gelte jedoch, dass die Pro-Kopf-Kosten von Versicherten mit Grundfranchise deutlich höher seien als bei Versicherten mit Wahlfranchise. Wenn also die Gesundheitskosten gesenkt werden sollen, so müsste in diesem Bereich angesetzt werden. Die Studie der Stiftung Zukunft.li setzt deshalb ein Fragezeichen hinter die 2022 mit Volksabstimmung verwirklichte Franchise-Befreiung von Personen im Rentenalter. «Das Ziel, nämlich einkommensschwache Haushalte zu entlasten», heisst es konkret dazu, «kann durch ein zielgerichtetes Prämienverbilligungssystem auf deutlich effizientere Art erreicht werden.» Zudem gibt die Studie zu bedenken, auch gewisse Einschränkungen bei der Franchise könnten zu Kostensenkungen beitragen. Die jährlich neu wählbare Franchise könne dazu führen, dass die Höhe der Kostenbeteiligung mit planbaren Behandlungen kombiniert werde: Wenn also eine kostenintensive Operation anstehe, entscheide man sich für die Grundfranchise, die ein Jahr später nach erfolgter Behandlung wieder erhöht werde, um Prämien zu sparen. Die Stiftung Zukunft.li schlägt deshalb vor, einen Franchisen-Wechsel nur alle drei Jahre zu ermöglichen.
Forderung nach mehr Wettbewerb im Gesundheitsbereich
Wenn der Wettbewerb spielt in der freien Marktwirtschaft, so die allgemeine Meinung von Ökonomen, halten sich die Preissteigerung in engen Grenzen. Natürlich handelt es sich beim Gesundheitswesen um eine spezielle Form der Wirtschaft, doch die Stiftung Zukunft.li ist der Auffassung, etwas mehr Wettbewerb könnte nicht schaden. «Strenge Regulierung reduziert den Wettbewerb im Gesundheitswesen auf allen Ebenen auf ein Minimum», kritisiert die Studie und fügt weiter an: «Wo Spielräume vorhanden sind, beispielsweise durch die Schaffung von Versicherungsmodellen mit Versorgungsnetzen, werden sie nicht genutzt.» Ferner verhindere in der ambulanten Versorgung die Bedarfsplanung den Wettbewerb innerhalb der OKP – im Gegenteil, es gebe in diesem Rahmen sogar Anreize zur Mengenausweitung.
Die Bedarfsplanung bestimmt die maximale Anzahl von Leistungserbringern pro Facharztgruppe, die ihre Leistungen über die OKP abrechnen dürfen. «Für Ärzte, die Teil der Bedarfsplanung sind», kritisiert die Studie, «bestehen kaum Anreize, sich wettbewerbsorientiert zu verhalten.» Kritik richtet sich weiter gegen die Regelung der geltenden Bedarfsplanung: «Einmal in die Bedarfsplanung aufgenommen, verbleiben Leistungserbringer in der Regel bis zur Pensionierung OKP-abrechnungsberechtigt.» Die Stiftung Zukunft.li ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, eine periodische Neuausschreibung der Bedarfsplanung würde wohl den Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern stärken. Unausgesprochen steht im Hintergrund dieser Aussage, mehr Wettbewerb könnte zu Kosteneinsparungen wie in anderen Wirtschaftszweigen führen.
Einer Aufhebung der Bedarfsplanung erteilt die Studie allerdings eine klare Absage. Liechtenstein sei wegen der hohen Einkommen und der damit zusammenhängenden starken Nachfrage nach Gesundheitsleistungen für die Ärzte attraktiv. Bei einer Abschaffung der Bedarfsplanung müsste aufgrund der EWR-Personenfreizügigkeit mit einer starken Zunahme von Ärzten gerechnet werden. Eine höhere Anzahl von Ärzten bedeute jedoch nicht automatisch mehr Wettbewerb und ein effizienteres Gesundheitssystem. Wenn in diesem Fall alle Ärzte über die OKP abrechnen könnten, so die Befürchtung, könnten sogar mehr unnötige Gesundheitsleistungen angeboten und auch nachgefragt werden: Den Zusatzkosten würde nicht unbedingt ein entsprechender Zusatznutzen gegenüberstehen.
Zu wenig Anreize für neue Versicherungsmodelle
Obwohl aufgrund der Regulierungen der Wettbewerb unter den Leistungserbringern im Gesundheitswesen kaum spielt, sieht die Stiftung Zukunft.li gewisse Spielräume, die jedoch in Liechtenstein noch nicht genutzt werden. Als Beispiel führt die Studie das Managed-Care-System an, das als vielversprechender Ansatz zur Steigerung der Behandlungsqualität und der Kosteneffizienz gelobt wird. Hausärzte oder Managed-Care-Organisationen dienen dabei als erste Anlaufstelle und steuern dann die Überweisung von Patienten zu Spezialisten. Laut Studie können beide Seiten davon profitieren, was gesamthaft Einsparpotenzial für das Gesundheitswesen bringen würde: Die Krankenversicherer bieten finanzielle Anreize und Verträge mit Leistungserbringern an, die auf Qualität und Effizienz ausgerichtet sind, während die Versicherten von günstigeren Prämien profitieren, allerdings unter Verzicht auf die heute bestehende freie Arztwahl.
Solche Modelle gibt es in Liechtenstein noch nicht, weil Versorgungsverträge nur mit Leistungserbringern innerhalb der Bedarfsplanung abgeschlossen werden können. Die Studie empfiehlt deshalb eine Öffnung: «Die Erweiterung dieses Kreises auf Leistungserbringer ausserhalb der Bedarfsplanung könnte neue Möglichkeiten in diesem Bereich eröffnen und ein Konkurrenzangebot zu Ärzten mit Bedarfsplanung bieten.» Würde sich Liechtenstein für das Managed-Care-System entscheiden, so wären laut Stiftung Zukunft.li auch Verträge mit Versorgungsnetzen in der Schweiz möglich. Mit grossen Vorteilen, weil davon nicht nur die Versicherten profitierten, die sich für ein solches Modell entscheiden, «sondern durch die insgesamt geringeren Kosten letztlich alle Prämienzahlenden».