Nicola Kollmann aus Ruggell ist 29 Jahre jung und hat bereits eine bewundernswerte Ausbildungskarriere vom Bachelor of Science in Business Administration (Uni Bern) über den Master of Arts HSG in Banking and Finance (Uni St. Gallen) bis hin zum Doctor of Philosophy in Finance (Uni St. Gallen) hingelegt. Herzliche Gratulation, Nicola! Im Interview kommt er auf all dies zu sprechen, spricht aber auch von seiner Fussball-Leidenschaft, der Preisverleihung für die besten Dissertationen bis hin zu gesellschaftspolitischen Themen.
Interview: Johannes Kaiser
Dich kennt man in erster Linie als talentierten Fussballer, und du hast auch schon als Nationalspieler Liechtensteins Farben vertreten.
Nicola Kollmann: Das ist korrekt. Ich habe beim LFV alle Juniorenstufen durchlaufen und dann später 2020 mein Debüt in der Nationalmannschaft gegeben. Bei diesem Debüt konnten wir dann auch gleich einen Sieg gegen Luxemburg feiern. Wie viele andere auch begeistert mich der Fussball schon seit meiner Kindheit. Ich glaube, dass mir der Mannschaftssport sehr viele wichtige Werte vermittelt hat und er somit eine tolle Lebensschule war. Dieses Hobby dann während meiner Schulzeit zu intensivieren und durch den LFV gefördert zu werden, hat sicher auch dazu beigetragen, dass ich auf und neben dem Platz an meine Grenzen gehen wollte. Gerade, wenn man seine Ausbildung bis zum Doktorgrad durchziehen möchte, braucht das sicherlich viel Durchhaltevermögen und Disziplin.
Im Mai dieses Jahres bist du mit dem Giorgio-Behr-Preis ausgezeichnet worden. Bevor wir auf diese Preisverleihung eingehen, interessiert mich dein Ausbildungsweg.
Der Grundstein für meine Ausbildung wurde sicherlich auch durch den Fussball stark beeinflusst. Dadurch, dass der Weg für Spitzensportler in Liechtenstein über die Sportschule führt, war die Schulzeit für mich praktisch vorgegeben. Konkret heisst das, dass ich zuerst drei Jahre an der Realschule in Schaan war, bevor ich dann an die Oberstufe ins Gymnasium gewechselt habe. Dort setzte ich meine Schulzeit mit dem Profil Wirtschaft und Sport fort.
Nachdem ich dann die Schule abgeschlossen hatte, führte mich mein nächster Schritt nach Bern, wo ich BWL und Rechtswissenschaften studiert habe. Die Universität Bern war mit dem vielseitigen Angebot einer Volluniversität und ihrer sehr diversen Studentenschaft für mich der ideale Ort für das Bachelorstudium. Allerdings habe ich während der drei Jahre schnell gemerkt, dass sich mein betriebswirtschaftliches Interesse vor allem auf den Finanzbereich beschränkt. Diesbezüglich konnte mir Bern dann nicht mehr die nötige Spezialisation auf Masterstufe bieten.
Du hast dann die Uni gewechselt?
Ja. Die logische Konsequenz aus diesen Überlegungen war es, mein Studium an der Universität St. Gallen mit dem Master in Banking and Finance fortzusetzen. Dieser Studiengang zählt laut dem Financial Times Ranking zu den weltweit besten Programmen in Finance und belegt zurzeit den achten Rang. Als sich mir dann gegen Ende des Masters die Gelegenheit bot, im Ausland zu studieren, bin ich für ein halbes Jahr nach Oslo gezogen und habe Kurse an der BI Norwegian Business School belegt.
Neben meinem Studium habe ich weiterhin sehr viel Zeit in den Fussball investiert und diverse Praktika in den Bereichen Controlling und Treuhand absolviert, unter anderem bei der Hilti AG. Als das Masterstudium zu Ende ging, musste ich mich für den nächsten Karriereschritt entscheiden. Viele meiner Kommilitonen zog es ins Investmentbanking oder die Beratung. Für mich gab es jedoch noch eine weitere Option: die Promotion. Dafür ausschlaggebend war sicher das erste Gespräch mit meinem Doktorvater Professor Dr. Marc Arnold, der mich für diesen Weg begeistern konnte.
In welchem Bereich hast du die Dissertation geschrieben?
Meine Dissertation lässt sich grob in den Bereich der Unternehmungsfinanzierung, oder Neudeutsch Corporate Finance, einordnen. Ein in diesem Themengebiet bekanntes Konzept ist die Corporate Governance, also die Regeln, Mechanismen und auch Interessenskonflikte, die bei der Führung eines Unternehmens entstehen. Ein solcher Interessenskonflikt entsteht beispielsweise, wenn Unternehmen sich mittels eines Darlehens Kapital von Banken beschaffen müssen. Die traditionelle Sichtweise ist es, dass die Banken bei Unternehmensentscheidungen, ausserhalb des Konkurses, keinen Einfluss haben. Die Übertragung von Kontrollrechten im Zusammenhang mit Vertragsverletzungen ermöglicht es den Banken allerdings, häufig in Unternehmensentscheidungen einzugreifen, selbst wenn das Unternehmen nicht in Konkurs geraten ist. In meiner Dissertation analysiere ich drei Themengebiete in Zusammenhang mit dieser Einflussnahme durch Banken: den Einfluss auf die Preisgestaltung von Unternehmensdarlehen, M&A und die Nachhaltigkeit in Unternehmen.
An der Universität St. Gallen wurdest du zusammen mit einer zweiten Preisträgerin für die beste Dissertation im Rahmen des ACA-Symposiums des Instituts für Accounting, Controlling und Auditing mit dem Giorgio-Behr-Preis ausgezeichnet worden. Was heisst das?
Das ACA-Symposium hat sich als Flagship-Event des Instituts für Accounting, Controlling und Auditing der Universität St. Gallen etabliert. Es bringt Entscheider, Start-ups und Wissenschaftler zusammen. Durch interaktive Formate ergeben sich neue Einblicke in die Themen, Trends und erfolgreiche Lösungen der finanziellen Führung. Im Rahmen dieses Events werden die jeweils besten Dissertationen an unserem Institut ausgezeichnet. Der Preis wird von Professor Giorgio Behr, einem sehr erfolgreichen Schweizer Unternehmer, gestiftet. Ich freue mich sehr, dass meine Dissertation in diesem Rahmen ausgezeichnet wurde. Ein besonderer Dank geht natürlich an Professor Behr.
Was ist deine wichtigste Erkenntnis aus deiner Zeit als Doktorand?
Ich bin der festen Überzeugung, dass man während eines Doktorats sehr viel über sich selbst lernt, über seine eigene Arbeitsweise und wie diese in einem meist sehr kleinen Team von drei bis vier Personen einen Platz findet. Die enge Zusammenarbeit über mehrere Jahre hinweg an einem gemeinsamen Projekt ist eine spezielle Erfahrung.
Darüber hinaus ist mein Promotionsprojekt auch in die Zeit der Corona-Pandemie – ganz zu Beginn – und ChatGPT – ganz zum Schluss – gefa llen. Beides Ereignisse, die das Schaffen von neuem Wissen in ein ganz besonderes Licht gerückt haben, sei es durch Verschwörungstheorien während der Corona-Pandemie oder die Generierung von «Wissen» auf Knopfdruck durch ChatGPT. Plötzlich wurde Wissenschaft in der Öffentlichkeit ganz anders diskutiert. Meine wichtigste Erkenntnis war es in diesem Zusammenhang wohl, zu verstehen, wie neues Wissen durch Forschung wirklich entsteht und diese wissenschaftliche Methode tagtäglich anzuwenden.
Welches ist deine derzeitige berufliche Tätigkeit und welches sind deine Ziele?
Zurzeit arbeite ich sowohl an der Universität St. Gallen, als auch bei der Kaiser Partner Privatbank AG. Die Kombination aus Wissenschaft, Lehre und Praxis fasziniert mich sehr, weshalb ich nun schon seit knapp zwei Jahren meine Arbeitszeit so aufteile.
An der Universität betreue ich einen Vertiefungskurs und Abschlussarbeiten auf Masterstufe. Dazu kommt dann die Arbeit an meiner eigenen Forschung. Bei der Kaiser Partner Privatbank AG bin ich 2022 als Sustainability Strategist eingestiegen. In dieser Funktion bin ich für alle Themen, die mit Nachhaltigkeit im Bankgeschäft zu tun haben, verantwortlich. Da das Thema gerade in den vergangenen Jahren viel an Bedeutung gewonnen hat und noch praktisch nichts «in Stein gemeisselt» ist, ist die Arbeit auf diesem Gebiet sehr abwechslungsreich und spannend. Mein Ziel ist es, so lange wie möglich diese äusserst spannende Kombination aus Theorie und Praxis aufrechtzuerhalten. Ausserdem sollte neben den beruflichen Zielen auch immer genügend Zeit für meine Partnerin, Familie und Freunde bleiben.
Wenn wir auf gesellschaftspolitische Themen «schwenken», kommt die Frage auf: Welche Themen beschäftigen dich prioritär beziehungsweise welche Herausforderungen bewegen deine Generation am meisten?
Themen wie Klima, Mobilität/Verkehr und Energiewirtschaft interessieren mich natürlich besonders unter meinem beruflichen Gesichtspunkt als Nachhaltigkeitsexperte. Ich glaube aber auch, dass diese Themen gerade in meiner Generation besonders heiss diskutiert werden.
Grundsätzlich interessiert mich auch die Politiklandschaft in Liechtenstein sehr. Insbesondere die Anreize, sich in unserem Land politisch zu engagieren, finde ich sehr spannend. Zu diesem Thema habe ich auch vor drei Jahre für die Stiftung Zukunft.li ein paar Nachforschungen angestellt. Dabei ist mir vor allem aufgefallen, dass diese Anreize im internationalen Vergleich mit anderen Kleinstaaten in Liechtenstein nicht besonders gross sind. Gerade für junge Erwachsene, die beruflich Karriere machen wollen, finde ich es äusserst schwierig, die Übernahme eines politischen Mandates zu rechtfertigen. Die dadurch notwendige Reduktion des Arbeitspensums führt höchstwahrscheinlich sowohl zu einer finanziellen Einbusse als auch zu schlechteren Aufstiegschancen – vorausgesetzt die Reduktion wird vom Arbeitgeber überhaupt erst ermöglicht.
Danke, Nicola, für dieses sehr interessante, vielseitig und inspirierende Gespräch.