Nachfolgend eine kritische Auseinandersetzung mit dem Projekt zur Umnutzung des Altbaus aus den frühen 70er-Jahren für die Liechtensteinische Landesbibliothek. Es erscheint notwendig, sowohl die Herausforderungen der Bausubstanz als auch die Forderungen des Stiftungsrates der Landesbibliothek zu beleuchten.
Text: Markus Sprenger
Herausforderungen der Bausubstanz
Die Entscheidung, ein Gebäude aus den frühen 70er-Jahren, das erhebliche Baumängel aufweist, in eine moderne Bibliothek umzuwandeln, ist mit signifikanten Risiken verbunden. Historische Bauten, insbesondere solche, die nicht für öffentliche Bibliotheken konzipiert wurden, stellen spezifische Herausforderungen in Bezug auf Statik, Energieeffizienz und Raumnutzung dar. Die Anpassung an heutige Standards für öffentliche Einrichtungen – insbesondere hinsichtlich Barrierefreiheit, Brandschutz und technologischer Infrastruktur – erfordert oft umfassende und kostspielige Sanierungsarbeiten.
Ein weiterer Punkt ist die energetische Sanierung. Altbauten aus den 70er-Jahren entsprechen in der Regel nicht den heutigen Anforderungen an Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Die Umnutzung solcher Gebäude zu einer Bibliothek, die den modernen Standards gerecht wird, kann daher mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand verbunden sein, der in den ursprünglichen Kostenschätzungen möglicherweise nicht vollständig berücksichtigt wurde.
Forderungen des Stiftungsrates
Die anspruchsvollen und teils als überrissen wahrgenommenen Forderungen des Stiftungsrates der Liechtensteinischen Landesbibliothek stellen zusätzliche finanzielle Belastungen dar. Die Anforderungen an die Räumlichkeiten einer modernen Bibliothek – von Lesezonen über Veranstaltungsräume bis hin zu digitalen Lernumgebungen – sind vielfältig und komplex. Die Adaptierung eines Altbaus, um diesen modernen Nutzungskonzepten gerecht zu werden, stellt daher eine Herausforderung dar, die möglicherweise unterschätzt wurde. Dies betrifft nicht nur die Baukosten, sondern auch den laufenden Betrieb und die Instandhaltung des Gebäudes.
Finanzielle Überlegungen
Die ursprüngliche Genehmigung eines kostenindexierten Verpflichtungskredits in Höhe von 22 Millionen Franken (per heute mehr als 26 Millionen Franken), eines Nachtragskredites von 1,85 Millionen Franken im vergangenen Herbst für «Nachhaltigkeit und Ökologie» sowie «Aussenraumgestaltung und Biodiversität» und nun nochmals ein überraschender Ergänzungskredit von knapp 5,5 Millionen für die Umgestaltung eines Altbaus aus den 1970er-Jahren für die Landesbibliothek
sind bemerkenswert, insbesondere für ein Land mit einer Bevölkerung von rund 40‘000 Menschen.
Diese Summe erscheint umso gewaltiger, wenn man sie mit ähnlichen Projekten in den umliegenden deutschsprachigen Ländern vergleicht. In der Schweiz, Österreich und Deutschland orientieren sich die Ausgaben für derartige kulturelle Infrastrukturen typischerweise an der Grösse der Nutzerbasis und der Einwohnerzahl, was Fragen hinsichtlich der Proportionalität und der finanziellen Nachhaltigkeit solcher Grossprojekte in Liechtenstein aufwirft. Dies umso mehr, als die bestehenden Räumlichkeiten laufend modernisiert und gepflegt wurden.
Kundenschwund
Die Landesbibliothek erhofft sich mit dem Umzug ins Städtle mehr Publikumsverkehr, und der Gemeinde Vaduz wurde dies als weitere Belebung des Städtles verkauft, worin auch deren Beitrag der begründet ist. Für die Regierung wird mit dem Neubau des Dienstleistungsgebäudes für die Landesverwaltung und dem Auszug einiger Verwaltungseinheiten eine optimale Lösung und ein Grund gefunden, dem alten, abgeschriebenen Objekt neues Leben einzuhauchen. Die Frage ist aber, zu was für einem Aufwand respektive Preis ein reiner 70er-Jahre-Funktionsbau dazu herhalten soll. Es muss gestattet sein, die Frage zu stellen, ob anstatt einer komplett fremden Umnutzung eher ein geordneter Rückbau zu veranlassen und die Fläche neu und massvoll zu planen und bebauen wäre.
Projektmanagement und Fachkompetenz
Die Notwendigkeit zusätzlicher Nachtragskredite aufgrund einer unzureichenden Machbarkeitsstudie und die vorangegangenen Fehlkalkulationen bei anderen grossen Bauprojekten wie dem Landesspital werfen ernsthafte Fragen bezüglich der Projekt-, Finanz- und Fachkompetenz der verantwortlichen Behörden und Ämter auf.
Die wiederholten finanziellen Nachforderungen und Planungsanpassungen deuten auf eine mangelnde Voraussicht und eine unzureichende Bewertung von Risiken hin, die für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von Liechtenstein kostspielige Folgen haben.
Vergleich mit umliegenden Ländern
Im Vergleich zu Liechtenstein nehmen die umliegenden Länder Schweiz, Österreich und Deutschland in der Regel detaillierte Vorstudien und verlässliche Testplanungen vor, bevor sie sich für die Realisierung eines solchen Projekts entscheiden. Diese Vorstudien beinhalten oft eine umfassende Bewertung der Bausubstanz, eine Analyse der Nutzungsanforderungen und eine sorgfältige Kostenschätzung. Darüber hinaus werden Alternativen, wie der Neubau anstelle der Sanierung eines Altbaus bzw. ein Rückbau gründlich geprüft. Diese Praxis führt zu einer transparenten und fundierten Entscheidungsfindung, die das Risiko von Kostenüberschreitungen und nachträglichen Anpassungen minimiert.
Fazit
Die Entscheidung, ein aus den 70er-Jahren stammendes Verwaltungsgebäude in Vaduz in eine zeitgemässe Bibliothek umzuwandeln, ist zweifellos ambitioniert. Doch die Herausforderungen der Bausubstanz, die umfangreichen Anforderungen des Stiftungsrates und die damit verbundenen Kostenrisiken erfordern eine sorgfältige Überprüfung inklusive verlässlicher Vorabexpertisen. Dass die hiesige Landes-Bauadministration mit qualifizierten Fachexperten besetzt ist, sollte selbstverständlich sein. Die Praxis der umliegenden Länder zeigt, dass detaillierte Vorstudien und eine verlässliche Testplanungen wesentliche Instrumente sind, um die Machbarkeit solcher Projekte vorab realistisch einzuschätzen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Solche Ansätze könnten auch in Liechtenstein dazu beitragen, die Effizienz und Nachhaltigkeit öffentlicher Investitionen zu verbessern und die kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung auf verantwortungsvolle Weise zu erfüllen.