Regierungschef Daniel Risch hat in der Debatte um die Direktwahl der Regierung durch das Volk betont, dass eine Änderung des Systems keinen Mehrwert brächte und dass ein funktionierendes System nicht ohne Zwang für ein Experiment geopfert werden soll. Entsprechend froh ist er über das klare Votum des Volks. Möglichkeiten, die Volksrechte zu stärken, sieht er in anderen Bereichen.
Interview: Heribert Beck
Herr Regierungschef, Sie haben sich im Vorfeld der Abstimmung vom 25. Februar stets klar gegen «Experimente» mit der Verfassung ausgesprochen. Zumindest in Sachen Wahl der Regierung bleiben solche Versuche tatsächlich aus. Wie haben Sie das deutliche Votum des Volks aufgenommen?
Regierungschef Daniel Risch: Ich bin grundsätzlich immer froh, wenn wir eine hohe Stimmbeteiligung und klare Ergebnisse haben. Das klare Ergebnis dürfte die Diskussion um die Direktwahl der Regierung für einige Jahre beenden. Für mich ist es aber weniger ein Nein zu mehr Volksrechten als ein klares Ja zum bestehenden politischen System und für Stabilität in unsicheren Zeiten. Bei der Stimmbeteiligung hätte ich mir einen noch etwas höheren Wert gewünscht, und es wird sicher auch die Aufgabe der Politik sein, die Menschen noch besser zu erreichen damit dieser Wert wieder über 70 Prozent ansteigt.
Die Gegner des Vorstosses, darunter die Regierung, hätten «Angst und Unsicherheit» geschürt, lautete der Vorwurf der Initianten von der DpL in einer ersten Analyse nach der Wahlniederlage. Ausserdem sei «das Volk nicht reif» für die Neuerung. Was entgegnen Sie dem?
Ich bin überzeugt, dass die Stimmbevölkerung weniger aus Angst als vielmehr aufgrund des zu wenig ersichtlichen Mehrwerts nicht für die Initiative gestimmt hat. Dass die direktdemokratischen Rechte gestärkt worden wären, steht ausser Frage. Die zentrale Frage wäre aber gewesen: Wie und weshalb funktioniert Liechtensteins politisches System nach Annahme der Initiative besser? Und diese Frage ist bis heute unbeantwortet. Die Aussage, dass das Volk nicht reif genug sei, ist meines Erachtens von einer Partei, die selbst das Wort «Demokraten» im Namen trägt und die Volkswahl einführen wollte, zweifach merkwürdig. Just dem Volk, dem man nach eigenen Angaben mehr Rechte geben wollte, spricht man die Reife ab. Und zweitens scheint man nur schwerlich mit einem demokratischen Entscheid umgehen zu können. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.
Gewisse Kritik wurde auch laut hinsichtlich des Zeitpunkts, an dem Sie und die beiden VU-Regierungsrätinnen den Rückzug aus der Politik verkündet haben – sechs Tage vor dem Abstimmungssonntag. Warum haben Sie diesen Zeitpunkt genau so gewählt?
Ob es denn einen richtigen Zeitpunkt gibt, wage ich zu bezweifeln. Hätte es keine Abstimmung zur Direktwahl gegeben, hätten wir sicher auch ein Jahr vor den Wahlen kommuniziert, damit die Partei Klarheit hat und die Vorbereitungen starten kann. Nun hatten wir aber diese Abstimmung, und wir wollten nicht zu früh und auch nicht nach der Abstimmung kommunizieren. In der Regel sind die Meinungen in den Tagen vor der Abstimmung bereits gemacht und viele Stimmen bereits abgegeben. Beim klaren Resultat von 68 Prozent erübrigt sich wohl aber auch die Diskussion, ob eine frühere Kommunikation einen relevanten Einfluss auf das Ergebnis gehabt hätte – und damit auch über den Zeitpunkt.
Sie selbst haben auch immer wieder betont, dass Sie hinter einer Stärkung der Volksrechte stehen, wenn sie die Stabilität des Staates nicht schwächt, sein funktionieren nicht einschränkt. Wo könnten Sie sich entsprechende Anpassungen vorstellen? Oder gibt es überhaupt keinen wirklichen Handlungsbedarf?
Einen akuten Handlungsbedarf sehe ich in der Tat nicht. Ich kann aber gewissen Diskussionen um die Stärkung der Landtagsarbeit und der Repräsentativität durchaus etwas abgewinnen. Dazu würden für mich die Erhöhung der Anzahl der Mandate auf 35 bei gleichzeitiger Abschaffung der Stellvertreter-Funktionen, die Zusammenlegung der Wahlkreise oder auch eine Senkung der Sperrklausel zählen. Aber das sind Ansätze, die einer breiten Diskussion und letztlich einer Mehrheit im Volk bedürfen. Ich persönlich hätte ein mehr an Demokratie auch in der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre und im Wahlrecht für Auslandsliechtensteiner gesehen. Aber es ist zentraler Bestandteil einer demokratischen Ordnung, dass man Mehrheitsentscheide akzeptiert.