Schaffa, schaffa, Hüsle baua… Und wenn’s trotz «schaffa» Ende Monat nicht einmal für den Lebensunterhalt reicht?
Liechtenstein gehört zweifelsohne zu den reichsten Ländern der Welt und rangiert in der Einkommenshierarchie weit oben. Laut dem statistischen Jahrbuch von 2023 betrug der durchschnittliche monatliche Bruttolohn im Jahr 2020 insgesamt CHF 6852. Trotz dieser imposanten Zahl wäre es jedoch ein Irrtum zu glauben, dass die Einkommen gleichmässig verteilt sind. Auch in Liechtenstein sind wir mit dem Phänomen der immer grösser werdenden Kluft zwischen den tiefsten und höchsten Einkommen konfrontiert.
«Working poor» beschreibt die Problematik, dass Menschen trotz Vollzeitarbeitstätigkeit kaum in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt angemessen zu bestreiten. Diese Situation kann dazu führen, dass Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, weil sie durch diesen Umstand, permanent in einer finanziell angespannten Situation zu leben, einen Verlust an Lebensqualität erleiden, da kaum mehr Zeit und Energie übrig bleibt, sich der Familie und anderen sinnstiftenden Tätigkeiten zu widmen.
Der Staat greift zwar mit verschiedenen Unterstützungsmassnahmen wie Ergänzungsleistungen, Prämienverbilligungen oder einer Energiepauschale ein und unterstützt diejenigen, die aus eigener Erwerbskraft ihre Lebenskosten nicht decken können. Dies ist zweifellost wichtig und notwendig, es adressiert aber das Problem nicht grundlegend.
Angesichts des aktuellen Armutsberichts, der aufzeigt, dass 14,1% der Bevölkerung armutsgefährdet sind, muss das Problem ernst genommen und angegangen werden. Im Jahr 2020 verdienten in Liechtenstein 4.8% der Vollzeitarbeitenden zwischen 3001 und 4000 Franken. Viele von ihnen verfügen sogar über eine abgeschlossene Berufslehre.
Es muss im Interesse eines Staates liegen, Massnahmen zu ergreifen, um der sich zunehmend öffnenden Schere entgegenzuwirken. Denn wenn die Kluft zwischen einkommensschwach und wohlhabend weiter wächst, hat dies negative Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Es ist die Verantwortung der Politik, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie im Sinne einer gerechten und friedlichen Gesellschaft diese Kluft nicht weiter vertieft. Deshalb initiiert die Freie Liste in der kommenden Landtagssitzung für die Aktuelle Stunde eine Diskussion darüber, welche Massnahmen ergriffen werden sollen, um dem Phänomen von «working poor» entgegenzuwirken. Ob die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Betracht gezogen werden soll oder welche anderen Möglichkeiten die Politik sieht, wird die Diskussion zeigen. Sichergestellt werden muss, dass niemand zurückgelassen wird, ganz im Sinne des Mottos der UN-Nachhaltigkeitsagenda: «Leave no one behind».
Fraktion der Freien Liste