Der Landtag beschloss am 26. August 1898 die Einführung der Kronenwährung. Verbunden damit war die Umstellung vom Silber- auf den Goldstandard, wie von Österreich bereits früher eingeführt. Schon im Jahr 1876 wollte Liechtenstein diese Umstellung vornehmen, doch eine Demonstration von erbosten Unterländern vor dem Regierungsgebäude in Vaduz verhinderte die Einführung des Münzgesetzes.
Text: Günther Meier
Das Gesetz über die «Einführung der Kronenwährung», das vom Landtag im Jahr 1898 beschlossen wurde, warf keine hohen Wellen im Land. Der Bericht über die Landtagssitzung im Liechtensteiner Volksblatt fiel entsprechend kurz aus: Nachdem Österreich von der Silberwährung zur Goldwährung übergegangen sei, mache es Sinn, den gleichen Schritt zu vollziehen. Neue Rechnungseinheit bilde künftig die Krone. Das Münzgesetz erlaubte Liechtenstein auch die Ausgabe von Gold- und Silbermünzen. Wie Landtagspräsident Albert Schädler im Historischen Jahrbuch schreibt, seien schon kurz nach der Landtagssitzung 1500 Zwanzig-Kronenstücke in Gold in Umlauf gekommen, denen goldene Zehn-Kronenstücke sowie Silbermünzen folgten. Die Münzen trugen auf der Vorderseite das Bildnis des Fürsten Johann II. und der Rückseite das fürstliche Wappen mit der Wertbezeichnung. Im Rand war in vertiefter Schrift der Wahlspruch «klar und fest» eingeprägt. Hergestellt wurden die Münzen im sogenannten Münzamt in Wien, das die gleichen Mischverhältnisse wie für ähnliche Gold- und Silberstücke in Österreich verwendete. Für die Staatskasse lohnte sich die Herausgabe der Münzen, wie Heinz Batliner in einer Abhandlung über das Geldwesen schreibt: Rund eine halbe Million Kronen! Diese ausserordentlichen Einnahmen konnten gut gebraucht werden, weil in jener Zeit Sicherungsbauten am Rhein gegen die lauernde Überschwemmungsgefahr erstellt werden mussten.
Unterländer opponierten gegen die Goldwährung
Bedeutend mehr Aufruhr im Land verursachte zwei Jahrzehnte vorher ein ähnliches Gesetz. Die Regierung hatte dem Landtag einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der den Übergang auf die Goldwährung vorsah: Alle Zahlungen in Liechtenstein sollten vom 1. Januar 1877 an in Gold oder zum entsprechenden Goldwert in Silber geleistet werden. Ausserdem enthielt der Gesetzesentwurf die Vorschrift, dass die Regierung jeden Monat den Wert der sich in Umlauf befindlichen Silbermünzen festzulegen habe – gemäss dem Kurs an der Wiener Börse. Die sogenannte Münzreform stiess jedoch nicht überall auf Gegenliebe, sondern teilweise auf heftige Ablehnung.
Der Landtag hatte sich schon 1874 und 1875 mit der Münzreform beschäftigt, weil der Wert des Silbers auf dem Weltmarkt stark gesunken war. In der Folge sank auch der Wert des österreichischen Silberguldens – in Liechtenstein die offizielle Währung. Aus dieser Situation resultierten Gewinner und Verlierer. Wer anderen einen Kredit gab oder wer einen fixen Lohn erhielt, verlor durch die Kursverluste. Auf der anderen Seite profitierten jene, die Schulden hatten, weil ihre Schulden geringer wurden. Man ging davon aus, dass der Silbergulden bis 1876 knapp 10 Prozent seines Wertes verloren hatte. Der Landtag machte sich Sorgen über diese Geldentwertung, richtete ein Schreiben an den Fürsten und forderte die Regierung zum Handeln auf: Handeln bedeutete laut Landtag, per Gesetz die Goldwährung einzuführen. Die Regierung arbeitete in der Folge einen entsprechenden Gesetzesentwurf aus, der im Landtag am 15. Dezember 1876 beraten wurde. Bei dieser Beratung kamen die Gegensätze zwischen Oberland und Unterland deutlich zum Ausdruck. Schon vor der Beratung hatten alle Gemeinden des Unterlandes gegen den Wechsel auf die Goldwährung opponiert und in Petitionen den Landtag um die Beibehaltung des Münzsystems ersucht.
Demonstration von Unterländern vor dem Regierungsgebäude
Aus den unterschiedlichen Auffassungen resultierte eine Staatskrise, nachdem der Landtag das Münzgesetz am 23. Dezember 1876 beschlossen hatte. Den Auftakt machten die vier Abgeordneten aus dem Unterland, die zu dieser Sitzung gar nicht erschienen waren. Ihre Begründung lautete, als Minderheit könnten sie das Gesetz ohnehin nicht verhindern. Weil nach ihrer Einschätzung die Stimmung im Volk, nicht nur im Unterland, gegen die Einführung der Goldwährung war, legten Martin Oehri, Johann Georg Matt, Michael Kaiser und Sebastian Heeb ihre Mandate nieder. Der restliche Landtag hingegen weigerte sich, die vier Abgeordneten aus ihrer Pflicht zu entlassen und stellte sich auf den Standpunkt, die Gründe für die Niederlegung der Mandate seien nicht stichhaltig. Nun war Feuer im Dach, auf die Auseinandersetzung im Landtag folgte eine Demonstration – und anschliessend gab es Neuwahlen.
Mit einem derart grossen Widerstand aus dem Unterland hatte der Landtag nicht gerechnet. Nachdem das vom Landtag beschlossene Gesetz über die Goldwährung publiziert worden war, erhöhte sich die Spannung. Landtagspräsident Albert Schädler schreibt in seiner Rückschau über die Tätigkeit des Landtags, der Silber-Kurswert sei schon seit Jahren gesunken und gleichzeitig sei der Zwang gesetzlich verankert worden, alle Verbindlichkeiten in Gold und ohne Abzug zu bezahlen. Im Volk habe sich deshalb die Meinung durchgesetzt: «Der Kapitalist gewinnt, der Schuldner verliert durch das neue Münzgesetz.» Am 13. Januar 1877, gerade an jenem Tag, an dem der Landtag seine Schlusssitzung abgehalten habe, seien über 300 Unterländer nach Vaduz marschiert und hätten sich vor dem Regierungsgebäude aufgestellt. Eine Delegation verlangte ein Gespräch mit dem Regierungschef, Landesverweser Carl von Hausen, sowie die Aufhebung des Münzgesetzes – zudem die Auflösung des nach Unterländer Auffassung unfähigen Landtags. Sollte den Wünschen nicht entsprochen werden, drohten die Unterländer, sich Österreich anzuschliessen. Mit einer Petition wollten sie sich an den Fürsten wenden, damit er das Unterland vom Oberland abtrenne und mit Vorarlberg vereinige.
Den Unterländern wurde von der Regierung versprochen, beim Fürsten in Wien vorstellig zu werden. Der Einsatz der Unterländer gegen das Münzgesetz und die Demonstration vor dem Regierungsgebäude zeigte Wirkung. Schon fünf Tage später verfügte Fürst Johann II. die Auflösung des Landtags und Neuwahlen. Ebenso ordnete der Fürst an, das umstrittene Münzgesetz vorerst nicht anzuwenden. Doch blieb es nicht bei diesem Provisorium. «Das verunglückte Gesetz kam nicht wieder zur Beratung», schreibt Landtagspräsident Schädler, «sondern blieb verschollen.»
Die Unterländer erstritten die Einführung von zwei Wahlkreisen
Die Neuwahlen des Landtags, damals noch unter Einbezug von Wahlmännern aus jeder Gemeinde, wurden auf April 1877 anberaumt. Für das grössere Oberland waren 100 Wahlmänner vorgesehen, 60 für das kleinere Unterland. Zu wählen waren 12 der 15 Abgeordneten, weil damals der Fürst noch drei Abgeordnete selbst auswählen konnte. Nach der Demonstration gegen das Münzgesetz hatten sich Unstimmigkeiten zwischen Oberland und Unterland ergeben, die auch Einfluss auf die Landtagswahlen ausübten. Die Oberländer Wahlmänner wählten in einem ersten Wahlgang nur Oberländer Abgeordnete, worauf die Unterländer aus Protest nicht mehr zum zweiten Wahlgang antraten. Der Boykott zeigte Wirkung, weil für eine gültige Wahl mindestens zwei Drittel der Wahlmänner anwesend sein mussten. Die Unterländer forderten eine Verfassungsänderung, um das Land in zwei Wahlkreise aufzuteilen. Eine Verfassungsänderung war aber nicht möglich, weil kein Landtag gewählt war. Nach zähen Verhandlungen, die vom Frühjahr bis zum Herbst dauerten, einigte man sich schliesslich: Die Unterländer stimmten zu, die unterbrochenen Wahlen zu Ende zu führen, allerdings mit der Auflage, dass der neue Landtag nur die verlangte Verfassungsänderung beschliessen dürfe. Im Oktober 1877 wurde die Wahl zu Ende geführt – und der Landtag sofort wieder aufgelöst, nachdem er die Einführung von zwei Wahlkreisen beschlossen hatte. Die nächsten ordentlichen Wahlen, mit den heute noch bestehenden Wahlkreisen Unterland und Oberland, wurde im Frühjahr 1878 abgehalten.