Bei der Anpassung des Finanzausgleichs haben Landtag und Regierung die Zielsetzung ins Zentrum gestellt, die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle Gemeinden Liechtensteins ihrer Bevölkerung denselben Gemeindesteuersatz anbieten können. Die Gemeinde Ruggell überrascht mit einem innovativen Vorschlag, die Thematik der Steuergerechtigkeit von In- und Ausländern anzugehen. Vorsteher Christian präsentiert im Interview die Lösungsidee.
Interview: Johannes Kaiser
Bereits im Vorfeld der Gemeindewahlen war der Steuerzuschlag bei den Gemeinden mit deutlich höherem Satz – es sind dies Balzers, Eschen, Mauren und Ruggell – ein vieldiskutiertes Thema. Sie nahmen sich diesem wenige Wochen nach Amtsantritt an und präsentierten dem Gemeinderat eine sehr interessante Strategie zur Senkung des Gemeindesteuerzuschlags – dies trotz zahlreicher nicht unbedeutender Investitionen in den nächsten Jahren.
Christian Öhri: Aufgrund der laufenden Investitionen in unsere Infrastruktur war von Anfang an klar, dass eine abrupte Steuersenkung von 175 auf 150 Prozent nicht drin liegt. Es ist aus heutiger Sicht jedoch absehbar, dass sich die Situation mit Blick auf die längerfristig ausgelegte Finanzplanung entspannen wird. Aus diesen Gründen habe ich mir über den Sommer überlegt, ob eine Senkung des Gemeindesteuerzuschlags in mehreren Schritten möglich ist. Es ist ein neuer Weg, aber ich war von Anfang an überzeugt, dass uns dieser Weg als Gemeinde für die nächsten Jahre die bestmögliche Planungssicherheit gibt. Wenn wir den Gemeindesteuerzuschlag jedes Jahr um 5 Prozent senken und gleichzeitig die hohen Investitionskosten zurückgehen, ist dieser Weg tragbar und vorausschauend. Auf der anderen Seite besteht der nachvollziehbare Anspruch der Bevölkerung, dass die Steuern auch bei uns gesenkt werden. Dafür steht die Anpassung des Finanzausgleichs, damit es künftig in allen Gemeinden einen Gemeindesteuerzuschlag von 150 Prozent geben soll und dieser Standortvorteil anderer Gemeinden wegfällt.
Was für Investitionsprojekte stehen für Ruggell in der Finanzplanung an?
In den beiden vergangenen Jahren fielen gleich mehrere grosse Investitionsprojekte zusammen: Die Rheinstrasse und Landstrasse wurden saniert, und der neue Industriezubringer wurde mit einem Kreisel verwirklicht. Jetzt könnte man meinen, dass das Land dafür zuständig ist. Dem ist nicht ganz so: Die Gemeinde ist verantwortlich für das, was unter die Strasse kommt, also die Werkleitungen, und für die Beleuchtung. Beim Kreisel wurde ein komplett neuer Strassenabschnitt gebaut. Es sind ganz wichtige Projekte, die in guter Zusammenarbeit mit dem Land realisiert werden konnten. Die grösste finanzielle Mit-Belastung ist aber die Vollendung der neuen Abwasserpumpleitung, die gemäss Verordnung der Regierung spätestens in vier Jahren vom neuen Pumpwerk beim Freizeitpark Widau über die Giessenstrasse, Rheinstrasse und Landstrasse bis nach Bendern zur ARA führen muss. Die jetzige Leitung liegt im Kanaldamm und geht durch die Wasserschutzzone, wo unser Trinkwasser aus dem Grundwasser gepumpt wird. Ich denke, wir sind alle froh, wenn diese Leitung im Kanaldamm ausser Betrieb genommen wird.
Das Thema eines einheitlichen Gemeindesteuersatzes hat auch mit der Beseitigung der Inländerdiskriminierung zu tun. Die Einwohnerinnen und Einwohner in Ruggell bezahlen um 25 Prozentpunkte höhere Gemeindesteuern als EWR-Angestellte im öffentlichen Dienst. Sie nehmen mit dem Gemeinderat Ruggell nun eine schrittweise Senkung des Gemeindesteuerzuschlages vor.
Anstelle einer abrupten Senkung des Gemeindesteuerzuschlages von 175 auf 150 Prozent wollen wir eine lineare und damit gut planbare Steuersenkung in fünf Schritten vornehmen. Gegenüber einem einmaligen grossen Senkungsschritt bleiben unserer Gemeinde mit dieser Variante Mehreinnahmen von 1,7 Millionen Franken erhalten, die vor allem – wie bereits erwähnt – in den nächsten zwei Jahre für die Realisierung der Abwasserpumpleitung benötigt werden. Im Gemeinderat wurde sehr konstruktiv diskutiert, und er hat dieser Variante schliesslich mit grosser Mehrheit zugestimmt.
Was bedeutet dies konkret für die Bevölkerung und die Gemeinde?
Mit einer Senkung des Gemeindesteuerzuschlags in fünf Schritten, also 5 Prozent pro Jahr, verfügt die Gemeinde nach heutiger Berechnung über rund 170‘000 Franken weniger pro Senkungseinheit. Ist der Mindeststeuersatz von 150 Prozent nach fünf Schritten erreicht, bedeutet dies Mindereinnahmen im Umfang von 860‘000 Franken. Ab dem nächsten Jahr erhält die Gemeinde Ruggell aufgrund der Anpassung des Finanzausgleichs jedoch jährliche Mehreinnahmen von schätzungsweise rund 1,2 Millionen Franken. Stellt man diese zwei Zahlen gegenüber, dann kann man erkennen, dass die Gemeinde trotz Steuersenkung zirka 340‘000 Franken mehr einnehmen wird. Ruggell erhält seit über zehn Jahren jeweils ungefähr denselben Betrag aus Steuern und Finanzausgleich zusammen, obwohl die Gemeinde sehr stark gewachsen ist. Es ist die erste adäquate Anpassung, die uns gleichzeitig erlaubt, den Gemeindesteuerzuschlag an jenen der meisten anderen Gemeinden anzupassen. Die Einwohnerinnen und Einwohner haben einen klaren Horizont und können sich fünfmal hintereinander auf eine Steuersenkung freuen.
Ist der modifizierte Finanzausgleich wirklich gerecht und zielgerichtet ausgestaltet? Kann die Gemeinde Ruggell beispielsweise beim Wachstum der eigenen Wirtschaftsansiedlung auch die eigene Kasse füllen?
Es ist die erste Finanzausgleichsanpassung nach vielen Jahren, die uns neue Möglichkeiten gibt. Wir werden noch länger vom Finanzausgleich abhängig sein, obwohl es in Ruggell schon fast 2000 Arbeitsplätze gibt. Wir haben einen hervorragenden Wirtschaftsstandort, der sehr gute Rahmenbedingungen für Gewerbe und Industrie sowie einen unmittelbaren Autobahnanschluss bietet. Wir setzen uns im Weiteren für optimierte Verbindungen im öffentlichen Verkehr sowie Langsamverkehr ein. So wollen wir vor allem auch die Verbindung zum S-Bahnhof in Salez und nach Feldkirch weiter ausbauen und attraktiver gestalten. Dafür braucht es jetzt auch die neue Langsamverkehrsbrücke über den Rhein für grundlegend mehr Sicherheit und Attraktivität, die wir gemeinsam mit unseren Nachbarn in bester Zusammenarbeit planen. Wir sind also auf sehr gutem Weg, unseren Wirtschaftsstandort in Verbindung mit der Mobilität – und zwar beste Rahmenbedingungen für den ÖV und Langsamverkehr – zusammen auch mit der Nachbarschaft über die Gemeindegrenzen hinweg zu optimieren und attraktiv zu gestalten.