Sowohl als Aussen- als auch als Bildungsministerin hat Dominique Hasler eine breite Palette an Aufgaben zu erledigen. Der Europaratsvorsitz wirft seine Schatten voraus, in der UNO hat sich Liechtenstein erst kürzlich wieder aktiv eingebracht und im Bildungswesen steht eine Vielzahl an Themen auf der politischen Agenda. Daneben beschäftigt sie als Sportministerin die Weiterentwicklung der liechtensteinischen Sportlandschaft. Im Interview gibt sie einen Einblick in ihre derzeitige Arbeit.
Interview: Heribert Beck
Frau Regierungsrätin, kürzlich haben Sie an der UNO-Generaldebatte unter anderem über die wachsende Bedeutung der Kleinstaaten gesprochen. Was lässt deren Bedeutung wachsen? Welche Konsequenzen hat dies für Liechtensteins Politik und seine Bevölkerung?
Regierungsrätin Dominique Hasler: Der Sicherheitsrat ist seit Jahren durch den Einsatz des Veto-Rechs gelähmt. Die UNO ist die wichtigste Friedensorganisation der Welt, und deshalb ist gerade auch für uns als Kleinstaat eine funktionierende UNO von zentraler Bedeutung. Wir setzen uns daher aktiv für eine effizientere und effektivere Ausgestaltung der UNO ein. Vergangenes Jahr konnten wir mit der Veto-Initiative diesbezüglich auch einen international ankerkannten Erfolg verzeichnen. Nunmehr kommt die Generalversammlung automatisch dann zusammen, wenn der Sicherheitsrat durch ein Veto blockiert ist. In dieser Versammlung soll dann die Entscheidung zum Veto erläutert und zur Debatte gestellt werden. Kleinere Staaten stellen die Mehrheit der Mitgliedstaaten in der Generalversammlung, weshalb diesen auch eine wachsende Rolle zukommt. Liechtenstein hat somit die Möglichkeit, sich zu drängenden Fragen unserer Zeit, bei denen der Sicherheitsrat nicht im Stande ist zu handeln, zu äussern. Dies, auch wenn wir kein Mitglied im Sicherheitsrat sind.
Sie haben in New York auch die Aussenministerinnen in die Residenz der Liechtensteiner Botschaft eingeladen. Was ist der Hintergrund dieses schon traditionellen Treffens?
Dieses Treffen gibt es bereits seit Jahren, es erfreut sich jedoch in der jüngsten Vergangenheit wachsender Beliebtheit. Das mag einerseits daran liegen, dass es sich hierbei um eines der wenigen Treffen handelt, an welchem ein völlig informeller Austausch zwischen den Aussenministerinnen stattfinden kann, andererseits hat dieses Format die Basis gebildet für abgestimmte politische Positionen und gemeinsame Initiativen.
Mit der eingangs angesprochenen Bedeutung geht Verantwortung einher. Diese trägt Liechtenstein ab November für ein halbes Jahr mit dem Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates. Was bringt diese Rolle mit sich und welche Aufgaben kommen auf Liechtenstein zu?
Liechtenstein hat durch den Vorsitz die Möglichkeit, einen sichtbaren Beitrag zur Gestaltung unserer europäischen Wertegemeinschaft zu leisten. Traditionell setzen wir uns für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ein, was auch die Werte des Europarates sind. Daher können wir in diesen Bereichen authentisch als Vorsitz auftreten und dadurch unser langjähriges Engagement in diesem Bereich verstärkt hervorheben. Während des Vorsitzes beziehen wir auch die breite Bevölkerung sowie die Schülerinnen und Schüler durch verschieden Angebote und Veranstaltungen im Inland mit ein. Die Vorsitzrolle bringt eine grosse Verantwortung mit sich. Der Europarat hat 46 Mitgliedsstaaten und umfasst zirka 700 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Der Vorsitz bedeutet, dass Liechtenstein den Europarat in internationalen Angelegenheiten und in Beziehungen zu anderen Organisationen oder Staaten vertritt.
Wie kann ein Kleinstaat diesen Aufwand bewältigen?
Der Aufwand ist bereits vor der effektiven Übernahme des Vorsitzes deutlich angestiegen. Daher wurde vom Landtag auch eine temporäre Aufstockung der personellen Ressourcen für diesen Vorsitz genehmigt. Wir können aber auch auf die Unterstützung des Sekretariats des Europarates zählen und natürlich auf unser bisheriges Team.
Was versprechen beziehungsweise erhoffen Sie sich vom Liechtensteiner Europaratsvorsitz?
Neben der Visibilität und Anerkennung von Liechtensteins langjährigem Engagement für die Menschenrechte, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Ausland erhoffe ich mir auch mehr Bewusstsein für den Europarat und seine Bedeutung im Inland. Denn von der Förderung dieser Rechte und dem damit letztlich verbundenen höheren Schutz profitieren alle, die in einer demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft leben wollen.
International ist auch Liechtensteins Bildungswesen aufgrund der Schutzsuchenden aus der Ukraine, die sich im Land aufhalten. Wie läuft die Integration der schulpflichtigen Kinder inzwischen ab und wie haben sich die bisherigen Massnahmen bewährt?
Als der Krieg gegen die Ukraine ausgebrochen ist, haben wir sofort reagiert und mit dem sogenannten Lernhub ein neues Konzept zur besseren Integration der schutzsuchenden Schülerinnen und Schüler in Liechtensteins Schulbetrieb geschaffen. Es ist uns wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen trotz teilweise traumatischer Erfahrungen in unserem Land einen möglichst «normalen» Schulalltag erleben können. Nach einer gewissen Zeit werden sie vom Lernhub in eine Regelklasse integriert, in der sie weiterhin Unterstützung erhalten. Dazu ist zu betonen, mit welchem Engagement die Schulen und die verantwortlichen Personen vor Ort alles tun, damit diese Kinder und Jugendlichen einen geregelten Schulalltag haben. Ich bin sehr dankbar, dass wir auch in dieser herausfordernden Situation unserer humanitären Tradition nachkommen.
Keine Bildung ohne Lehrer. Doch Lehrermangel ist ein Schlagwort, das im Ausland, auch im nahen Ausland, immer wieder zu hören ist. Wie ist Liechtenstein diesbezüglich aufgestellt?
In Liechtenstein können wir bisher alle offenen Stellen für Lehrpersonen mit qualifiziertem Personal besetzt werden. Es gibt also im Moment keinen Mangel an Lehrpersonen in Liechtenstein. Wir mussten auch noch nicht auf Quereinsteiger oder andere Alternativen zurückgreifen. Dennoch analysieren wir die Situation fortlaufend, da in der Vergangenheit auf Ausschreibungen deutlich mehr Bewerbungen eingegangen sind, als es heute der Fall ist.
Als ehemalige Lehrerin kennen Sie die Bedürfnisse des Lehrpersonals sicherlich noch bestens. Wie sorgt die Regierung dafür, dass in Liechtenstein auch künftig kein akuter Lehrermangel eintritt?
Dafür haben wir einen Strauss an Massnahmen. So arbeiten wir permanent an den Rahmenbedingungen für unser Lehrpersonal, damit die Attraktivität des Berufs erhalten und noch gestärkt wird. Dazu gehört auch die Überarbeitung des Lehrerdienstgesetzes, die wir nächstes Jahr dem Landtag zur Behandlung unterbreiten. Zudem haben wir unter anderem eine Machergruppe «Attraktivität Lehrberuf» ins Leben gerufen, die aus Vertretern des Lehrpersonals und des Schulamtes besteht. Das sind also die Personen, die direkt betroffen sind. Deren Kernaufgabe liegt in der Analyse des Ist-Zustandes in Liechtenstein, der Sammlung, Gegenüberstellung und Analyse verschiedenster Massnahmen anderer Länder beim Thema Lehrpersonenmangel sowie der Ausarbeitung eines Strategiepapiers zu Handen der Regierung. Dieses Strategiepapier soll uns Wege aufzeigen, wie die Attraktivität des Lehrberufs in allen Bereichen verbessert werden kann. Sie sehen also, dass wir das Problem in einem partizipativen Prozess mit den Betroffenen angehen und nicht einfach Massnahmen von oben herab verordnen wollen.
Was steht im Bildungswesen sonst derzeit auf Ihrer politischen Agenda?
Wie lang darf das Interview sein? (lacht) Es ist tatsächlich eine Menge. Die Themen reichen vom Kindergarten bis in den Hochschul- und den Berufsbildungsbereich. Wir arbeiten beispielsweise intensiv an der Umsetzung der Massnahmen, die wir uns im Rahmen der Bildungsstrategie 2025plus gegeben haben. Dazu werden wir weiterhin gemeinsam mit allen Beteiligten in unserer Bildungslandschaft die auferlegten Massnahmen planen, umsetzen und koordinieren.
Zum Schluss noch ein paar Worte zum Sport: Die geplante Kletterhalle im Mühleholz war mehrfach in den Medien. Was tut sich derzeit in Sachen Sportstätten und Sportinfrastruktur im Allgemeinen sonst noch?
Das Infrastrukturprojekt Steg, auch bekannt als Nordic Zentrum, ist entscheidungsreif und wird dem Landtag noch in diesem Jahr vorgelegt. Das Projekt Kletterhalle muss nach dem Standortwechsel in den Bereich Mühleholz nochmals dem Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt werden. In Verbindung mit dem neuen Standort laufen derzeit noch Detailabklärungen. Der Bericht einer breit abgestützten Arbeitsgruppe zur Optimierung und Erweiterung der Sportinfrastruktur, der Empfehlungen an die Regierung enthält, befindet sich in der Finalisierung. Die Regierung wird nach der Kenntnisnahme entscheiden, welche Empfehlungen aufgegriffen, welche weiteren Abklärungen vorgenommen werden und wie eine Umsetzung in Angriff genommen werden kann.