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Die Sonne auf dem Dach

Leserbrief von Loretta Federspiel-
Kieber, Mauren

Ausgestreckt auf dem harten Felsstück – wie komme ich aus dieser Flachlage wieder hoch? – höre ich das beständige Rauschen des Wassers, das durchsichtig über die Kiesel fliesst und dort, wo der Bach tiefer ist, smaragdgrün zwischen dem Geröll leuchtet. Der Duft der Fichtennadeln fällt mit jedem Windhauch auf mich herunter und zwischen den Nadelbäumen fächeln nervös die Birkenblätter im himmel-himmelblauen Himmel. Dass Schmetterlinge – Kaisermantel und Waldbrettspiel – umhergaukeln und Eidechsen über die Steine flitzen und mich vor ihrem Verschwinden in den Spalten der Felsbrocken mit einem Seitenauge scharf beobachten, ist fast zu viel des Schönen.

In diesem tiefen Behagen braucht es zwischendurch die Giftspritze einer Ameise und dabei fällt mir ein, wie weit doch ein Sapperlot und eine Klimaneuigkeit entfernt sind. Das Leben könnte einfach sein. Wenn nur nicht die weissen Zeitungspapierrollen verlangen würden bedruckt zu werden! Doppelt gedemütigt werden dabei die Bäume. Vor vierzig Jahren erfand man ihr Sterben, das „Waldsterben“! Besorgte Politiker schauten hinauf in die Höhe zu den verdorrten Wipfeln. Und dann wurde das Sterben auf dem Papier, das aus den Bäumen gewonnen wird, zur weltweiten Panik verbreitet. Ein Rohrkrepierer! Sapperlot, wie der Wald hier in dichten Wellen über die Berghänge grünt!

Eines Tages wird auch das Klimathema sein Klimakterium erreicht haben. Neue Saat wird auch aus diesen Ruinen aufgehen, und wer will, darf dann mit dem Klima leben anstatt daran zu verblöden. Denn eins ist noch sicherer als das Amen in der Kirche: Das letzte Wort hat Mutter Erde. Und wenn die Schätze, die sie uns anbietet, einigen keine Freude bereiten, dem ist nicht zu helfen.

Wie übel ist doch jeder dran, der ohne die politische Heizzwängerei die Sonne auf dem Dach nicht mehr geniessen kann!

 

 

 

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