Die Liechtensteinischen Kraftwerke (LKW) feiern in diesem Jahr das 100-jährige Bestehen mit einem Fest für die Bevölkerung, das unter dem Motto «100 Johr Pfuus» steht. Im Jahr 1923 wurde das Gesetz über die Stromversorgung vom Landtag beschlossen. Seither produzieren und verbreiten die LKW den Strom für Liechtenstein. Aber die Elektrizität hatte das Land schon einige Jahre vorher
erreicht und für Licht in den Häusern gesorgt.
Text: Günther Meier
Was heute selbstverständlich ist, war vor 100 Jahren in Liechtenstein noch Luxus oder gar nicht vorhanden: Ein Druck auf den Schalter – und das Licht brennt. Die Elektrizität gelangte im Vergleich mit vielen anderen Ländern relativ spät nach Liechtenstein. Vorreiter für die Umstellung auf elektrische Energie waren nicht das Land oder die Gemeinden, sondern private Unternehmen. Die Weberei in Triesen und die Spinnerei in Vaduz, die den Schweizer Unternehmern Jenny und Spoerry gehörten, errichteten 1883 eigene Elektrizitätswerke für den Antrieb der Maschinen und zur Beleuchtung der Fabrikhallen. Erst einige Zeit später stieg die Gemeinde Vaduz in das Stromgeschäft ein, wie aus einer Meldung aus dem Liechtensteiner Volksblatt vom Dezember 1900 hervorgeht: «Donnerstag, den 13. Dezember dieses Jahres hat unter Leitung der Fürstlichen Regierung die behördliche Kollaudierung der von der Fabrikfirma Jenny, Spoerry und Cie. in Vaduz hergestellten sehr sinnreich konstruierten Wasserleitungsanlage zur Gewinnung elektrischer Kraft und im Zusammenhang damit auch die Kollaudierung des Elektrizitätswerkes der Gemeinde Vaduz stattgefunden.» Die Kollaudierung, die Funktionsüberprüfung des Werkes, sei erfolgreich verlaufen, schrieb das Volksblatt und fügte hinzu, die Gemeinde Vaduz habe die Genehmigung erhalten, das Elektrizitätswerk in Betrieb zu setzen. Schon am anderen Tag erfolgte die Beleuchtung der Residenz: «Insbesondere sind die in reichlicher Anzahl angebrachten elektrischen Strassenlampen am Abend des 14. Dezember 1900 zum ersten Male in Funktion getreten.» Die Beleuchtung habe allgemein Beifall gefunden, berichtete das Volksblatt und machte den Hausbesitzern Hoffnung, dass bald auch bei ihnen das Licht aufgehen werde: «An der Installation der Hausleitungen wird rüstig fortgearbeitet und es steht zu hoffen, dass dieselben baldigst fertiggestellt werden.»
Zuerst Vaduz, dann Mauren …
Nach der Gemeinde Vaduz, die das eigene Elektrizitätswerk bis 1927 betrieb, wurde die Gemeinde Mauren ab 1906 von den Stadtwerken Feldkirch mit Strom versorgt, fünf Jahre später folgte die Stromversorgung in Eschen. Der Aufbau eines landesweiten Verteilnetzes bis zum Jahr 1921 ermöglichte die Abgabe von Elektrizität an alle Gemeinden. Etwa zur gleichen Zeit, als Jenny, Spoerry und Cie. die fabrikeigenen Stromkraftwerke errichteten, befasste sich auch das Land mit dem Bau eines eigenen Kraftwerkes. Um 1880 beschäftigte sich Landestechniker Peter Rheinberger mit Wassermessungen in der Lawena. Aufgrund des starken Gefälles schien der Lawenabach geeignet für den Antrieb von Turbinen. Aufbruchstimmung herrschte auch im Landtag, der sich 1913 für die Wasserfassung der Lawena und den Bau eines Lawena-Kraftwerks aussprach.
Bei dieser Landtagssitzung vom 4. Dezember 1913 kam es zu einer Konfrontation zwischen Landtagsabgeordneten und Regierungschef Karl von In der Maur, der die Rentabilität eines Lawena-Kraftwerks bezweifelte und stattdessen den Strombezug für alle Gemeinden von den Stadtkraftwerken Feldkirch befürwortete. Die harten Angriffe einzelner Abgeordneten verursachten beim Regierungschef körperliches Unwohlsein und Herzkrämpfe, denen er wenige Tage später erlag. Sein Sohn teilte der Regierung «den letzten Willen» seines Vaters mit, der geprägt wird von einem Unverständnis für die persönlichen Angriffe, aber auch Versöhnliches enthält: «Allen jenen, welche es mit mir gut gemeint, welche mir Freundliches und Liebes erwiesen haben, danke ich von Herzen; insbesondere gilt mein Dank meinem gnädigen Souverain dem regierenden Fürsten, der meine zwar pflichtgetreuen, immerhin aber bescheidenen Dienste stets nachsichtig anerkannte. Sollte ich jemanden unbeabsichtigt Unrecht getan haben, so bitte ich ihn, mir dies zu verzeihen, wie ich auch jenen gerne verzeihe, die mir Kummer und Leid verursacht und unverdiente Kränkung zugefügt haben.»
In der Landtagssitzung hatte der Abgeordnete Friedrich Walser dem Regierungschef In der Maur vorgehalten, dessen Stellungnahme widerspreche dem Beschluss des Landtags, mit der Gemeinde Triesen in Verhandlungen zu treten wegen der Nutzung des Lawena-Wassers. Walser stellte den Antrag, der Landtag solle das Budget für das kommende Jahr verweigern, wenn der Regierungschef nicht eine bindende Erklärung zum Bau des geplanten Lawena-Kraftwerks vorlege – und darüber hinaus dem Projekt bei der Realisierung keine Steine in den Weg lege.
Beim Landtag war das Projekt unbestritten
Wie brennend sich der Landtag für die eigene Stromversorgung interessierte, zeigt das Votum des Abgeordneten Alfons Brunhart: «Die Römer bauten Strassen, bei den Buschmännern in Afrika baut man Eisenbahnen, der Elektrizität gehört die Zukunft. Vor Jahren hat man sich an unserem Volke schwer versündigt, indem man den Bau der Eisenbahnen direkt verhinderte oder deren Bedeutung vielleicht nicht einsah. Ich erhebe bittend und warnend meine Stimme: Der Bau des Lawena-Werkes ist das Fundament jeder weiteren Entwicklung.»
Am 18. Juli 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, beschloss der Landtag den Bau des Lawena-Kraftwerks. Die Pläne für das Kraftwerk hatte der Schweizer Ingenieur Louis Kürsteiner entworfen. Den Antrag für die Zustimmung zum Projekt, mit Kosten von 776’000 Kronen, hatte eine Landtagskommission gestellt. Für die Erstellung führte die Kommission volkswirtschaftliche Gründe an, die eine eigene Stromversorgung notwendig erscheinen liessen. Der neue Regierungschef, Freiherr von Imhof, wünschte dem Projekt nach der Abstimmung im Parlament viel Glück und betonte, der Landtag habe sich damit ein Denkmal gesetzt. Ausserdem sagte der Regierungschef, mit dem Kraftwerk werde etwas Nutzbringendes geschaffen zur Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstandes. Laut Berichterstattung im Volksblatt bedankte sich auch der Landtagspräsident für den einstimmigen Beschluss, der ihn sogar zu einem «dreifachen Hoch» auf den Landesfürsten veranlasste, in das die zahlreichen Zuhörer im Landtagssaal begeistert eingestimmt hätten. Sogleich nach der Zustimmung des Landtags wurde mit der Quellfassung in der Lawena begonnen, doch der Weltkrieg verhinderte eine Fortsetzung der Arbeiten.
Baubeginn am Lawenawerk verzögerte sich
Am Ende des Ersten Weltkriegs befand sich Liechtenstein in einer wirtschaftlich schlechten Verfassung. Kein Wunder, dass ein Teil der Bevölkerung im Jahr 1919 einem Spielbankenprojekt nach dem Muster von Monte Carlo nicht abgeneigt war. Eine französisch-schweizerische Gesellschaft hatte eine Eingabe bei der Regierung gemacht, um eine Konzession für eine Spielbank zu erhalten. Als Gegenleistung für diesen Monopolbetrieb versprachen die Antragsteller die Finanzierung diverser Projekte, darunter die Ankurbelung des Fremdenverkehrs, eine Trambahn zwischen Feldkirch und Bad Ragaz, Rheinwuhrbauten und Rüfeverbauungen – und den Bau des Lawena-Kraftwerks. Daraus wurde nichts, weil sich Fürst Johann II. und ganz besonders auch die Geistlichkeit des Landes gegen die «Spielhöllen» sperrte.
Volksabstimmung 1925: 957 Ja, 748 Nein
Das Projekt Lawena-Kraftwerk wurde nach dem Abbruch der Vorarbeiten während des Krieges erst ein paar Jahre später wieder aufgenommen. Der Durchbruch gelang am 29. August 1925, als der Landtag nochmals den Bau eines Lawena-Kraftwerks beschloss. Den endgültigen Entscheid aber fällte das Volk bei der Abstimmung am 13. September 1925: Bei einer Stimmbeteiligung von damals eher bescheidenen 85,1 Prozent sprachen sich 957 Stimmberechtigte für das Kraftwerk aus, eine relativ grosse Zahl von 748 Bürger votierte mit einem Nein. Nur in sieben Gemeinden resultierte eine mehrheitliche Zustimmung, während in Eschen und Mauren, Schaan und Planken mehrheitlich dagegen gestimmt wurde. Nun aber war grünes Licht gegeben: Die Bauarbeiten gingen nach der Abstimmung zügig voran, sodass am 6. Januar 1927 der erste Strom in die Leitungen eingespeist werden konnte.
Rund zehn Jahre vermochte das Lawena-Kraftwerk den Stromverbrauch des Landes zu decken, teilweise konnte gar Strom exportiert werden. Noch während des Zweiten Weltkriegs befasste man sich mit der Fassung einer neuen Energiequelle. Die Wahl fiel auf die Nutzung des Saminabachs, der schon früher im Fokus von Interessenten für den Ausbau der Wasserkraft gestanden hatte. Eine Kommission schlug den Bau eines Stausees in Steg, einen Stollen durch den Kulm und eine Druckleitung nach Vaduz vor, wo der Maschinenraum geplant wurde. Regierung und Landtag waren sich 1947 über das Projekt mit veranschlagten Kosten von 7,5 Millionen Franken einig. Das letzte Wort sollte aber auch beim zweiten Kraftwerk das Volk haben: Mit grosser Mehrheit von 2173 Ja- gegen 216 Nein-Stimmen wurde das Projekt am 15. Juni 1947 angenommen. Auch beim Samina-Kraftwerk wurde sogleich mit den Bauarbeiten begonnen, sodass schon zwei Jahre später – am 1. Dezember 1949 – der Betrieb aufgenommen werden konnte.
100-Jahr-Feier 1923–2023
Mit der Inbetriebnahme des Samina-Kraftwerks nahmen die Liechtensteinischen Kraftwerke (LKW) ebenfalls offiziell ihre Tätigkeit auf. Gleichzeitig mit dem Beschluss zur Errichtung des Kraftwerks hatte der Landtag den Gesetzesentwurf über die LKW verabschiedet. Die Liechtensteinischen Kraftwerke lösten als Stromanbieter das 1923 für die Stromversorgung gegründete «Landeswerk Lawena» ab. Inzwischen sind 100 Jahre durchs Land gezogen – und die LKW können das Jubiläum feiern: «100 Johr Pfuus».