Leserbrief von Loretta Federspiel-
Kieber, Mauren
Keinem Redaktor kann man es verdenken, wenn er morgens einmal müde am Pult sitzt, die Schubladen öffnet in der Hoffnung, dass alles, was er sagen will, schon einmal gesagt wurde und er den computerisierten Zettelkasten nur wieder einmal durcheinander schütteln und einen alten Text dann da und dort noch neu mit Punkt und Komma versehen muss. Dann ruft er noch in die Bildredaktion hinüber: Haben wir genug Material? – Sicher, lieber Elias! – Und das heisst dann: Schon wieder ein paar Zeilen weniger, schon wieder etwas weniger nachdenken, schon wieder eine Ersparnis, sich vertiefter mit einem Thema zu befassen oder einer Wortbedeutung nachzugehen. „Erzkonservativ“ – ein Signalwort – und es interessiert sowieso niemanden, was es genau ausdrücken soll.
Dabei hätte es sich der Redaktor E. Quaderer doch viel leichter machen können. Nämlich das zu tun, was einem anständig erzogenen Liechtensteiner immer schon gut angestanden ist: Über seinen eigenen Schatten zu springen und einem Menschen, in diesem Fall dem Erzbischof, der gerade 75 Jahre alt geworden ist, zum Geburtstag alles Gute zu wünschen. Das tut nicht weh. Es ist zudem anzunehmen, dass das Geburtstagskind dem genannten Redaktor noch nie etwas Böses angetan hat. Und nun dürfte er durch die Zeitersparnis in seinem Sessel wieder zusammensinken und sich durch den Kopf gehen lassen, was er selbst denen schon Gutes angetan hat, an die sich seine Zeilen jeweils richten. Und dann könnte er sich erlauben, durch die trübe Wetterstimmung vielleicht einen Lichtstrahl von einem entfernten Horizont auf sich zukommen zu lassen: Eigentlich möchte ich mir Mühe geben.
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