„Gibt es Armut in Liechtenstein überhaupt?“ Um diese Frage zu beatworten hat das Amt für Statistik in Zusammenarbeit dem Amt für Soziale Dienste, der AHV-IV-FAK-Anstalten und der Steuerverwaltung einen Bericht zur finanziellen Situation der Haushalte in Liechtenstein erarbeitet.
Mit dem vorliegenden Bericht wurde eine solide Datenbasis geschaffen, anhand derer einerseits eine detaillierte Analyse des Berichtsjahres 2020 und andererseits zukünftig ein Monitoring der Armutsgefährdung und Armutsbetroffenheit in Liechtenstein möglich wird.
Im Mittel ein Einkommen von CHF 57’500
Mit einem verfügbaren Medianäquivalenzeinkommen von rund CHF 57’500 nimmt Liechtenstein vor Norwegen und Luxemburg den Spitzenplatz in Europa ein. Bei der Berechnung des verfügbaren Äquivalenzeinkommen fliessen sämtliche Einkommen und obligatorischen Ausgaben sowie die Haushaltsgrösse mit ein. Dadurch werden Vergleiche zwischen verschiedenen Haushalten möglich, unabhängig davon wie viele Personen darin leben. Die verfügbaren Einkommen sind allerdings sehr ungleich verteilt. 10 % der liechtensteinischen Bevölkerung mussten im Jahr 2020 mit einem Äquivalenzeinkommen von CHF 31’100 oder weniger auskommen, während 10 % über mehr als CHF 111’900 verfügten. Liechtenstein weist im europäischen Vergleich mit einem Gini-Koeffizienten von 0.34 eine relativ ungleiche Einkommensverteilung auf. Von den EWR-Staaten zeigen nur Lettland, Litauen und Bulgarien eine ungleichere Einkommensverteilung.
Armutsgefährdungsquote bei 14.1 %
Die Armutsgefährdungsgrenze liegt in Liechtenstein bei rund CHF 34’500 für einen Einpersonenhaushalt. Solche Schwellenwerte lassen sich auch für andere Haushaltsgrössen berechnen. 2020 erreichten insgesamt 14.1 % der liechtensteinischen Bevölkerung den jeweiligen Schwellenwert der Armutsgefährdung nicht. Damit liegt Liechtenstein im Mittelfeld der europäischen Vergleichsstaaten. Werden auch die Vermögenswerte berücksichtigt, gelten 5.4% der liechtensteinischen Bevölkerung sowohl als einkommens- als auch vermögensarmutsgefährdet. Gleichzeitig verfügen 13.2% der Einwohnerinnen und Einwohner zwar über ein Einkommen über der Armutsgefährdungsschwelle, nicht aber über finanzielle Reserven, welche dem Einkommen von drei Monaten über der Armutsgefährdungsgrenze entsprechen.
3.1 % der Einwohnerinnen und Einwohner sind armutsbetroffen
Die Armutsgrenze, welche basierend auf der Verordnung zum Sozialhilfegesetz berechnet wird, lag 2020 bei CHF 23’400 für einen Einpersonenhaushalt. Insgesamt erreichten 3.1 % der Bevölkerung diesen Wert nicht. Nach Berücksichtigung der Vermögenwerte gelten 0.9 % der liechtensteinischen Bevölkerung als einkommens- und vermögensarm. 14.0 % der Bevölkerung verfügen zwar über ein Einkommen über dem Schwellenwert, können aber bei einem Wegfall der Einkommen nur auf sehr geringe finanzielle Reserven zurückgreifen.
Entwicklung schwierig zu beurteilen
Um das Ziel eines effektiven Monitorings der Armutssituation erreichen, werden die Daten zur Einkommenssituation der liechtensteinischen Haushalte zukünftig jährlich erhoben. Dies ermöglicht es vergleichbare Daten über mehrere Jahre zu sammeln. Die nächste ausführliche Berichterstattung erfolgt zum Berichtsjahr
2025 und danach alle fünf Jahre. Aufgrund dieser zukunftsgerichteten Herangehensweise sowie des gesetzten Fokus auf eine internationale Vergleichbarkeit der Angaben sind Vergleiche mit den vorangegangenen Armutsberichten nur eingeschränkt möglich.