Ob der Name „Montafon“ tatsächlich von dem Wort für „Muntafune“ oder „Grubenberg“ kommt? Die frühesten Quellen machen dies jedenfalls glaubhaft. Was Archäologen der Goethe-Universität jedoch herausgefunden haben: Schon in spätkeltischer und römischer Zeit ist in dem 39 Kilometer langen Tal im österreichischen Vorarlberg Bergbau betrieben worden.
FRANKFURT. Die Geschichte des Bergbaus im Montafon ist offenbar von einer langen Kontinuität geprägt. Wie Forschungen der Goethe-Universität in jüngster Zeit gezeigt haben, wurden die Erzlagerstätten schon seit spätkeltischer Zeit über viele Jahrhunderte hinweg genutzt: Bis ins Spätmittelalter hinein, mehr als 1500 Jahre lang sind hier Bodenschätze wie Eisen, Kupfer und Silber abgebaut worden. Dass es aber bereits in keltischer und römischer Zeit Aktivitäten im Berg gab, war bislang nicht bekannt. Die neuen Erkenntnisse machen das Montanrevier zu einem der bemerkenswertesten in den Alpen.
„Damit hatten wir nicht gerechnet“, sagt Rüdiger Krause, Professor für Vor- und Frühgeschichte am Institut für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Zwar hätten bereits die montanarchäologischen Forschungen der vergangenen Jahre gezeigt, dass das kleine Montanrevier am Bartholomäberg eine sehr spannende und besondere Forschungsregion ist, aus der aus Bergbauhalden, alten Oberflächen und aus Mooren viele Funde und Befunde dokumentiert, Proben geborgen und zahlreiche Daten gewonnen werden konnten. So erbrachte die interdisziplinäre Untersuchung etwa von fossilem Blütenstaub (Pollen), Schwermetallen oder die Radiokarbondatierung von Hölzern und Holzkohlen erstaunliche Einblicke in bisher unbekannte Phasen des Bergbaus aus spätkeltischer Zeit (3./2. Jahrhundert v. Chr.).
Montanarchäologische Quellen zum römischen Bergbau in den Ostalpen waren bisher unbekannt. Die spärlichen historischen Quellen zum früh- und hochmittelalterlichen Bergbau im Montafon wurden jedoch in den vergangenen Jahren durch die Frankfurter interdisziplinären Forschungen wesentlich erweitert. Neue archäologische Ausgrabungen, archäobotanische Untersuchungen an den Mooren und Analysen der Schwermetalleinträge in Mooren und Böden durch Prof’in Dr. Astrid Stobbe von der Goethe-Universität haben erstaunliche Einblicke in neue und bisher unbekannt Phasen der Bergbaugeschichte am Bartholomäberg erbracht.
Die neuen Ausgrabungen mit studentischer Beteiligung unter Leitung von Prof. Rüdiger Krause haben im September in der Knappagruaba nun eine kleine Sensation offenbart: Vier Wochen dauerte die Ausgrabung, die in mehreren Grabungsschnitten am steilen Berghang vonstattenging. An den Oberflächen waren Spuren früheren Bergbaus gut erkennbar, sie bestanden aus Abraumhalden aus Taubgestein, den runden in den Fels gehauenen Schächten und aus den Hinweisen auf tiefer gelegene Eisenerzgänge. Erstmals konnten diesen Herbst montanarchäologische Befunde aus römischer Zeit freigelegt werden, die nicht nur für das kleine Montanrevier, sondern weit darüber hinaus für die Ostalpen einmalig sind. Ausgegraben wurden bis in drei Meter unter der Oberfläche zwei verfüllte Bergbauschächte, die im Bereich einer Vererzung abgetieft wurden. Davon zeugen an der Oberfläche des Felsens Klüfte mit Eisenoxyden und Quarzgängen, die den sogenannten Eisernen Hut – also die Oxidationszone eines Erzganges, bilden. Wie tief die Schächte in den Untergrund reichen, das soll zukünftig durch Rammkernbohrungen herausgefunden werden.
„In römischer Zeit wurde hier Eisenerz im Schachtbergbau gewonnen. Die chronologische Einordnung wird durch zehn kleine Fragmente von typisch römischen Keramikgefäßen untermauert, und das war eine große Überraschung“, berichtet Krause. Mehrere 14C-Radiokarbondatierungen an Holzkohlen hatten bereits im Vorjahr vermuten lassen, dass an dieser Stelle in der römischen Kaiserzeit bis in das 5. Jahrhundert n. Chr. Aktivitäten stattgefunden haben. Zusammen mit den römischen Keramikscherben sind sie ein untrüglicher Beleg für die Erzgewinnung. Unsicher bleibt, ob die Bergleute auch tatsächlich Römer waren. Pollenprofile und vegetationsgeschichtliche Befunde zeigen jedoch, dass das inneralpine Tal seit der Bronzezeit besiedelt war. Die Archäologen gehen davon aus, dass die lokale Bevölkerung der späten Eisenzeit den Bergbau betrieben und römisches Geschirr (Keramik) benutzt hat.
Die Geschichte des frühen Bergbaus im Montafon setzt sich nach der römischen Antike – wie historisch überliefert, im frühen Mittelalter in karolingischer Zeit im 9. Jahrhundert und im Hochmittelalter im 11./12. Jahrhundert mit einer Blütezeit der Silbergewinnung fort. 1319 wird erstmals eine Silbergrube am Berg Muntafune in einer Urkunde überliefert. Allerdings weisen Daten und Befunde aus Moorprofilen darauf hin, dass bereits Bergbauaktivitäten vor der Nennung von acht Eisenschmelzöfen im Churer Reichsurbar 843/844 n. Chr. vorliegen und wir derzeit von einer Kontinuität von der Spätantike in das Frühmittelalter und die Karolingerzeit ausgehen dürfen. Sein Höhepunkt dürfte im Hochmittelalter und im Spätmittelalter gelegen haben, in der Folge wurde der Bergbau im 15./16. Jahrhundert bis zu seinem Niedergang um 1600 nach den zahlreichen Bergbaubelegen wie Stollenmundlöcher und Abraumhalden sowie nach den historischen Quellen zu schließen, im industriellen Maßstab durchgeführt.
Aufgrund der langjährigen Forschungen der Goethe-Universität ist die ungewöhnlich gut erhaltene Halden- und Bergbaulandschaft seit 2012 als herausragendes Kulturdenkmal in das Denkmalbuch der Republik Österreich eingetragen.