Roland Seger setzt auf Ausdauer

Post-Chef Roland Seger: «Daran, dass die Post systemrelevant ist, besteht kein Zweifel.»

Die Liechtensteinische Post AG befindet sich seit Jahren in einer Zeit des Wandels. Eines Wandels, der von Corona noch beschleunigt worden ist. Diese Herausforderung geht CEO Roland Seger aber gerne an. Der passionierte Langstreckenläufer hält das Unternehmen mit seiner internationalen Berufserfahrung und gemeinsam mit seinen Mitarbeitern auf Kurs.

«Wir sind stolz darauf, dass wir bei der Liechtensteinischen Post noch nie jemanden aus wirtschaftlichen Gründen entlassen mussten», sagt Geschäftsführer Roland Seger. Dies ist dem Unternehmen umso höher anzurechnen, da das Briefgeschäft, das rund einen Drittel des Umsatzes ausmacht, seit Jahren deutlich zurückgeht. Inzwischen bricht aber auch der Zahlungsverkehr in den Filialen immer stärker ein, der einige weitere Prozente zum Umsatz beiträgt. «Die Digitalisierung hat dabei zwei negative Effekte für uns. Es werden weniger Rechnungen auf Papier verschickt und die Einzahlungen erfolgen vermehrt vom Computer oder Handy aus.» Das Wachstum beim Paketaufkommen kann diese Einnahmenrückgänge nur bedingt kompensieren, und so sind Veränderungen notwendig, um an der Maxime festhalten zu können, niemanden aus wirtschaftlichen Gründen zu entlassen. «Wir müssen zum Beispiel flexibel reagieren, wenn Pensionierungen anstehen und uns als Dienstleister weiterentwickeln», sagt Seger und erwähnt die Postpartnerschaften in einer Reihe von Gemeinden sowie Paketautomaten, die zukünftig ein flexibles Abholen rund um die Uhr ermöglichen. Auch im Logistikbereich wie beim Transport von Waren und bei Verzollungen möchte die Post ihr Know-how noch stärker einbringen. «Von Investitionen in gänzlich postfremden Bereichen sehen wir künftig jedoch ab. Das hat uns die Vergangenheit gelehrt. Wir bleiben bei unseren Kernkompetenzen. »

Von Australien nach Schaan
Roland Seger hatte einen im wahrsten Sinn des Wortes langen Weg hinter sich, bevor er in die Geschäftsleitung der Post eingestiegen und schliesslich deren Vorsitzender geworden ist. Nach der Matura in Vaduz studierte er Betriebswirtschaft in London und Innsbruck. Daraufhin stieg er in ein grosses Schweizer Industrieunternehmen ein, war bald darauf dessen Finanzchef für die Region Asien und lebte fünf Jahre in Australien. «Dort kam auch unser erster Sohn zur Welt. Schliesslich hat es uns zurück nach Europa gezogen.» Seger wechselte in den Finanzbereich der Hilti AG und war für diese unter anderem in Belgien tätig. Insgesamt blickt er auf 20 Jahre Erfahrung in der Industrie zurück.

Dann wollte die Familie aber endgültig in der Region bleiben, und Roland Seger bewarb sich für die Stelle des Finanzchefs der Post. Bereits nach einem Jahr kam es zu Transformationen in der Geschäftsleitung und Seger wurde im März 2017 CEO. «Ein Vorteil für mich war dabei, dass ich die Strategien schon kannte, die wir 2016 und 2017 entwickelt hatten. Damals standen wir wirklich mit dem Rücken zur Wand. Wir haben daher die Ärmel hochgekrempelt und wieder Stabilität ins Unternehmen gebracht. Es war aber nicht nur eine anspruchsvolle, sondern auch eine sehr spannende Zeit.»

«Vertrauen der Einwohner ist enorm wichtig»
In der Folge kamen erfolgreiche Jahre auf die Liechtensteinische Post AG zu. «Auch das Jahr 2020 ist trotz des herausfordernden Umfelds sehr gut geworden», sagt Roland Seger. Dies liege nicht zuletzt am ausgezeichneten Mitarbeiterteam und dem guten Zusammenspiel im gesamten Führungsteam der Post. «Sowohl auf den Höhepunkten der Corona-Pandemie als auch während einzelnen Ereignissen wie den starken Schneefällen Anfang Dezember und im Januar haben alle unsere Mitarbeiter Herausragendes geleistet.» Dabei komme der Post unter anderem die Unternehmensgrösse zugute. «Wir sind zwar rund 300 Leute, aber das ist noch klein genug, um jeden zu kennen und sich auf den anderen verlassen zu können.»

Auch die Bevölkerung schätzt die Dienstleistungen der Post, ist Roland Seger überzeugt. «Wir sind wohl dasjenige Unternehmen mit den meisten Kundenkontakten in Liechtenstein – sowohl an der Haustür als auch in der Filiale. Das Vertrauen, das die Einwohner uns dabei schenken, ist enorm wichtig für uns. Wir geben alles, um es nicht zu verspielen, und auch in Zukunft zu rechtfertigen.»

Der Spagat zwischen Wünschen aus der Bevölkerung und unternehmerischen Notwendigkeiten ist nicht immer einfach. Wir dürfen aber nicht kurzfristig handeln, sondern müssen in langen Zeiträumen denken.

Roland Seger, Post-Chef

 

Eine dicke Haut zugelegt
Dennoch müsse die Post mit der Zeit gehen und auf neue Gegebenheiten reagieren, was nicht immer ohne Kritik abläuft, wie die Umwandlung der Postfiliale in Triesen in eine Postpartnerschaft mit der Migros im neuen Einkaufszentrum Sonnenplatz zeigt. «Dieser Spagat zwischen Wünschen aus der Bevölkerung und unternehmerischen Notwendigkeiten ist nicht immer einfach. Wir dürfen aber nicht kurzfristig handeln, sondern müssen in langen Zeiträumen denken, damit wir unsere Dienstleistungen auch in 20 oder 30 Jahren noch in der gewohnten Qualität anbieten können», sagt Roland Seger. Denn daran, dass die Post systemrelevant ist, bestehe kein Zweifel. «Das sieht man ja gerade seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wieder, während der wir uns einmal mehr bewährt und auf neue Gegebenheiten flexibel reagiert haben. Das Paketgeschäft hat entgegen dem moderaten Wachstum der vergangenen Jahre einen regelrechten Boom erlebt, da war die ganze Zustellorganisation sehr stark gefordert und die Mitarbeitenden mussten beispielsweise kurzfristig auch an Feiertagen Pakete zustellen, um nicht in einen Rückstand zu gelangen.» Die Pandemie habe aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass Digitalisierung und Online-Banking einen weiteren Schub erhalten, was die Situation für die Post nicht einfacher mache. «Auf null zurückgehen wird jedoch auch das Briefgeschäft nicht. Physisches wird von den Menschen geschätzt, und es gibt einfach Dinge, die sich nicht mit einem E-Mail kommunizieren lassen.»

Trotzdem sei es nötig, neue Wege zu gehen. «Die Beteiligungsstrategie des Landes besagt, dass wir die Eigenwirtschaftlichkeit nachhaltig sicherstellen sollen. Gleichzeitig ist es aber auch nicht unsere Aufgabe, in Zeiten der Veränderung und der wachsenden Herausforderungen riesige Gewinne einzufahren», sagt Roland Seger. Dass dies bei einer leichten Ausdünnung des dichtesten Filialnetzes Europas und dem Eingehen von Partnerschaften nicht ohne Kritik ablaufe, sei ihm klar. «Da muss man sich auch bis zu einem gewissen Grad eine dicke Haut zulegen. Oft gilt jedoch, dass keine Kritik auch schon einem Lob gleichkommt.» Nicht zuletzt zeigt die hohe Akzeptanz der Partnerschaften in Schaanwald, Triesenberg, Schellenberg und Nendeln, dass ein solcher Wandel möglich ist und der Spagat zwischen Kundenorientierung und finanzieller Stabilität gelingen kann. «So können wir die Abhängigkeit vom Briefgeschäft auch etwas reduzieren.»

Partnerschaften als Gewinne für alle Seiten
Die Partnerschaften bieten jedoch Vorteile für alle Beteiligten und nicht nur für die Post, betont Roland Seger. «Zur Post geht man in aller Regel, weil man etwas erledigen muss. Es ist nicht vergleichbar mit einkaufen, was auch für viele eine Freizeitbeschäftigung darstellt. Die Postgeschäfte will man also schnell erledigt wissen. Die meisten setzen sich dafür ins Auto, müssen also einen Parkplatz suchen und so weiter. Wenn sich dies mit dem Einkauf kombinieren lässt, ist dies für Viele vorteilhafter.» Auf der anderen Seite seien auch die Partner froh über die Post. Schliesslich sorge sie für zusätzliche Kundenfrequenz.

Der Entscheid für das Eingehen einer Partnerschaft in Triesen hat ausserdem noch einen anderen Grund: «Es ist heute extrem schwierig, einen guten Standort zu finden. Hätten wir die Chance zum Einzug ins Einkaufszentrum Sonnenplatz nicht genutzt, hätten wir eine grosse Chance vertan. Wo hätten wir denn in Triesen später einmal an so zentraler Lage einziehen können?»

14 Kilometer in der Mittagspause
Roland Seger ist sich bewusst, dass die Kritik gerade in Triesen so schnell nicht abreissen wird. Daher setzt er auf stetige Überzeugungsarbeit. Gerne bewältigt er diese Aufgabe zusätzlich zum herausfordernden Tagesgeschäft. Abschalten kann er in der eher spärlichen Freizeit mit seiner Frau und seinen drei Kindern. «Zum Glück sind alle drei schon etwas älter, haben eigene Interessen und viel Verständnis, wenn ich nicht zu Hause sein kann», sagt Roland Seger. Auf Treffen mit Freunden hat er im Corona-Jahr 2020 hingegen weitestgehend verzichtet. Daher hofft er für sich selbst und die gesamte Gesellschaft, dass ungezwungene Zusammenkünfte bald wieder möglich sind. «Denn soziale Kontakte sind etwas vom Wichtigsten für jeden von uns.» 

Wenn Roland Seger sich doch einmal mit Freunden getroffen hat, dann auf dem Rheindamm beim Sport. «Unser Betriebszentrum ist ideal gelegen, um zu laufen. Acht bis zehn Kilometer absolviere ich regelmässig über die Mittagszeit. Manchmal auch 14. Aber mehr liegt zeitlich nicht drin.» Denn dann wartet wieder die Arbeit in der Post, die streckenweise ebenfalls einem Dauerlauf gleicht, von einem ausdauernden Läufer wie Roland Seger aber auch erfolgreich bewältigt wird.