Katrin Eggenberger blickt auf die kürzeste Amtserfahrung der fünf Liechtensteiner Regierungsmitglieder zurück. In etwas mehr als einem Jahr konnte sie dennoch bereits viel bewirken. Dabei profitiert sie wesentlich von ihrer früheren beruflichen Tätigkeit, die sie darauf vorbereitet hat, unterschiedlichste Interessen zu vereinbaren. Die Corona-Pandemie hat aber natürlich auch in ihrem Ministerium für Äusseres, Justiz und Kultur zu besonderen Herausforderungen geführt.
Frau Regierungsrätin, wie lautet Ihr Fazit zu Ihrem ersten Jahr als Ministerin?
Regierungsrätin Katrin Eggenberger: Es war eine sehr steile Lernkurve, welche auch bald zu ersten Erfolgen führte. Eigentlich ist zunächst mal alles anders, als man es sich vorgestellt hätte, aber dann kommt man in einen Flow, und dabei durfte ich beispielsweise auch feststellen, wie sehr Liechtenstein auf dem internationalen Parkett gehört und respektiert wird. Die Befriedigung, hierzu einen Beitrag leisten zu können und zu dürfen, ist sicher ein substanzieller Teil meines persönlichen Fazits.
Die drei Aufgabenbereiche in Ihrem Ministerium sind ganz unterschiedlicher Natur. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Kultur-, Justiz und Aussenpolitik?
Ein Spagat ist immer eine Sache des Trainings und des richtigen Aufwärmens. Um viele Interessen unter einen Hut zu bringen zu können, hat mich mein vorheriger Job beim Weltwirtschaftsforum, kurz WEF, trainiert und warmgehalten. Spannend ist es aber auch, immer wieder die Synergien zwischen diesen einzelnen Bereichen zu erkennen und zu nutzen. So haben beispielsweise die Justiz wie die Kultur auch eine substanzielle internationale Komponente.
Welche grossen Ziele konnten Sie seit November 2019 bereits erreichen?
Die Corona-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, dass die Aufrechterhaltung der hohen Qualität der bilateralen Beziehungen insbesondere mit unseren Nachbarländern und Deutschland für uns essenziell ist. Mehrere Treffen auf Aussenministerebene haben das klar gezeigt. Auch die zukünftigen Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich konnten wir in diesem Jahr neu regeln – eine zentrale, teilweise gar existenzielle Frage vor allem für unsere Wirtschaftsakteure, aber auch für die vielen Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner, die im Vereinigten Königreich leben, arbeiten oder regelmässig dorthin reisen. Mit der Staatenbeschwerde gegen die Tschechische Republik haben wir einen wichtigen Schritt getan, um die Achtung der liechtensteinischen Souveränität sicherzustellen und diese Frage nach 75 Jahren hoffentlich einer Lösung zuzuführen.
Im Justizbereich möchte ich insbesondere die Reform des Insolvenzrechts, die Institutionalisierung der Höchstgerichte durch die Schaffung von Gerichtskanzleien und wissenschaftliche Dienste sowie den Abschluss der Exekutionsrechtsreform nennen.
Nicht zuletzt habe ich mich insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr sehr stark mit der hiesigen Kultur auseinandergesetzt. Es war mir stets ein Anliegen, die engagierten Kulturakteure in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen, um die Vielfalt der liechtensteinischen Kulturlandschaft zu erhalten. Das war kein einfaches Unterfangen, aber Probleme sind zum Lösen da und wir werden den Dialog weiterhin aufrecht halten.
Sie hatten gerade gut die ersten 100 Tage im Amt hinter sich, als Liechtenstein von der Corona-Pandemie getroffen wurde. Ihren Einstieg hätten Sie sich sicher anders vorgestellt, oder?
Das darf man sicher sagen. Ich lebe sehr vom und für den Austausch mit Menschen. Und dies gilt für die Politik genauso wie für mich. Dies wurde durch die Pandemie stark eingeschränkt. Wir haben alle schnell gelernt, mit Videokonferenzen umzugehen, aber gewisse Ebenen des Austauschs leiden doch wahrnehmbar auf dem elektronischen Wege. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass diese Krise uns Politikern die Chance gegeben hat, sehr viel näher an den Anliegen der Menschen dran zu sein und so unmittelbar wie sonst kaum je helfen zu können. Vielleicht schaffen wir es ja sogar, etwas von dieser Verbindung und dem gelebten Pragmatismus in die Zeit nach Corona mitzunehmen und noch stärker zum Zeichen der liechtensteinischen Politik zu machen.
Ihre Aufgabenbereiche waren nicht so direkt von der Pandemie betroffen wie Gesundheit, Wirtschaft oder Bildung. Wo waren Sie besonders gefordert?
Die Herausforderungen in der Kultur habe ich bereits angesprochen. Wie andere Ministerien hatten wir dort das Problem, dass es keine Erfahrungswerte und bestehenden Lösungen gab, auf die man zurückgreifen konnte – es war viel Kreativität und Arbeit gefragt. Das gilt auch im Bereich des Äusseren. Viele Treffen, vor allem auf multilateraler Ebene, wurden verschoben oder nur digital durchgeführt. Dies mag besser sein als eine Absage, doch letztlich bleibt immer ein Rest intuitives Verständnis auf der Strecke, wenn man sich nicht persönlich gegenübersitzt. Glücklicherweise hat sich aber auch gezeigt, dass wir vor allem zu unseren Nachbarstaaten und Deutschland funktionierende Gesprächskanäle haben, die Kommunikationswege zu meinen Kollegen sind kurz. Im Justizbereich galt es, das Funktionieren der Gerichte und Verwaltungsbehörden und des Rechtsstaats generell sicherzustellen, was durch entsprechende Gesetzesvorlagen sichergestellt werden konnte. Diese Gesetzesvorlagen mussten schon dreimal verlängert werden, zuletzt bis im Frühling 2021. Als vorsichtige Optimistin hoffe ich sehr, dass wir bis dahin das Schlimmste überstanden haben und keine weitere Verlängerung notwendig sein wird.
Wie konnten Sie die Herausforderungen bewältigen?
Ich glaube, das Zauberwort lautet in jedem Bereich des Lebens «zuhören». So auch in der Politik. Es liegt in der Natur der Sache, dass es in Sachfragen unterschiedliche Meinungen gibt. Wenn sich aber alle an einen Tisch setzen, einander zuhören und sich gegenseitig das Gefühl geben, sich zu verstehen und zu respektieren – dann können gemeinsam Lösungen gefunden werden, in denen sich alle wiederfinden. Das hat in vielen Bereichen funktioniert und ich bin überzeugt, dass das der einzige Weg vorwärts ist.
Sie treten auch für die kommende Legislaturperiode wieder als Regierungsratskandidatin an. Was würde Sie gerne von 2021 bis 2025 in Liechtenstein bewegen und welche Projekte würden Sie gerne fortsetzen?
Für welche Bereiche oder Projekte man sich einbringen kann, weiss man immer erst, wenn gewählt wurde und die Ministerien verteilt sind. So möchte ich an dieser Stelle nicht von einer konkreten Agenda sprechen, sondern von einer Qualität, für die ich eintreten möchte, unabhängig davon, in welchem Bereich ich tätig sein werde. Es ist mir absolut wichtig, dass wir ein Klima des Vertrauens schaffen, in dem wir mithilfe eines offenen Miteinanders effizient zu Lösungen finden. In der Regierung aber auch zwischen Regierung und Volk.