Wie wir bereits berichtet haben, ist zum ersten Mal Liechtenstein im Freiheitsindex von Avenir Suisse vertreten. Der Schweizer Think-Tank ermittelt jedes Jahr anhand von 33 ökonomischen und zivilen Indikatoren, in welchem Kanton es sich «am freisten» leben lässt. Das Ergebnis ist erfreulich: Liechtenstein schafft es auf Anhieb an die Spitze des Kantonsrankings. Die Daten für Liechtenstein erhoben hat die Stiftung Zukunft.li.
Interessanterweise sind es gerade nicht – wie auf den ersten Blick zu vermuten – die ökonomischen Indikatoren, dieLiechtenstein zum ersten Platz verhelfen. Vielmehr sind es laut Avenir Suisse vor allem das weiträumige Unterlassen vonVerboten und die liberalen Ansätze sonstiger Regelungen bei den zivilen Freiheiten, die den Ausschlag geben. Verglichen mit dem Schweizer Kantonsdurchschnitt gelingt es bei- spielsweise in Liechtenstein fast dreimal schneller, eine Baubewilligungzu bekommen. Auch bei den staatlichen Wohnbauinvestitionen oder der Bonität erreicht Liechtenstein Bestwerte.Ausserdem werden die zivilen Freiheiten weniger restriktiv eingeschränkt – so sind Nichtraucherschutz, Alkoholkonsum- undVermummungsverbot in der Öffentlichkeit deutlich lockerer, als in so manchem Schweizer Kanton.
Vergleichsweise lange Fristen bei Einbürgerung
Liechtenstein dominiert den Avenir-Suisse-Freiheitsindex jedoch keineswegs absolut. Es gibt auch Bereiche, in denenLiechtenstein durch einen Blick über die Grenze noch an «Freiheit» gewinnen könnte. So schneidet das Fürstentumbeispielsweise beim Indikator «Dezentralisierung» nicht gut ab. Dieser zeigt die Aufgabenteilung zwischen Kanton – respektivedem Land – und den Gemeinden und damit den Grad der Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips, also dem Gebot, dass eineAufgabe möglichst von der kleinsten «zuständigen» Einheit übernommen werden soll. Ausserdem fallen die Wohnsitzfristenbei Einbürgerungen in Liechtenstein besonders lange aus und es existiert keine gesetzlich festgelegte Dauer für die Aufbewahrung von Videoüberwachungsdaten des öffentlichen Raumes. Allgemein ist anzumerken, dass aufgrund abweichender Regelungen und unterschiedlicher Datenlage die Vergleichbarkeit bei einzelnen Indikatoren nicht zu 100Prozent gegeben ist.
Von den Schweizer Kantonen ist Appenzell Ausserrhoden neuer Spitzenreiter und verdrängt den letztjährigen SiegerSchwyz von der Spitze. Der grösste Sprung nach vorne gelang dem Kanton St. Gallen, der sich vor allem bei den zivilen Indikatoren verbessert hat. In Bezug auf die zivilen Freiheiten bleibt trotzdem der Kanton Jura führend, der im Gesamtranking der bestplatzierte welsche Kanton ist. Die grössten ökonomischen Freiheiten finden sich weiterhin im Kanton Schwyz. Dabei sind nicht nur die steuerlichenRahmenbedingungen ausschlaggebend, sondern auch Indikatoren wie die Ladenöffnungszeiten oder Gastgewerbegebühren.
Freiheit bleibt ein subjektives Konzept
Der Avenir-Suisse-Freiheitsindex ist eine interaktive Online-Publikation. Die einzelnen Indikatoren können einfach ein- oderausgeschaltet werden, um so einen personalisierter Freiheitsindex zu erhalten. Schliesslich ist es stark von der eigenen,individuellen Beurteilung abhängig, ob und wie stark etwa ein Gesetz als Einschränkung der persönlichen Handlungsoptionen empfunden wird.
Corona-Pandemie ausgeklammert
Die Indikatoren sind ein Abbild der ökonomischen und zivilen Freiheiten vor der Corona-Pandemie, welche die Diskussionüber Freiheit intensiviert hat. Die rasant ändernden, aktuellen Entwicklungen aufgrund der Pandemie lassen sich nicht in einem Konstrukt wie dem Avenir-Suisse-Freiheitsindex abbilden. Avenir Suisse plant jedoch, die ergriffenen Massnahmen dereinzelnen Kantone im kommenden Jahr in einer separaten Publikation zu analysieren.
Doris Quaderer-Meier, Stiftung Zukunft.li, Ruggell