Das in Schwarzenberg (Vorarlberg) stattfindende Festival :alpenarte hat sich seit Anbeginn auf die Fahne geschrieben, dass es anders, frischer und musikalisch spannender sein will, als andere Festivals für klassische Musik in aller Welt. Nicht nur die Idee, dass Musiker als Intendanten die Verantwortung übernehmen ist anders und immer noch neu, sondern auch, dass junge Musiker, die renommiert sind, aber noch keinen Namen von Weltruhm haben, auf der Bühne musizieren und einem Publikum im Angelika-Kauffmann-Saal spannende und anders geartete Programme präsentieren.
Doch das ist nicht das einzige Besondere an :alpenarte, denn in diesem Herbst, zur vierten Austragung des Festivals, wollte man nicht nur eine junge Elite der Musiker nach Schwarzenberg holen, sondern wollte auch die örtlichen Kinder und Jugendlichen mit ihnen in Kontakt bringen. Und so gingen die unter der Intendanz des rumänischen Weltklassecellisten Andrei Ioniţăagierenden Musiker vor Beginn des Festivals am Dienstag (23. 10.) in Mittelschulen der Region, um die Kinder mit ihrer Musik in ihren Bann zu ziehen. 100 Kinder waren es in der Mittelschule Bezau, 150 sogar in der Mittelschule Au. Und sie waren durchweg begeistert. Ob dies nun die Musik des Ungarn Béla Bartók betraf oder die am Ende dargebotene Klezmer-Musik, zu der sich auch der Klarinettist Sebastian Manz, der künstlerische Leiter des Festivals, auf der Bühne zeigte. Dass zudem 20 Lehrer miterleben konnten, mit welchen Hingabe die jungen Musiker «ihre» Musik mit den Kindern teilten, ist keine Selbstverständlichkeit und zeigt, dass auch die Lehrer erkennen, welches Geschenk sie bekommen, wenn die Musiker aus aller Welt in ihre Schule kommen, um die Kinder mit dem positive wirkenden Virus der klassischen Musik zu infizieren. Am Mittwoch wurde das Ganze dann noch übertroffen: 325 Grundschulkinder und knapp 30 Lehrer kamen in den Angelika-Kauffmann-Saal, um sich von der Musik der jungen Musiker inspirieren zu lassen.
Die Begeisterung aller Anwesenden war verständlich, denn Sebastian Manz trifft mit seiner Moderation den Nerv der Kinder, hat sich genügend kindliches Gemüt erhalten, um sich zu erinnern, wie man sich als Kind in einem Konzertsaal fühlt. Und so waren die Kleinen auch konzentriert und begeisterten sich für die Musik, die da auf der Bühne erklang. Und das war nicht allein «leichte Kost». Andrei Ioniţăpräsentierte sich mit einem Satz aus einer von Bachs Cello-solo-Suiten und einem Werk von Sergei Prokofiew solistisch, spielte mit Alexandra Paladi Händels «Passacaglia» in der Bearbeitung von Johan Halvorsen für Violine und Cello. Auch bei den selbst für heutige Ohren noch immer etwas ungewöhnlichen Melodien von Béla Bartók waren die Kinder fasziniert von den Klängen und den tänzerischen Elementen dieser Musik. Und sicherlich wird man nach diesem Einsatz der Musiker für die Musik etliche der Grundschulkinder auch wieder in einem der kommenden Konzerte wiedersehen (immerhin haben Kinder bis 18 Jahre freien Eintritt).
Das Programm, das Andrei Ioniţă als Intendant in den kommenden Tagen im Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg auf die Beine stellen wird, ist wie ein Brückenschlag zwischen dem Osten und Westen Europas sowie zwischen der alten Welt und den neuen Zeiten. Da werden große Kammermusikwerke der deutschen Romantik von Robert Schumann (Fantasiestücke Op. 73) und von Johannes Brahms (Klarinettentrio a-Moll und das Klavierquartett g-Moll) am Donnerstag, dem 25. Oktober, erklingen. Kompositionen aus dem Osten Europas (bspw. Dvoráks großes Klavierquartett A-Dur) und denen der Moderne (Jörg Widmann, Svante Henryson) sind neben J. S. Bachs «Zweistimmigen Inventionen» (in einem Arrangement für Klarinette und Cello) am Freitag (26. 10.) die Kompositionen, die sich an den Werken von Schumann und Brahms messen lassen müssen. Doch die Wahl, die Ioniţă getroffen hat, ist so geschickt und weitblickend, dass keine qualitativen «Schräglagen» aufkommen werden. So werden auch die osteuropäischen Werke von Silvestri, Paladi, Enescu oder Bartók ein wunderbares Gegengewicht bilden (Samstag, 27. Oktober). Und wenn die Musiker dann im Abschlusskonzert am Sonntag (28. Oktober) mit Tschaikowsky, Rachmaninow und Schostakowitsch einen Blick auf die russische Tradition werfen, wird verdeutlicht, wie sich die Musik in unterschiedlichen Regionen und zu unterschiedlichen Zeiten individuell entwickelt hat, aber letztendlich einem gemeinsamen Ziel folgte: die Umsetzung der national-ästhetischen Ideen in eine verständlich-emotionale Musiksprache. Die Herbstausgabe von :alpenarte 2018 wird sicherlich ein Zeichen für die Bandbreite und die Qualität von Musik setzen, die man in dieser Zusammenstellung nur selten hören kann!