Liechtensteiner Arzt wurde bestraft, weil er ein Menschenleben rettete (Umfrage)

Die folgende Geschichte stammt nicht aus dem Reich der Fabeln, sondern trug sich tatsächlich im Februar 2017 in Liechtenstein zu. Ihr Inhalt ist kaum zu glauben: Ein Unterländer Arzt rettete einem Mann, der kurz vor einem Herzinfarkt in seine Praxis kam, buchstäblich das Leben, musste aber auf der anderen Seite wegen mehreren Verkehrsübertretungen Bussen von über 1000 Franken in Kauf nehmen, einzig weil er den schwer angeschlagenen Mann auf schnellstem Weg ins nächstgelegene Spital brachte.

Text:  Herbert Oehri  ·  Fotos: Oliver Hartmann

 

Das Unschöne an dieser traurigen Geschichte: Der Arzt, der einen Eid geschworen hat, jedem Menschen in Not zu helfen, musste letzten Endes dem Staat für seinen Einsatz am Nächsten noch ein Bussgeld bezahlen und hätte beinahe auch noch den Führerschein abgeben müssen.

Was war geschehen? Es war an einem Freitag im Februar 2017 gegen Abend, als ein Mann mittleren Alters in der Praxis eines Liechtensteiner Arztes auftauchte, nach Luft rang und praktisch keine Silbe mehr über die Lippen brachte. Der Arzt sah sofort, dass es sich um eine ernsthafte Angelegenheit handelte. Seine Vermutung bestätigte sich wenig später, der
Patient stand kurz vor einem Herzinfarkt.

An der Arztpraxis vorbei wälzte sich zur gleichen Zeit der Feierabendverkehr in Richtung Rhein, Auto um Auto, fast im Schritttempo. Was tun? Kurzentschlossen setzte der Arzt den Mann in sein Privatauto und fuhr mit ihm in Richtung Bendern zur Privatklinik Medicnova.

Privatklinik, Medicnova in Gamprin – Bendern

Um schneller vorwärtszukommen, suchte der Arzt Lücken in der Autokolonne, umfuhr vielleicht da und dort eine Verkehrsinsel und konnte, weil es pressierte, nicht alle Verkehrsregeln einhalten. «Ich wollte unter allen Umständen einen Unfall vermeiden, denn dann wäre das Überleben meinesPatienten sehr in Frage gestanden.» Trotzdem nahm die Fahrt des Arztes von seiner Praxis bis zur Klinik in Bendern mehr Zeit als im Normalfall in Anspruch. Glücklicherweise hat der Mann, bei dem eine Spezialistin schon vor längerer Zeit ein Herzleiden diagnostiziert hatte, trotzdem überlebt. Eigentlich fände hier die Geschichte mit einem Happy End ihren Abschluss. Doch nicht in diesem Fall.

«Ich kann mir nur vorstellen, dass mich jemand gefilmt oder Fotos gemacht und angezeigt hat.»

Das Trauerspiel begann…
Jetzt fing das Trauerspiel erst an: Bereits am nächsten Tag meldete sich nämlich die Landespolizei beim Arzt. Dazu der Mediziner zur «lie:zeit»: «Ich kann mir nur vorstellen, dass mich jemand gefilmt oder Fotos gemacht und angezeigt hat.» Die Klinik bestätigte dem Arzt zwar, dass der von ihm insSpital gebrachte Patient in Lebensgefahr schwebte, und diese Bestätigung brachte der Arzt auch bei der Einvernahme vor. Doch sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Landgericht beurteilten die Sachlage leider anders, kurz gesagt: wie Bürokraten. Das Gericht verhängte eine Busse im vierstelligen Bereich. Der Mediziner bezahlte dieses Bussgeld zwar sehr ungern, doch er dachte, dass sich die Sache damit erledigt habe, und freute sich darüber, dass er einem Menschen das Leben retten konnte.

…und es ging weiter
Aber die liechtensteinische Bürokratie kennt keine Gnade. Denn ein paar Tage später flatterte beim Unterländer Arzt erneut Post in die Praxis, diesmal von der MFK. Es ging um den Führerschein. Jemand musste den Arzt bei der Motorfahrzeugkontrolle angezeigt haben. Die MFK kam zum Schluss, dass das Verkehrsdelikt des Arztes so gewichtig sei, dass ihm der Führerschein abgenommen werden müsse.

Das brachte beim Arzt das Fass zum Überlaufen: «Ich brauche in meiner Berufsausübung zwingend ein Auto!» Deshalb schaltete der Arzt einen Rechtsanwalt ein, und nach langem Hin und Her wurde dem Lebensretter wenigstens der Führerschein gelassen.

Zu denken geben zwei Fakten: Warum muss, erstens, in einem solchen Fall sofort mit einer Anzeige reagiert werden? Es gibt sicher auch andere Vorgehensweisen. Und zum anderen: Wie sieht eigentlich die genaue Rechtslage aus, wenn ein Mensch einem anderen Menschen das Leben rettet und er dafür gebüsst wird?

 


Ihre Meinung?

Wäre dies nicht vielleicht ein Fall für den Landtag, der Abklärungen über eine Gesetzesänderung treffen könnte, welche es inskünftig ermöglichen würde, in solchen Notsituationen die Rechtslage der Ärzte zu verbessern?

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