Verena Städler, Vaduz beschreibt in einem Buch: „Leena – Ein indisches Frauenschicksal“

Die Autorin von „Leena“, Verena Städler, anlässlich der Vernissage am 10. November 2017 (Foto Eddy Risch)

Zu einer Buchbesprechung von Peter Geiger

Hier ist auf das eben erschienene Buch von Verena Städler: „Leena – Ein indisches Frauenschicksal“ hinzuweisen. Es ist ein in mehrerer Hinsicht besonderes Buch. Es ist aktuell. Die Autorin lebt in Vaduz. Ihr Buch widmet sich indes nicht liechtensteinischen Fragen. Es wirft den Blick in die Ferne, nach Indien, auf eine Frau von heute, jung aus der Lebensbahn geworfen, aufgefangen, heute 35-jährig. Ihr individuelles Schicksal steht für Abertausende.

Das Buch ist kein Roman, keine Novelle, auch keine der heute populären Mischungen aus Wirklichkeit und Fiktion. Nichts ist erfunden. Es ist ein Tatsachenbericht, eine Reportage, eine Biographie der Inderin Leena, geboren 1982 in einem Dorf im südindischen Bundesstaat Karnataka, jung verheiratet von Feuer versehrt, verursacht durch ihren Mann. Leena (englisch ausgesprochen „Liina“), knapp davongekommen, ist heute in Belgaum in einer Sozialhilfestelle angestellt.

Die Autorin Verena Städler, vielen hierzulande bekannt aus ihrer beruflichen Tätigkeit bei der Post in Vaduz, wirkt seit zwei Jahrzehnten auch ehrenamtlich in der Indienhilfe, heute als Präsidentin des Hilfswerks „Namaskar INDIA“, Vaduz, welches Projekte für Frauen, Kinder, Waisen und Behinderte in Südindien initiiert und fördert. Seit dem Jahr 2000 besucht Verena Städler jährlich Indien (immer ehrenamtlich auf eigene Kosten), jeweils für mehrere Wochen, und nun, da sie pensioniert ist, je für drei bis vier Monate. Sie hat so die Verhältnisse in armen Dörfern und Familien vor Ort gründlich kennen gelernt.

Vor Jahren ist ihr dort eine jüngere, in einer Sozialstelle aufgenommene Frau aufgefallen, mit grossen entstellenden Brandnarben im Gesicht, an den Armen und am ganzen Körper: Leena. Verena Städler hat viel mit ihr geredet und die ganze Geschichte erfahren. Ihr Schicksal hat sie derart berührt, dass sie beschlossen hat, es in einem Buch niederzuschreiben. Sie hat Leena eingehender befragt, zur Herkunft, zur Familie, zu den Lebensumständen seit der Geburt 1982 bis heute 2017. Ebenso hat sie Personen aus Leenas Umfeld befragt, insbesondere den Priester und Sozialhelfer Cyril in Belgaum sowie Schwestern und Ärztinnen vor Ort. Leena und alle haben der Autorin die Einwilligung gegeben, alle Informationen für das Buch verwenden zu dürfen, auch private Fotos.

Die Autorin stützt sich nicht auf Fachliteratur, die es über Indien zuhauf gäbe. Ihr Buch vermittelt direkte Einblicke in verschiedene Bereiche der Gesellschaft in Indien, mit Leenas Leben verknüpft: Familie, Ausbildung, Arbeit, Einkommen, Partnersuche, Heirat, Geburt (Knabe oder Mädchen …), Schwiegereltern, Wohnung, Haushalt, eheliche Liebe, auch Scheidung, Spital, Sozialarbeit. Ihre Reportage ist unideologisch. Die Autorin sinniert nicht über den indischen Staat oder die Provinz- und Lokalverwaltung, nicht über Gesellschaftsmodelle, hebt nicht den moralischen Zeigefinger. Sie beschreibt das konkrete, einfache Leben, das Zusammenleben, das Überleben. Leenas Geschichte ist eine des knappsten Überlebens.

Das in Liechtenstein produzierte Buch zählt 142 Seiten. Die Auflage beträgt vorläufig 300 Exemplare (der Verkaufserlös geht in ein Sozialprojekt in Belgaum). Zu begrüssen wäre eine Übersetzung ins Englische, so wäre „Leena“ auch in Indien und international zu lesen. Das Buch verdient ein weites Lesepublikum.

Verena Städler: „Leena – Ein indisches FrauenschicksalVaduz 2017, 142 Seiten, illustriert, 29.- CHF
ISBN-Nr. 978-3-033-06447-8
(Hilfswerk Namaskar INDIA, Vaduz, www.namaskarindia.li)