Alpendurchquerung whatsalp erfolgreich abgeschlossen

Der Raum ist begrenzt – besonders in den Alpen. Unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen prallen in der Raumplanung aufeinander. Wie lassen sich diese miteinander vereinbaren? Die CIPRA-Jahresfachtagung «Alpine Raumsphären – Natürliche Grenzen, unendliche Möglichkeiten» bietet am 29. und 30. September 2017 in Innsbruck/A Raum für Diskussionen und Austausch.

Die Alpen sind vom Klimawandel noch stärker als vermutet betroffen 

Seit dem 3. Juni 2017 wanderte unter dem Namen «whatsalp» eine Gruppe von Alpenfachleuten durch Österreich, die Schweiz, Frankreich und Italien von Wien nach Nizza. Sie dokumentierten den aktuellen Zustand der Alpen und tauschten sich mit verschiedenen Menschen vor Ort und unterwegs aus.

Ein weiteres Ziel war, einen Vergleich mit den Ergebnissen der Alpendurchquerung TransALPedes im Jahr 1992 zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Hauptpartner des Projekts waren die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA und die schweizerische Alpen-Initiative, neben zahlreichen weiteren Partnern wie der Alpenkonvention. Am 29. September 2017 trifft die whatsalp-Gruppe in Nizza ein und berichtet über die Ergebnisse.

Auf der Fussreise von 1800 Kilometer begleiteten etappenweise rund 200 Mitwandernde die
Kerngruppe von whatsalp. Sie bestand aus den Schweizer Geografen Dominik Siegrist und
Harry Spiess sowie aus den österreichischen Alpenexperten Christian Baumgartner und
Gerhard Stürzlinger.

Die europäischen Alpen präsentierten sich ihnen als vielfältige und spannende Region. Diese werden einerseits durch ein starkes Bevölkerungswachstum geprägt, leiden aber in vielen Regionen verstärkt an einer flächenhaften Abwanderung. Bei den Treffen und Gesprächen mit Menschen vor Ort haben die whatsalp-Mitglieder den Eindruck erhalten, dass im Vergleich zu 1992 die junge Generation heute in den Berggebieten deutlich weniger vertreten ist. «Um dies zu ändern, braucht es neue, den jeweiligen nationalen und regionalen Verhältnissen angepasste Strategien und Modelle», sagt Harry Spiess vom whatsalp-Kernteam. Nötig sei, das starke Wachstum der Alpenstädte zu bremsen und die Alpenregionen für das Wohnen und Arbeiten wieder attraktiver zu machen, gerade auch für junge Leute. Deren dreissig begleiteten die Wandergruppe etappenweise im Rahmen des CIPRA-Projekts whatsalp youth.

Zusammenfassung der Ergebnisse Alpendurchquerung „whatsalp“

In Bezug auf die Schweiz lassen sich die Ergebnisse der Alpendurchquerung whatsalp in
sieben Punkten zusammenfassen:
1) Die Alpen sind vom Klimawandel und seinen Folgen noch stärker betroffen als bereits 1992.

Die whatsalp-Gruppe hat die beschleunigt schmelzenden Gletscher erlebt, was zu einem
Qualitätsverlust der Alpenlandschaft führt, wie am Rhonegletscher. Als Folge des
Schneemangels ist zu beobachteten, wie viele Skigebiete mit teuren Beschneiungsanlagen,
Pistenplanien und Speicherseen weiter aufrüsten, wie derzeit in Andermatt im Kanton Uri.
Kernteam-Mitglied Christian Baumgartner stellt fest: «Die klimabedingten Naturgefahren
nehmen zu, wie der Bergsturz in Bondo im Bergell drastisch gezeigt hat.» Für den Klimaschutz brauche es konsequentere Lösungen als heute, und die Berggebiete müssten im Rahmen der Klimapolitik der Schweiz eine besondere Aufmerksamkeit erhalten.
2) Neben dem sich im Vergleich zu 1992 verstärkenden, global ausgerichteten unökologischen Intensivtourismus haben die whatsalp-Weitwanderer neue Formen des naturnahen Tourismus in den Alpen erlebt, zum Beispiel mit dem Projekt «100% Valposchiavo» in Graubünden oder dem Landschaftspark Binntal im Wallis. Dazu sagt Kernteam-Mitglied Dominik Siegrist: «Der Alpentourismus benötigt dringend eine Reform in Richtung Nachhaltigkeit, sei dies mit der Ökologisierung des intensiven Tourismus, aber auch mit der konsequenteren Förderung eines an die jeweiligen lokalen Verhältnisse angepassten naturnahen Tourismus.»

3) Der Transitgüterverkehr auf der Strasse hat in den vergangenen 25 Jahren weiter
zugenommen, und auch der motorisierte Freizeitverkehr hat sich stark entwickelt. «Wir haben uns mit einer Reihe von Projekten zur Förderung der sanften Mobilität beschäftigt», erklärt Gerhard Stürzlinger vom whatsalp-Kernteam. Trotz positiven Ansätzen, wie sie beispielsweise durch die Alpen-Initiative in die nationale Politik eingebracht worden seien, gelänge es aber insgesamt nicht, den überbordenden motorisierten Güter- und Freizeitverkehr in den Alpen einzudämmen. «Bund und Kantone sind gefordert, wirkungsvolle Regelungs- und Förderinstrumente zur Eindämmung des Transitverkehrs, zur Verlagerung insbesondere der Gütertransporte auf die Schiene und zur Besänftigung des motorisierten Freizeitverkehrs zu schaffen», fordert Gerhard Stürzlinger.
4) Eine im Vergleich zu 1992 neue Entwicklung ist die Energiewende, die zu Konflikten
zwischen Energieprojekten und Landschaftsschutz führt, zum Beispiel im Grimselgebiet,  das auf der Wanderung ebenfalls besucht worden ist. Die whatsalp-Gruppe hält hierzu fest: «Wir fragen uns, ob es angesichts der relativ geringen zusätzlichen Energieproduktion durch solch neue Anlagen sinnvoll ist, die Zerstörung der letzten naturnahen Alpentäler in Kauf zu nehmen.»
5) Beim Besuch in der Adula-Region hat die whatsalp-Gruppe deutlich erfahren, dass sich im Rahmen von Nationalparkprojekten die Frage stellt, wie künftig die freie Naturentwicklung gefördert werden kann. Ihre Schlussfolgerung ist klar: Es braucht eine offene Debatte über die Schaffung von neuen Wildnisgebieten, unter Einbezug der Bevölkerung. Nur so wird es möglich werden, in der Schweiz künftig einen zweiten Nationalpark zu schaffen. Dieser ist Voraussetzung, um die immense biologische Vielfalt in den Alpenregionen langfristig zu erhalten.

6) Das «Bioland Alpen» ist seit 1992 in vielen Tälern der Alpen Realität geworden, während an anderen Orten weiterhin eine wenig ökologische Landwirtschaft dominiert. Im Rahmen der Landwirtschaftspolitik ist die Ökologisierung der Berglandwirtschaft weiter zu fördern und sind Anreize zu schaffen, um die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus zu verstärken.

Rückfragen sind zu richten an:
Dominik Siegrist, Kernteam whatsalp, dominik.siegrist@whatsalp.org; Tel +41 79 673 43 30 Maya Mathias, Mitarbeiterin Kommunikation CIPRA International, maya.mathias@cipra.org, Tel +423 237 5353

Die CIPRA, eine vielfältige und vielgestaltige Organisation

Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA ist eine nichtstaatliche Dachorganisation mit nationalen Vertretungen und einer regionalen Vertretung in den sieben Alpenländern. Sie vertritt über 100 Verbände und Organisationen, darunter auch die Alpen-Initiative. Die CIPRA arbeitet für eine nachhaltige Entwicklung in den Alpen und setzt sich für die Erhaltung des Natur- und Kulturerbes, für die Erhaltung der regionalen Vielfalt und für Lösungen grenzüberschreitender Probleme im Alpenraum ein. www.cipra.org

Alpen-Initiative
Die Alpen-Initiative (rätoromanisch «Iniziativa da las Alps») ist ein Schweizer Verein, der sich für den Schutz des Alpengebietes vor dem Transitverkehr einsetzt. Der Verein lancierte die «Eidgenössische Volksinitiative zum Schutze des Alpengebietes vor dem Transitverkehr» (umgangssprachlich: «Alpen- Initiative»). Sie wurde am 20. Februar 1994 durch Volk und Stände angenommen. www.alpeninitiative.ch