Die duale Berufsbildung in unserem Land ist ein Erfolgsmodell. Da besteht kein Zweifel. Viele Staaten wollen es kopieren, so wie wir es von der Schweiz teilweise übernommen haben. Die «lie-zeit» hat sich mit der Bildungsministerin Dominique Gantenbein unterhalten.
Interview: Herbert Oehri
Wie schätzen Sie die duale Berufsbildung bei uns ein?
Regierungsrätin Dominique Gantenbein: Die duale Berufsbildung ist einer der bedeutendsten Bildungszweige in Liechtenstein. Rund zwei Drittel der Schulabgänger aus unseren Sekundarschulen entscheiden sich jährlich für den Weg der Berufslehre. Die hohe Ausbildungsbereitschaft seitens der Lehrbetriebe zeigt einerseits die starke Verankerung der dualen Berufslehre, mit all ihren Vorzügen, in unserem Bildungssystem und anderseits den hohen Bedarf an jungen Fachkräften seitens der heimischen Wirtschaft. Auch die niedrige Jugendarbeitslosigkeit haben wir zu einem Grossteil dem hohen Stellenwert der dualen Berufsausbildung in unserer Gesellschaft zu verdanken. Diese fällt in Ländern ohne Berufslehre durchwegs deutlich höher aus, da die Schnittstelle zwischen der Wirtschaft und der Ausbildung sowie die Verbindung zwischen Theorie und Praxis nicht in dem Ausmass realisiert ist, wie dies in Liechtenstein und den anderen deutschsprachigen Ländern der Fall ist.
Was macht die Berufslehre so attraktiv?
Die Berufslehre hat sich über die Jahre hinweg entwickelt und immer wieder bewiesen und bewährt. Sie geniesst einen kontinuierlich hohen Stellenwert. Dies sicher auch deshalb, weil sich die duale Berufsausbildung und der akademische Weg in den deutschsprachigen Ländern als gute Ergänzung bewährt haben und nicht als Konkurrenz zueinander gesehen werden. Es lohnt sich, die beiden Wege weiterhin gleichermassen zu fördern und noch stärker miteinander zu verbinden. Unsere Wirtschaft braucht Arbeitskräfte, die Theorie und Praxis miteinander verknüpfen können.
Mit einer Lehre einsteigen und ganz nach oben kommen – sogar bis an die Spitze eines der grössten Bankhäuser der Welt, wie der heutige UBS-CEO Ermotti, wird gerne als Beispiel herangezogen. Welche Voraussetzungen muss ein junger Mensch mit sich bringen, um einen ähnlich erfolgreichen Weg einschlagen zu können?
Ich denke, es spielen sehr viel verschiedene Faktoren mit, die einen Berufsweg lenken können. Diese Faktoren sind in meinen Augen grösstenteils sehr individuell. Wichtig als Grundvoraussetzung ist jedoch sicher, dass man gerne tut, was man macht, denn die Wahrscheinlichkeit, in seinem Bereich Erfolg zu haben, ist grösser, wenn man Freude an der Arbeit hat.
Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einlassen zu können. In unserem Bildungssystem bietet das vielfältige Weiterbildungsangebot die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Kommen dann noch Teamfähigkeit, Kreativität, Flexibilität, Offenheit und Leistungsbereitschaft hinzu, stehen die Chancen gut, die Ziele zu erreichen, die man sich selber setzt.
Sehen Sie die Berufsbildung als Kostenpunkt oder eher als Investition?
Die Berufsbildung ist für mich ganz klar eine Investition in die Zukunft. Wir investieren in unsere Lernenden, denen wir die Zukunft unseres Landes irgendwann in die Hände legen werden. Die Bedeutung, die der Berufsausbildung in den unterschiedlichsten Bereichen einer Gesellschaft und der Wirtschaft zukommt, ist enorm und muss mit Engagement weiter gestärkt werden.
Sind Sie mit der Zusammenarbeit der Unternehmungen und der staatlichen Stellen, die für die Berufsbildung zuständig sind, zufrieden? Oder könnte man es noch besser machen?
Ich nehme die Zusammenarbeit zwischen dem Bereich der Berufsbildung und den Unternehmungen als sehr aktiv wahr. Der Standortvorteil der kurzen Wege wird genutzt und die Vernetzung in der Zusammenarbeit ist sehr gut. Meiner Erfahrung nach funktioniert in unserem Land die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und dem Staat im Bildungsbereich sehr gut. Beispielsweise zeigt die vor kurzer Zeit gemeinsam lancierte Bildungsinformationsinitiative «next-step» diese partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Regierung, dem Amt für Berufsbildung und der Wirtschaft sehr gut auf. Solche Projekte sind keine Selbstverständlichkeit und bedingen auch für die Zukunft ein hohes Engagement aller Beteiligten.
Wie könnte Liechtenstein Ihrer Meinung nach den Fachkräftemangel in vielen Unternehmungen längerfristig beseitigen?
Wichtig erscheint mir, nicht von einem allgemeinen Fachkräftemangel auszugehen, sondern gezielt zu analysieren, in welchen Bereichen die Fachkräfte heute und in Zukunft fehlen. Wo heimische Fachkräfte fehlen, braucht es einerseits eine Sensibilisierung und zugleich auch ein aktives Marketing für zukunftsbedeutende Berufe. Dann haben Jugendliche die Chance, sich für zukunftsorientierte Berufsfelder zu engagieren.