Regierungsrat Pedrazzini beantwortete Fragen zum Gesundheitswesen
Einleitung von Wendelin Lampert zu einer Kleinen Anfrage (siehe unten): Die Medicnova Privatklinik AG arbeitet derzeit unter einer zeitlich befristeten provisorischen Betriebsbewilligung. Gemäss Aussagen des Gesundheitsministers wird sich die Regierung mit der Vergabe der definitiven Betriebsbewilligung befassen müssen. Gemäss Art. 16 Abs. 2 des Ärztegesetzes darf sich ein Arzt nicht finanziell an Unternehmen beteiligen, von welchen er Heilmittel und/oder medizinische Dienstleistungen bezieht oder bei welchen er medizinische Dienstleistungen anordnet. Die Gründer der Medicnova sind frei praktizierende Ärzte mit OKP-Vertrag und könnten Zuweisungen an die Klinik machen, welche ihnen gehört. In einer öffentlichen Äusserung vom 8. Mai dieses Jahres bei Radio L erklärten zwei der Gründer, dass sich die Klinik nicht mehr im Eigentum der Gründer befinde.
Anfrage Der FBP-Abg. Wendelin Lampert stellte dazu dem zuständigen Minister Mauro Pedrazzini folgende Fragen:
- Weiss die Regierung, wem sie gegebenenfalls eine definitive Betriebsbewilligung erteilt?
- Sind der Regierung die Strukturen des Unternehmens bekannt und wie sehen diese aus?
- Sind der Regierung die Eigentumsverhältnisse der Medicnova Privatklink AG bekannt?
- Haben mit diesen „neuen“ Eigentümern schon Gespräche stattgefunden?
- Kann die Medicnova Privatklinik AG durch Zwischenschalten einer juristischen Person, welche letztlich von den Gründern kontrolliert wird, Art. 16 Abs. 2 des Ärztegesetzes umgehen?
Antwort:
Zu Frage 1:
Die definitive Betriebsbewilligung wird gemäss Gesundheitsgesetz an die juristische Person, also an die Medicnova Privatklinik AG als Einrichtung des Gesundheitswesens erteilt und nicht an die Eigentümer oder die wirtschaftlich Berechtigten.
Zu Frage 2:
Es sind im Öffentlichkeitsregister zwei Gesellschaften mit dem Namen Medicnova eingetragen. Die Medicnova Immobilien Anstalt ist eine Anstalt mit einem Anstaltsfonds von CHF 6‘690‘000 und die Medicnova Privatklinik AG mit einem Aktienkapital von CHF 11‘000‘000. Weitere Informationen zur Unternehmensstruktur liegen der Regierung nicht vor.
Zu Frage 3:
Der Regierung sind die Eigentumsverhältnisse, also in wessen Eigentum die Aktien der Medicnova Privatklinik AG stehen, nicht bekannt.
Zu Frage 4:
Der Regierung sind die Eigentümer nicht bekannt und es konnten daher keine Gespräche stattfinden.
Zu Frage 5:
Da der Regierung die Eigentums- bzw. Beteiligungsverhältnisse der Medicnova Privatklinik AG derzeit nicht bekannt sind, kann das Vorliegen eines allfälligen Umgehungstatbestandes nicht beurteilt werden. Ein Verstoss gegen die Bestimmungen des Art. 16 Abs. 2 Ärztegesetz würde ein Disziplinarvergehen darstellen und wäre vom Obergericht zu ahnden. Im Disziplinarverfahren gegen Ärzte kommt der Ärztekammer das Antrags- und Beschwerderecht zu.
Anfrage Kleine Anfrage des FBP-Abg. Elfried Hasler an Regierungsrat Mauro Pedrazzini zum Thema „Freie Arztwahl und Auswirkungen auf die Krankenkassen-Prämien“.
Am 23. Mai plädierte der Präsident der Liechtensteiner Patientenorganisation (LIPO) in einem Forumsbeitrag in den liechtensteinischen Landeszeitungen für die Abschaffung der Bedarfsplanung und die Einführung der freien Arztwahl, dies durch die Abschaffung der OKP-Plus Versicherung. Hierzu folgende Fragen:
- Wie hoch ist der Anteil der Versicherten, die heute auf freie Arztwahl verzichten und damit jährlich um CHF 480.– tiefere Krankenkassenprämien bezahlen, als dies mit einer OKP-Plus Versicherung der Fall wäre?
- Im Nachgang zum EWR-Beitritt gab es einige Jahre keine Beschränkungen zur Eröffnung einer Arztpraxis und damit zum Zugang zu den Krankenkassen. Wie waren die damaligen Erfahrungen?
- Welche Auswirkungen auf die Krankenkassenprämien wären vom Vorschlag der Liechtensteiner Patientenorganisation zu erwarten?
Antwort:
Zu Frage 1:
Per 31. Dezember 2016 gab es in Liechtenstein insgesamt 39’444 OKP-Versicherte. 29’359 Personen oder 74.4 % verfügten über eine sog. Standard-OKP, 10’085 Personen oder 25.6 % über eine erweiterte OKP mit freier Wahl des Leistungserbringers.
Zu Frage 2:
Die direkten Arztkosten stiegen von 1996 bis 2000 um über 30 %. Dieser Kostenanstieg muss vorwiegend damit in Verbindung gebracht werden, dass in diesem Zeitraum die Anzahl der in Liechtenstein konzessionierten Ärzte um rund 70 % gestiegen ist. Im Jahr 2002 waren 64 frei praktizierende Ärzte zur Berufsausübung und damit auch Abrechnung mit den Krankenkassen zugelassen. Seit dem EWR-Beitritt Liechtensteins hatte sich die Anzahl Ärzte damit beinahe verdoppelt. Durch die Entwicklung der Ärztezahlen bzw. Ärztedichte konnten sicherlich Versorgungslücken im Inland geschlossen werden. Dennoch wurde ein unkontrollierbarer Ärztezuwachs im Inland und das Vorliegen einer angebotsinduzierten Nachfrage festgestellt, was zu einem befristeten Zulassungsstopp im Jahr 2002 und schliesslich zur Einführung der Bedarfsplanung per Gesetz im Jahr 2004 führte.
Zu Frage 3:
Falls es wieder zu einem starken Anwachsen der Ärztedichte käme, wie es bis 2002 der Fall war, als es keinerlei Einschränkungen für Ärzte im Inland betreffend den Zugang zu den Krankenkassen gab, dann ist mit einer entsprechenden Erhöhung der Kosten und damit der Prämien zu rechnen.
Anfrage Kleine Anfrage des DU-Abg. Erich Hasler an Regierungsrat Mauro Pedrazzini zum Thema: „Freie Arztwahl“.
Frage:
Ich habe eine Anschluss-Anfrage im Anschluss an die heute gestellte Kleine Anfrage des Abg. Elfried Hasler zur freien Arztwahl.
- Wäre die Vertragsfreiheit für Krankenkassen ein probates Mittel, um den Zustrom von Ärzten aus dem EWR-Raum in Grenzen zu halten? Wenn nicht, warum nicht?
- Hat die Regierung schon einmal ernsthaft erwogen, den Krankenkassen Vertragsfreiheit zu gewähren, das heisst den Krankenkassen zu überlassen, mit welchen Ärzten sie Verträge abschliessen möchten, um die Grundversorgung im OKP-Bereich sicherzustellen?
- Nachdem Liechtenstein die freie Arztwahl in Verletzung des Notenaustauschs mit der Schweiz aus dem Jahr 1938 vor circa 15 Jahren einseitig aufgehoben hat und die Schweiz vor wenigen Monaten ebenfalls die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat, bemüht sich die Regierung neuerdings wieder um eine bessere Zusammenarbeit mit der Schweiz im Bereich des Gesundheitswesens. Welche Ziele visiert die Regierung in den Verhandlungen mit der Schweiz an und wie ist der Stand der Verhandlungen?
Antwort:
Zu Frage 1:
Die Erfahrung zeigt, dass der Zugang von Leistungserbringern zu den Krankenkassen kontrolliert werden muss. Dazu gibt es im Wesentlichen drei Methoden:
- Erstens die Beschränkung der Berufszulassung, also die Entscheidung, ob jemand zur Ausübung der Tätigkeit überhaupt zugelassen werden soll,
- zweitens die Bedarfsplanung, also die Entscheidung, ob jemand zur Abrechnung mit den Krankenkassen zugelassen werden soll und
- drittens die Vertragsfreiheit, also die freie Entscheidung der Kassen, welche Leistungserbringer sie unter Vertrag nehmen.
Alle drei Methoden haben Vor- und Nachteile, wobei die Beschränkung der Berufszulassung, welche in Liechtenstein über einige Zeit praktiziert wurde, nach dem EWR-Beitritt aufgegeben werden musste. Der Vorteil der Vertragsfreiheit ist, dass sie grundsätzlich ohne staatliches Zutun funktioniert und dass die Leistungserbringer die Kassen als Kunden sehen. Die Nachteile liegen darin, dass Methoden gefunden werden müssen, trotz dem dadurch möglicherweise verstärkten Kostendruck die Qualität hochzuhalten. Unser heutiges System beruht auf der Bedarfsplanung, welche gegenwärtig neu erstellt wird.
Es sei jedoch betont, dass die Vertragsfreiheit an sich den in der Frage erwähnten Zustrom von Ärzten aus dem EWR-Raum nicht beeinflussen wird, denn es können auch Verträge mit diesen Ärzten abgeschlossen werden bzw. können diese Ärzte auch ohne OKP-Vertrag für Selbstzahler oder Versicherte mit erweiterter OKP tätig sein.
Zu Frage 2:
Die Regierung hat bisher das System der Vertragsfreiheit noch nicht eingehender geprüft. Die Einführung der Vertragsfreiheit würde Änderungen am Krankenversicherungsgesetz bedingen. Wie bei der ersten Frage erwähnt, arbeiten wir derzeit mit dem System der Bedarfsplanung und sind dabei, diese gemäss der jüngsten Revision des Krankenversicherungsgesetzes auf neue Beine zu stellen. Sollte sich weisen, dass die Bedarfsplanung nicht zufriedenstellend funktioniert, ist die Vertragsfreiheit eine mögliche Alternative.
Zu Frage 3:
Das Ziel der Regierung ist es, in einem Staatsvertrag, der den Notenaustausch von 1938/39 ersetzt, offene Grenzen zur Schweiz im Bereich der ambulanten Leistungserbringer herzustellen. Die Verhandlungen sind weit fortgeschritten.
Anfrage Kleine Anfrage des VU-Abg. Christoph Wenaweser an Regierungsrat Mauro Pedrazzini zum Thema: „Rechnungskopien KVG“
Frage:
Das neue KVG sieht in Art. 20a vor, dass der Versicherte eine Kopie der Rechnung, die an die Kasse ergangen ist, erhält. Diese Norm ersetzte als Kompromiss den ursprünglich beabsichtigten „tiers garant“ in der KVG-Revision. Damit wird die Schaffung von Transparenz und Kostenbewusstsein beabsichtigt. Nach den ersten Monaten mit dem neuen KVG wird verschiedenen Orts diskutiert, ob der Patient den Leistungserbringer vom Rechnungskopien-versand befreien kann. Dazu und im selben Kontext folgende Fragen:
- Kann der Patient nach begründeter Rechtsauslegung der Regierung überhaupt rechtswirksam auf die Rechnungskopie beim jeweiligen Leistungserbringer verzichten und damit den Leistungserbringer von seiner Pflichtung befreien?
- Wie kann die Regierung feststellen, ob durch den Versand von Rechnungskopien ein verändertes Verhalten oder Bewusstsein hinsichtlich dem Bezug von kranken-versicherten Leistungen durch die Patienten erfolgt?
- Wie kann die Regierung feststellen, ob und in welcher Weise der Rechnungskopien-versand einen Mehrwert auch im Vergleich zu den hierfür anfallenden Kosten gestiftet hat und in welchem betraglichen Umfang durch Intervention der Leistungsbezüger Rechnungen nach unten korrigiert werden konnten?
- In welcher Weise gedenkt die Regierung den Versand von Rechnungskopien an die Leistungsbezüger zu überwachen?
- Wie viele Rechnungen wurden von den Leistungserbringern bislang an die Krankenversicherer und somit in Kopie an die Leistungsbezüger gestellt und von welcher Gesamtzahl geht die Regierung für das laufende Jahr aus?
Antwort:
Zu Frage 1:
Ein Verzicht ist nicht vorgesehen. Natürlich kann jede Person grundsätzlich auf ein ihr zustehendes Recht verzichten. Die Bestimmung des Art. 20a Abs. 1 KVG richtet sich aber an den Leistungserbringer, der verpflichtet ist, eine Rechnungskopie zuzustellen. Er soll sich keinesfalls mit dem Argument, der Patient habe gar kein Interesse an der Rechnungszustellung, seiner Verpflichtung entledigen können. Schliesslich würde damit nur der Leistungserbringer selbst Umtriebe und Kosten sparen. Der Patient hat keinen Aufwand. Im Übrigen ist auch eine elektronische Zustellung möglich.
Zu Frage 2:
Die Regierung kann nicht feststellen, ob sich das Verhalten oder das Bewusstsein der Patienten verändert. Der zwingende Versand der Rechnungskopien, den der Gesetzgeber klar gewünscht hat und der auch in der Schweiz vorgeschrieben ist, dient der Herstellung von Transparenz. Diese Transparenz könnte aber nicht nur das Verhalten oder das Bewusstsein der Patienten verändern, sondern auch das Verhalten oder das Bewusstsein der Leistungserbringer.
Zu Frage 3:
Die Regierung hat, wenn überhaupt, nur sehr indirekt die Möglichkeit, den Mehrwert oder den betraglichen Umfang der nach unten korrigierten Rechnung durch Intervention der Leistungsbezüger festzustellen. Der Mehrwert liegt in der Transparenz. Diese Transparenz war bisher nicht gegeben und Patienten erhielten nur eine nichtssagende Abrechnung der Krankenkassen. Diese Transparenz erlaubt es dem kritischen Patienten, die in Rechnung gestellten Leistungen zu prüfen.
Zu Frage 4:
Wie auch bei anderen gesetzlichen Vorschriften ist eine hundertprozentige Überwachung nur mit hohem Aufwand möglich. Wenn die Regierung Kenntnis erlangt, dass ein Arzt die Verpflichtung zum Versand von Rechnungskopien nicht einhält, wird sie bzw. das Amt für Gesundheit beim betroffenen Arzt intervenieren.
Zu Frage 5:
Es war leider nicht möglich, in der kurzen Zeit die Anzahl jährlich gestellter Rechnungen zu eruieren.