Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch führt das Ministerium für Infrastruktur, Wirtschaft und Sport. Im Interview mit der «lie:zeit» berichtet er von seiner Einarbeitungszeit und blickt voraus auf künftige Herausforderungen.
Text: Heribert Beck
Herr Regierungschef-Stellvertreter, die Ministerien sind gemäss Koalitionsvertrag unter den fünf Regierungsmitgliedern aufgeteilt. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlungen?
Daniel Risch: Die Koalitionsverhandlungen liegen für mich gefühlt schon sehr weit zurück. Ich persönlich bin mit deren Ergebnis sehr zufrieden und habe mich auf meine Ressorts gefreut. Ich glaube, wir haben eine für alle Beteiligten fruchtbare und gute Lösung gefunden.
Sie sind seit Anfang April im Amt. Wie haben Sie diese ersten Wochen erlebt?
Es fühlte sich an wie das Aufspringen auf einen fahrenden Zug. Das habe ich auch nicht anders erwartet. Es ist wie überall, wo man etwas Neues beginnt. Es gibt Prozesse und Vorgehensweisen, an die ich mich zuerst gewöhnen musste. Aber ich habe mich gut eingelebt, wozu sicher auch die bewährten Mitarbeitenden beigetragen haben, die im Hintergrund für Kontinuität in den einzelnen Geschäftsbereichen sorgen. Für Kontinuität sorgen selbstverständlich auch die Mandatare, die schon längere Zeit auf dem politischen Parkett aktiv sind.
Ist es nicht auch in Liechtenstein so, dass Politikern die ersten 100 Tage im Amt als Schonfrist gegeben werden?
Ich habe nicht das Gefühl, dass wir, das heisst Dominique Gantenbein und ich, als neue Mitglieder der Regierung einer besonderen Schonfrist unterstehen. Das hat der Mai-Landtag gezeigt, und das ist auch gut so. Ich durfte bereits in der ersten Woche sehr eindrückliche Erfahrungen sammeln. Sei dies als Wirtschaftsminister am Unternehmertag oder als Sportminister beim Abschlussabend der Special Olympics, an dem ich mit den Athleten, ihren Eltern und Betreuern teilnehmen durfte. Die Athletinnen und Athleten sind einfach tolle Botschafter für den Sport und das Land Liechtenstein.
Welches Ihrer Ministerien sehen Sie als das arbeitsintensivste an?
Diese Frage lässt sich nicht so ohne Weiteres beantworten. Es ist beispielswiese so, dass es viele Überlappungen zwischen der Infrastruktur und der Wirtschaft gibt. Diese beiden Bereiche in einem Ministerium zu vereinen, war mit Sicherheit ein sehr sinnvoller Schritt. In beiden Bereichen stehen spannende Herausforderungen an. Herausforderungen, die mich reizen, denn um diese zu bewältigen, bin ich in die Regierung gewählt worden. Aber natürlich liegt mir auch der Sport sehr am Herzen. Er stellt eine wunderbare und wertvolle Ergänzung zu meinen beiden anderen Ressorts dar.
«Den Individualverkehr zu behindern,
entspricht nicht meiner Geisteshaltung.»
Daniel Risch, Regierungschef-Stellvertreter
Sie sprechen die Herausforderungen an. Eine der drängendsten ist sicherlich der Verkehr. Sie haben sich bereits einmal kritisch zur S-Bahn FL.A.CH geäussert…
Es geht mir nicht in erster Linie um einen Wettbewerb der Verkehrsträger Schiene und Strasse. Aber ein Blick aus dem Fenster, zu Hause oder im Büro, zeigt, dass die Feinverteilung des Verkehrs auf der Strasse bewältigt werden muss. Dazu gehören aber bei Weitem nicht nur der motorisierte Individualverkehr, sondern auch der Öffentliche Verkehr (ÖV) und der Langsamverkehr. Im Juni wird der Landtag über einen Bericht und Antrag befinden, der sich um die Errichtung einer Radfahrer- und Fussgängerbrücke für Pendler auf Höhe des Liechtensteinischen Gymnasiums nach Buchs/Räfis beschäftigt. Es handelt sich also um ein Infrastrukturprojekt und gleichzeitig auch um ein Strassenprojekt, das sich mit dem Langsamverkehr befasst und das Fahrradnetz optimiert.
Aber mit der S-Bahn planen Sie nicht mehr?
Ich bin aus mehreren Gründen skeptisch. Einerseits bezüglich der Finanzierung, die das Projekt damals gestoppt hat, andererseits auch bezüglich der Entwicklungen in der Mobilität, die wir in der Zwischenzeit beobachten konnten und die die Zukunft noch bringen wird. Natürlich sind wir von Liechtensteiner Seite aber weiterhin gesprächsbereit. Ich habe die S-Bahn nicht ad acta gelegt. Ich stehe ihr einfach kritisch gegenüber.
Wo sehen Sie denn die Lösungen auf der Strasse? Das Verkehrs-
problem ist ja nicht wegzudiskutieren.
Der ÖV muss natürlich gefördert werden. Busspuren finde ich eine gute Lösung, dem Rückbau von Haltebuchten kann ich nichts abgewinnen. Den mobilisierten Individualverkehr durch den ÖV zu behindern, entspricht nicht meiner Geisteshaltung. Die Frage ist auch, wie wir in den Individualverkehr wieder vermehrt das Miteinander einbringen könnten, z. B. mit Fahrgemeinschaften. Gerade während der Stosszeiten sitzt in vielen Wagen nur eine Person und chauffiert – überspitzt formuliert – drei bis vier leere Sitze herum. Hier läge ein riesiges Potenzial, um das Individuelle mit dem Gemeinsamen zu verknüpfen.
«In erster Linie geht es mir darum, zu den bereits in Liechtenstein ansässigen Unternehmen Sorge zu tragen.»
Daniel Risch, Regierungschef-Stellvertreter
Wo liegen die Herausforderungen, deren Lösungen unmittelbar zu spüren sind?
Herausforderungen gibt es in all meinen Ressorts zu bewältigen. Am meisten spüren wird der Bürger natürlich die physischen Baustellen auf den Strassen. Aber auch die Beibehaltung und die Weiterentwicklung der guten Rahmenbedingungen für die Wirtschaft dürfen nicht vernachlässigt werden. Hier lässt sich vieles unter dem Oberbegriff «digitale Agenda» zusammenfassen. Diesbezüglich müssen wir zunächst einmal definieren, was wie eilig angegangen werden muss.
Was könnte das konkret sein?
Ganz allgemein umfasst die digitale Agenda ein breites Spektrum, wie der Ausbau des Glasfasernetzes und der 5G-Technologie oder die optimale Anbindung an die Knotenpunkte im Ausland. Aber auch Verwaltungsaufgaben wie eine moderne Identifikationslösung bis hin zur Möglichkeit eines E-Votings in einigen Jahren gehören dazu. Die digitale Agenda betrifft also nicht nur Themenbereiche des Ressorts Wirtschaft, sondern erstreckt sich über alle fünf Ministerien und will darum gut koordiniert sein.
Wie ist die Liechtensteiner Wirtschaft Ihrer Ansicht nach für die nahe Zukunft gerüstet?
Die Stärke unserer Wirtschaft liegt in der breiten Diversifizierung. Über 4000 KMUs sind ein starker Pfeiler, auf dem unsere Wirtschaft aufbaut. Die neusten Konjunkturzahlen stimmen sehr optimistisch. Wir müssen aber darauf achten, dass wir die guten Voraussetzungen durch die Sicherstellung von geeigneten Rahmenbedingungen aufrechterhalten.
Sehen Sie Nischen, in denen sich die Wirtschaft besonders entwickeln könnte?
In erster Linie geht es mir als Wirtschaftsminister darum, zu den bereits in Liechtenstein ansässigen Unternehmen – Industrie, Gewerbe und Finanzplatzakteure – Sorge zu tragen, damit sie weiterhin erfolgreich und innovationsfähig sein können. Die vielbeschworene Förderung von Start-up-Unternehmen ist zwar wichtig, kommt für mich aber erst an zweiter Stelle.