Eigentlich beginnt die ganze Story vor mehr als 150 Jahren in der liechtensteinischen Gemeinde Mauren. Die Familie Josef und Maria Üehle-Matt wanderte 1865 in die USA aus und übersiedelte dort nach Guttenberg im US-Bundesstaat Iowa. Hier, am Mississippi, lebten die Üehles unter anderen Auswandererfamilien aus Liechtenstein als einfache Bauern.
Text: Herbert Oehri · Fotos: ZVG, Archiv
Sie teilten das Los von vielen hunderttausend Einwanderern des alten Kontinents, indem sie hart durchs Leben mussten. Auch wenn immer wieder von glanzvollen Karrieren einiger Auswanderer in den USA zu hören war und berichtet wurde, dem täglichen Leben der allermeisten wurden diese Geschichten «vom Tellerwäscher zum Multimillionär» nicht gerecht. Aber die Menschen hatten immer noch eine bessere Zukunftsperspektive als in ihrer ehemaligen Heimat Liechtenstein, in welcher die Leute hart um ihren Lebensunterhalt zu kämpfen hatten.
Die späteren USA-Auswanderer Josef (1822 – 1893) und Maria Üehle-Matt (1827 – 1913) wohnten im Haus Nr. 59 alt im Gänsenbach. Ihr Zuhause wurde beim grossen «Gänsenbacher-Brand» 1856 komplett zerstört. Die Familie fasste 1865 den Entschluss, in die USA auszuwandern, nachdem sie vorübergehend in Schaanwald gewohnt hatte. Mit den Kindern Josef *1852, Rosa (1853 – 1923), Maria *1859 und Johann *1862 (Todesdaten sind bis auf das von Rosa nicht bekannt) ging es auf die grosse Reise per Schiff in die Vereinigten Staaten von Amerika.
Jakob Üehle, der Jüngste, kam 1866 in Amerika zur Welt. Er ist der Grossvater von Norman Üehle (Lee). Er starb 1944. Sein Sohn Josef Üehle (1892 – 1973) war der Vater von Norman Üehle.
Am 24. März 1921 wurde Norman Üehle in den Vereinigten Staaten geboren. Er war musikalisch sehr begabt, und bald wurde aus ihm der berühmte Ballroom-Musiker Norman Lee (aus Üehle wurde Lee).
Im Jahre 1999 drehte der Ruggeller Künstler Arno Oehri mit seiner Projektgruppe einen 50-minütigen Film über Norman Lee. Der Film erzählt die Geschichte des in den USA berühmten Ballroom-Bigband-Leaders Norman Lee. Die Dokumentation zeigt auf eindrucksvolle Art die Geschichte dieses aussergewöhnlich begabten Musikers und folgt ihm auf den Spuren seines Lebens. Auch führt uns Arno Oehri im Film zu allen wichtigen Wirkungsstätten von Norman Lee. Die Kindheit in Danbury und Correctionville/Iowa, der Namenswechsel von Üehle zu Lee durch Normans Mutter Alice, die bereits in den Dreissigerjahren ein Tanzorchester unterhielt. Normans Erfolge mit dem Lawrence Welk Orchestra und dem Eddy Howard Orchestra in Chicago in den 40er- und 50er-Jahren, die vielen Tourneen durch ganz Amerika, die Blütezeit seines eigenen Orchesters in Wichita/Kansas und viele andere Aspekte seiner Persönlichkeit werden in der Folge illustriert.
Eingefasst ist dieser dokumentarische Hauptteil durch einige Spielszenen, die den tragischen Tod Norman Lees und seiner zweiten Frau Pat im Jahre 1978 beleuchten. Erzählt wird die Geschichte ausschliesslich anhand von Berichten der Zeitgenossen, die mit der Familie und mit ihm zu tun hatten. Historische Aufnahmen, Homemovies und viel Bildmaterial ergänzen den Streifzug durch dieses faszinierende Musikerleben.
Julius Bühler *1933 («Bretscha-Bura»), der Ende 1960 in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte, aber immer regen Kontakt zu seiner Familie, zu Mauren und zum Heimatland Liechtenstein pflegte, machte erste Nachforschungen über das Leben von Norman Lee und unterstützte Arno Oehri und sein Filmteam mit entsprechenden Dokumenten und Unterlagen über die Lee-Familie.
Norman Lee wurde ein wohlhabender Mann
Das Leben von Norman Lee verlief nicht ohne Schicksalsschläge. So verlor er seine erste Frau Geraldine geb. Barry, die an den Folgen einer schweren Krebskrankheit verstarb. Das ging ihm sehr nahe. Er war nicht nur ein begnadeter Musiker, dem nachgesagt wird, zu den weltbesten Klarinettisten seiner Zeit gehört zu haben, sondern auch ein tüchtiger und cleverer Geschäftsmann. Norman Lee brachte es zu Wohlstand und Reichtum. Er war Besitzer eines eigenen Flugzeuges, eines grossen Anwesens im Norden von Wichita mit 4,8 Hektaren Land und einem kleinen See. Hier lebte er mit seiner zweiten Frau Pat, welche die Töchter Nancy und Kathy aus erster Ehe mitbrachte. Norman und seine ebenfalls tüchtige Frau Pat waren im Musik-, im Pizza-, im Bier- und im Autogeschäft tätig und verdienten so eine Menge Geld. Die Kinder Nancy Lee und Kathy Vickers-Lee, Normans Stieftöchter, schwärmten von ihrem Pflegevater Norman. So sagte z. B. Nancy im Film zur Norman Lee-Story, dass sie glaubte, «neu geboren» zu sein, als sie ins neue Anwesen in der Nähe von Wichita eingezogen seien. Sie und ihre Schwester Kathy hätten eine ungetrübte und tolle Jugendzeit auf dem Lee-Anwesen verbringen dürfen. Voller Dankbarkeit würden sie auf ihre Kindheit und auf ihre Eltern zurückschauen.
Von Musiker aus eigener Band erschossen
Leider wurde dieses schöne Stück Heimat auch zum Grab von Norman und Pat Lee. Ein eifersüchtiger und drogenabhängiger Musiker namens Charly Martin, der in der Band von Norman Lee spielte, erschoss die beiden auf ihrem Anwesen. Später stellte sich heraus, dass er nicht ganz zurechnungsfähig war. Er glaubte im Ernst, der beste Trompetenspieler der Welt zu sein. Auch liess er von der fixen Idee nicht los, er sei der Star in der Lee-Band und nicht Norman Lee. Mit Pat Lee, der Ehefrau von Norman, wollte er tanzen, sie wies ihn zurück. Dies geschah einige Stunden vor ihrem Tod. Es gab Zeugen, die aussagten, gehört zu haben, wie Charly Martin danach gesagt haben soll: «Das wirst du noch bereuen.»
Wenige Stunden später erschoss er die beiden vor ihrer Villa. Zwei Monate nach dem Mordfall wurde Charly Martin in Houston/Texas tot aufgefunden. Er hatte sich mit der Tatwaffe selbst gerichtet.