International ist er als einstiger Teilzeit-Aussenminister und Anwalt bekannt, regional als wortgewandter Politiker, ausdrucksstarker Schauspieler, talentierter Harfenist und leidenschaftlicher Förderer der klassischen Musik. Ernst Walch, mittlerweile 60 Jahre alt, ist umtriebig wie eh und je, stillt seine Neugier, beschreitet neue Pfade.

Interview: Michael Benvenuti · Fotos: Oliver Hartmann

Ernst J. Walch, geboren am 12. Mai 1956, studierte Jus in Innsbruck, wo er 1980 seinen Doktortitel erwarb. Als erster Liechtensteiner überhaupt absolvierte er in der Folge ein Studium im Common Law an der New Yorker Universität, arbeitete in einer Kanzlei an der Wall Street und wurde als Rechtsanwalt in New York und den USA zugelassen. Der in Planken wohnhafte sechsfache Vater sass von 1989 bis 1996 für die FBP im Landtag, 1993 war er Landtagspräsident. 2000 und 2001 bekleidete der Dolmetscher und Übersetzer für Englisch und Deutsch das Amt des FBP-Präsidenten. Von 2001 bis 2005 war Walch dann (Teilzeit-)Aussenminister Liechtensteins. 1991 gründete er gemeinsam mit Andreas Schurti die international ausgerichtete Wirtschaftskanzlei Walch & Schurti und verfasste zahlreiche Publikationen zu internationalen Rechtsfragen, insbesondere zu Trustrecht und Vermögensschutz. Ernst Walch ist seit vielen Jahren als Schauspieler – Theater wie Musicals – tätig und stand auch für den Dokumentarfilm «1818 – Die Liechtenstein-Saga» vor der Kamera. In den 1990er-Jahren war Ernst Walch gleichzeitig Präsident der Vereinigung Bäuerlicher Organisationen (VBO), VR-Mitglied bei der Presta, Vizepräsident der LLB, VR-Mitglied beim «Volksblatt» und als Anwalt und Treuhänder selbständig tätig. Damit war er wohl die einzige Person in Liechtenstein, die führende Positionen gleichzeitig in allen Wirtschaftszweigen innehatte.

«Ich kann begeistern und mich
begeistern lassen –
das gibt Energie.»

Rechtsanwalt, Treuhänder, Dolmetscher, ehemaliger Spitzenpolitiker, Stiftungsratspräsident des Sinfonieorchesters Liechtenstein (SOL), Schauspieler, sechsfacher Vater. Wie lässt sich das alles in 60 Lebensjahre packen? Hat Ihr Tag mehr als 24 Stunden?
Ernst Walch:
Nein, mein Tag hat nicht mehr als 24 Stunden, aber er hat eben 24 Stunden (lacht). Ich bin wohl mit sehr viel Energie gesegnet und brauche gleichzeitig sehr wenig Schlaf, nur 5 bis 5,5 Stunden. Ich stehe jeden Tag um 5.30 Uhr auf, betreibe 30 bis 40 Minuten Frühsport, darunter 100 Liegestütze und mehr. Wenn die anderen um 8 Uhr ins Büro kommen, habe ich meinen halben Vormittag schon fast erledigt (lacht). Woher ich meine Energie nehme? Ich kann begeistern und mich begeistern lassen – das gibt Energie. Ich bin sozusagen ein Energie-Vampir – im positiven Sinn. Ich sauge die Energie aus meinen Mitmenschen, meinem Gegenüber. Ein anregendes Gespräch, ein aufregendes, interessantes Treffen gibt mir neue Kraft und baut mich auf.

Was trieb und treibt Sie an, immer neue Pfade zu suchen und zu gehen? Sind Sie so neugierig oder ein ewig Rastloser?
Ich bin sehr neugierig. Es gibt immer wieder Menschen, die über mich sagen, dass ich ein richtiger Renaissance-Mensch sei, weil ich viele Ideen und Interessen habe und versuche, die Welt allumfassend und gesamthaft zu betrachten. Ich versuche auch immer wieder, ausserhalb des Systems zu denken. So gelangst du auf neue Pfade. Das predige ich meinen Mitarbeitern immer wieder: denkt das Gegenteil, think outside the box. Ein ewig Rastloser bin ich nicht – im Gegenteil. Ich kann sehr wohl verweilen. Ich bin keiner, der etwas beginnt und dann gleich wieder etwas Neues macht. Ich bin schon eher ein Perfektionist, wobei ich durchaus rational-ökonomisch sein kann. Wenn ich sehe, dass sich etwas nicht lohnt oder dass etwas einfach nicht passt, dann stoppe oder gebe ich das Angefangene auf.

Wenn Sie das Rad der Zeit um 40 Jahre zurückdrehen könnten, was würden Sie mit dem Wissen und der Erfahrung von heute anders machen?
Ich würde irgendwo zwischen Matura und Studien ein halbes oder ganzes Jahr dazu verwenden, um ein völlig fremdes Land mit fremder Sprache und fremder Kultur kennenzulernen. Zum Beispiel China oder Russland. Rückblickend gesehen, wäre es völlig egal gewesen, ob ich nun mit 27 oder 28 ins Berufsleben starte. Aber damals fehlte mir natürlich diese Erfahrung, da stand anderes im Mittelpunkt: Geld verdienen, Familie gründen. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich ausserdem schon als Kind ein Saiteninstrument lernen – Gitarre, Klavier oder Harfe. Ich habe zwar als Kind Trompete gespielt und war schon als 16-Jähriger erster Trompeter der Harmoniemusik Schaan, aber ich habe Mühe in der Umsetzung von Melodie und Begleitung auf einem Instrument. Ich empfehle deshalb auch jedem das Erlernen eines Saiteninstruments. Dadurch ist ein ganz anderer Zugang zur Musik möglich.

Sie waren FBP-Präsident, Landtagspräsident, Aussenminister – und sind noch immer Schauspieler. Wo war mehr schauspielerisches Geschick gefragt: in der Politik oder auf der Theaterbühne?
Das ist nicht vergleichbar: Auf der Bühne spielst du immer eine fremde Person, in der Politik musst du hingegen du selbst sein und darfst keine andere Rolle spielen. Das macht auch den Erfolg eines Politikers aus. Die Leute fordern Authentizität, deutliche Worte – sie haben Fassaden und Floskeln satt.

 

«Ich musste nie auf
die Bühne, um mich zu produzieren.»

 

Weshalb suchten Sie den Weg auf die Bühne? Bot Ihnen die Politik nicht genug Theater?
Die Politik ist eine ganz andere Art von Theater (lacht). Ich musste nie auf die Bühne, um mich zu produzieren. Und ich suchte auch nicht den Weg zum Theater, ich wurde angefragt und gefunden. Das Tolle am Schauspiel ist, sich in eine andere Person hineinzuversetzen und voll in dieser Rolle aufzugehen. Es ist eine ganz andere Welt, du musst nicht nur kreativ sein und dich einbringen, sondern dich selbst aufgeben. Ob ich nun Shakespeare spiele, Perón, Zoser oder Satan – ich darf dann zwar Anlagen von Ernst Walch miteinbringen, aber nicht Ernst Walch sein – zum Glück (lacht).

Ihr Herz gehört bekanntlich nicht nur dem Schauspiel, Ihr Name ist in Liechtenstein auch untrennbar mit der klassischen Musik und speziell mit dem SOL verbunden. Woher kommt Ihre Begeisterung für die klassische Musik?
Den Samen gesät hat mein damaliger Musiklehrer im Gymnasium, Albert Frommelt. Er weckte mein Interesse, indem er im Musikunterricht moderne Rock- und Popsongs von den Beatles oder Pink Floyd mit Werken von Mozart verglichen hatte. Was macht Pink Floyd aus einem Dreiklang, was schuf Mozart? Das waren Welten! Ausserdem spielte ich schon in jungen Jahren Trompete und hatte zudem eine Rockband, spielte Bass und sang auch. Und dann fand die Harfe den Weg zu mir. Die Harfe ist ähnlich wie das Klavier eine Brücke zur klassischen Musik.

Die Harfe fand den Weg zu Ihnen?
Ja, in der Tat. Meine Grosstante hatte mir 1982 ohne mein Wissen in ihrem Testament ihre Harfe vermacht, allerdings mit der Auflage, die Harfe auch zu spielen. Also musste ich es lernen, das Harfenspielen (lacht). Mittlerweile bin ich der Harfenpapa der Musikschule.

Sie sind als Präsident des SOL Mitbegründer des Musikfestivals «Vaduz Classic», das im August 2017 Premiere feiert und mit Geiger David Garrett, einem absoluten Weltstar, aufwarten kann. Welche Vision verfolgen Sie mit «Vaduz Classic»?
Der klassischen Musik haftet bei uns noch immer etwas Altmodisches, Elitäres an. Als ich in New York studiert und gearbeitet hatte, durfte ich Konzerte im Central Park miterleben. Seit damals habe ich die Vision, dieses Erlebnis, diese Kombination von Lockerheit mit höchster Präzision, auch einmal die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner erfahren zu lassen. «Klassik für alle» ist seit vielen Jahren meine Inspiration. So viele Leute wie möglich sollen in den Genuss dieser Musik kommen können. Das ist «Vaduz Classic» – Open Air in Vaduz.

Trotz Ihrer 60 Jahre sprühen Sie vor Energie. Gibt es noch Ziele und Projekte, die Sie unbedingt verwirklichen wollen?
Also unbedingt muss ich gar nichts. Was ich aber sehr gerne verwirklichen würde, und wo ich mich bereits eingeschrieben und sogar bezahlt habe, ist ein Weltraumflug. Ich wollte schon als Kind Astronaut werden und gönne mir nun dieses Abenteuer – obwohl die Familie zuerst etwas kritisch eingestellt war (schmunzelt).