Josef Eberle, Triesenberg: „Ich betrachte jeden Tag als Geschenk“

Josef Eberle, Museumsleiter, Triesenberg, bei der Führung durchs Dorfmuseum.

 

Josef Eberle, Vizepräsident der Internationalen Vereinigung für Walsertum IVfW, leitete fast 30 Jahre lang das Walsermuseum in Triesenberg. Seit 1965 ist er Feuer und Flamme für die Geschichte der Walser und verfasste dazu auch viele Publikationen. Langweilig wird ihm aber auch nach der Übergabe der Museumsleitung an seinen Nachfolger sicher nicht werden. Von Tamara Beck

lie:zeit: Herr Eberle, ihren Namen verbindet man in Liechtenstein mit dem Walsertum und dem Walsermuseum Triesenberg. Wann haben Sie begonnen, sich für die Geschichte Ihrer Heimatgemeinde zu interessieren und sich damit zu beschäftigen?

Josef Eberle: Geschichte war schon als Schüler eines meiner Lieblingsfächer. In der Schule kam die Geschichte der Heimatgemeinde aber zu kurz. Als 1961 das Walser Heimatmuseum, wie es damals hiess, gegründet wurde, war ich hell begeistert. Das hat mein Interesse an der Dorfgeschichte geweckt. Intensiv beschäftigt habe ich mich damit aber erst später.

Was fasziniert Sie an der Vergangenheit und wann haben Sie denn Feuer gefangen für das Spezialthema «Walser»?

Feuer gefangen ist gut gesagt. 1965 habe ich für die Erlangung der liechtensteinischen Lehrbefähigung mit Rudolf Schädler eine Heimatkundearbeit über das Walser Heimatmuseum erarbeitet. Damals konnten wir auch noch Aussagen von Zeitzeugen in die Arbeit aufnehmen, so zum Beispiel über das Flössen. Wertvolle Tipps gab uns der Gründer des Museums, Pfarrer Engelbert Bucher. Die Arbeit wurde ein Erfolg und seither hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Was mich fasziniert an der Vergangenheit? «Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Zukunft nicht verstehen…» Dieser bekannte Spruch hat schon etwas an sich. Viele junge Leute interessieren sich glücklicherweise dafür, wie es früher war und das Museum kann aufzeigen, wie einfach man damals gelebt hat.

Können Sie etwas mehr über die Entstehung des Walsermuseums berichten?

Eröffnet wurde das Museum vor 54 Jahren. Pfarrer Engelbert Bucher hatte schon in den Vierzigerjahren viele Gegenstände zusammengetragen. Das 400 Jahre alte Walserhaus Nr. 19 konnte 1959 erworben werden. Dort ist das erste Museum entstanden. Das Haus war ziemlich überfüllt mit Gegenständen und so wuchs die Sorge, dass das gesammelte, wertvolle Kulturgut im alten Holzhaus nicht geschützt war. Bei der Planung des neuen Dorfzentrums war die Gemeindevertretung mutig und weitsichtig und man hat ein neues Museum in die Überbauung integriert. Dieses konnte 1981 bezogen werden. Das alte Walserhaus dient bis heute als Wohnmuseum und ist eine wichtige Ergänzung zum neuen Museum. Die Zeit des Aufbaus war sehr intensiv. Dafür wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Klaus Schädler und ich haben mit einer Spezialfirma die neue Multivisionsschau realisiert. Es war eine Überblendtonbildschau, damals etwas weit herum Besonderes. Vor zwei Jahren wurde sie als Digitalproduktion neu gestaltet.

Können Sie die Geschichte der Walser kurz umreissen von ihren Anfängen bis heute?

Das ist keine einfache Frage. Über die Geschichte der Walser ist eine riesige Bibliothek an Fachliteratur entstanden. Triesenberg besitzt eine umfangreiche Walserbibliothek. Also die Geschichte der Walser in knappster Form: Walser sind Alemannen, die nach dem Jahr 800 ins Oberwallis eingewandert sind. Aus verschiedenen Gründen, sicher auch angeworben von den Feudalherren in verschiedenen Gebieten, verliessen im 13. Und 14. Jahrhundert viele Walliser ihre Heimat. Man hat diese Auswanderer immer in den höchsten Lagen angesiedelt. So gibt es Walserkolonien in Italien (Gressoney, Alagna, Macugnaga etc), in der Schweiz (Bündnerland, St. Gallerland), in Vorarlberg (Grosses Walsertal und Kleinwalsertal und viele mehr), in Frankreich und eben auch in Liechtenstein (Triesenberg und Planken). Dort haben die neuen Siedler gerodet, neues Weideland gewonnen und dafür verschiedene Freiheiten bekommen. Die freien Walser waren steuerfrei und nicht leibeigen. Und viele, so die Triesenberger, haben bis heute ihre Sprache behalten. Wer mehr wissen will, dem empfehle ich den Besuch des Walsermuseums. Dort erfährt man vieles über die Walser und kann auch Literatur beziehen.

Sie haben Ihr Wissen über die Dorfgeschichte und das Walsertum auch publiziert. Nennen Sie uns ein paar Titel?

Das erste Buch «Walser Heimatmuseum Triesenberg», ein Museumsführer, ist 1992 entstanden. Viele Fachartikel habe ich für die Zeitschriften «Wir Walser», «Walser Heimat in Vorarlberg, Tirol und Liechtenstein», «Heimelige Zeiten», und die Brauchtumszeitschrift «Eintracht» geschrieben. Seit gut 15 Jahren darf ich die Artikel «Ünschi Gschicht» im Triesenberger «Dorfspiegel»verfassen.

Für Ihre Tätigkeit im Bereich des Walsertums haben Sie auch Auszeichnungen bekommen. Welche sind das?

Es war eine Überraschung und eine grosse Freude für mich, als ich im Jahr 2010 den Bündner Kulturpreis der Peter Enderlin-Stiftung und im Jahr 2014 den Hauptpreis der DONUM VOGT STIFTUNG entgegennehmen durfte.

Das Walsermuseum erfreut sich bis heute grosser Beliebtheit. Was denken Sie, macht das Museum so besonders, worin hebt es sich von ähnlichen Museen ab?

Das Walsermuseum ist ein Museum, das die bäuerliche Kultur, die während Jahrhunderten fast unverändert gelblieben ist, darstellt. Wie der Name sagt, steht die Walserkultur mit der unverwechselbaren Sprache im Mittelpunkt. Die Dauerausstellung beschränkt sich auf Wesentliches und die Gegenstände erzählen selber ohne elektronischen Schnickschnack Geschichten. Die Texttafeln sind sehr zurückhaltend. Als einmalig in ihrer Art darf die Multivisionsschau hervorgehoben werden. Sie vermittelt mit eindrücklichen Bildern, teils in Panoramaform auf drei Bildwänden, sowie Kurzfilmen Interessantes über Triesenberg und seine Geschichte. Das 400 Jahre alte Walserhaus zeigt die frühere Wohnkultur. Für Sonderausstellungen steht uns die Galerie des Dorfsaals mit bester Infrastruktur zur Verfügung.

Sie haben Ende Jahr die Leitung des Walsermuseums im Alter von 73 Jahren abgegeben.

Ja, mein Alter bewog mich dazu, den anspruchsvollen, von mir geliebten Teilzeitjob, in jüngere Hände zu geben. Es ist mir ein Anliegen, meinen Nachfolger in die Arbeit einzuführen und ihm bei Fragen zur Seite zu stehen. Für Museumsführungen stehe ich zudem aushilfsweise noch zur Verfügung.

Wie werden Sie ansonsten Ihre freigewordene Zeit nutzen?

Es bleibt mehr Zeit für die Familie. Wir haben fünf Enkelkinder. Die Fotografie, ein beliebtes Hobby, möchte ich mehr pflegen. Reisen, Fremdsprachen auffrischen und Lesen sind weitere Vorsätze. Es wird sicher nicht langweilig werden.

Kurz Gefragt

Wie starten Sie in den Tag?
Mit einem feinen Frühstück zusammen mit meiner Frau und auch mit dem Lesen der Landeszeitungen und natürlich auch eurer Monatszeitung «lie:zeit».

Was schätzen Sie an Ihrer Heimatgemeinde?
Die grossartige Lage auf dem Sonnenbalkon Triesenberg, das zweckmässige Gemeindezentrum mit bester Infrastruktur und, wie könnte es anders sein, unser Walsermuseum.

Welches ist Ihr liebster Ort in Liechtenstein?
Masescha, ein faszinierender Ort mit Traumaussicht.

Welches Buch liegt derzeit auf Ihrem Nachttisch?
Ein Fachbuch über den Mac. Computer faszinieren mich.

Ein Lieblingszitat?
CARPE DIEM – ERFASSE den TAG. Wenn man über 70 Jahre alt ist, muss man jeden Tag als Geschenk betrachten und so gut es geht nützen.

Ein Reiseziel, das Sie noch interessieren würde?
Es gibt noch einige Reisewünsche. Spanien und Portugal möchte ich noch bereisen.